Kapitel 4

303 10 12
                                    

Claire

„Ja, alles okay. Das habe ich ja auch schon Ruby gesagt, oder möchtest du etwas anderes hören?"

 „Nein! Ich bin froh, dass es dir gut geht, aber es hat so gewirkt, als ob du mehr Angst vor mir hast, als vor Tom." Er sieht mir direkt in die Augen, ich wende den Blick ab. 

„Was?! Wie kommst du darauf?", natürlich weiss ich, wie er es meint. Wenn ich so tue, als ob ich nichts wüsste, denken die meisten Leute, dass sie sich irren und lassen das Thema fallen. Wie ich mir schon gedacht habe, ist Daemon aber anders: „Nun ja, als er dich angegriffen und anschliessend fallen gelassen hat, hast du weniger schlimm reagiert als bei mir. Und als ich dich abgesetzt habe, bist du so weit weg von mir gerutscht, wie nur möglich. Also, beantwortest du mir die Frage?" 

Wie soll ich es ihm das erklären? Sein Blick ist so fordernd, dass ich ihm die Antwort nicht verweigern kann: „Nimm das bitte nicht persönlich. Das vorhin waren zwei verschiedene Situationen, in denen ich mich unterschiedlich gefühlt habe." Ich sehe, dass er gekränkt ist aber niemand fragt nach so einer Antwort nach.

 Doch er überrascht mich erneut: „Aber ich habe dir doch nichts getan. Inwiefern war meines schlimmer für dich, als das, was Tom dir angetan hat?" „Ich kann es dir nicht sagen. Ich glaube du hast den Schreck abgekriegt. Als er mich hochgehoben hat, habe ich nicht reagieren können, ich war wie gelähmt. Als ich dann aus meiner Schockstarre erwacht bin, habe ich Panik bekommen und du musstest dann darunter leiden. Es tut mir wirklich leid." 

Man sieht ihm an, dass er weiss, dass dies nicht die Wahrheit ist. Ich schliesse die Augen und lasse den Kopf hängen. „Es tut mir wirklich leid." Ich höre etwas rascheln, dann legt er seine Hand an mein Kinn. Ich zucke augenblicklich zusammen, doch davon lässt er sich nicht beirren. Er zuckt zwar ebenfalls zusammen, aber das wahrscheinlich eher aus Schreck. 

Er hebt meinen Kopf an, so dass ich ihm in die Augenschauen muss. In ihnen könnte ich mich verlieren, ihre Farbe hat eine solche Ähnlichkeit mit dem Himmel, dass es fast schon merkwürdig ist. Sie sind ein offenes Buch für jeden, der ein geschultes Auge hat. 

„Du musst dich für gar nichts endschuldigen." Er klingt so aufrichtig, dass ich lächeln muss. Er mustert mich und lächelt dann ebenfalls zurück. Doch die Hand, die er an mein Kinn gelegt hat, weilt immer noch dort. Ich schüttle sie ab. Er merkt offenbar nicht, dass es mit Absicht ist, das ist mir recht. 

„Willst du noch was oder kehren wir zu unserem Platz zurück?" „Mit mir ist alles okay. Danke. Wir können gerne zu unserem Platz zurück." Mein kleines, mädchenhaftes Herz macht einen kleinen lächerlichen Sprung, als er mich anlächelt. Er steht auf und streckt mir anschliessend die Hand entgegen. 

Ich möchte jedoch nicht zurück in den Teil mit all den Jungs, vor denen ich gerade eine Panikattacke hatte. „Keine Angst, sie werden dich in Ruhe lassen und sonst sorge ich schon dafür." Er zwinkert mir zu. 

Ruby kommt herein und sieht die Situation. Sie bemerkt, dass ich in einer Sackgasse stecke, denn freiwillig seine Hand ergreifen werde ich nicht, noch nicht. Mache ich es jedoch nicht, ist das unhöflich. Ich sehe sie hilfesuchend an. 

Sie versteht sofort. „Daemon, sei doch ein Schatz und bring ihr etwas zum Kühlen. Ihr Halssieht schlimm aus und am besten auch noch was für ihre Hand." Daemon macht sich schon auf den Weg als ihm Ruby noch nachruft, er solle auch noch Schmerztablettenmitbringen. „Danke", flüstere ich ihr zu. Sie lächelt mich an. „Das mit Tom habe ich geklärt, er wird dich nicht mehr belästigen. Du darfst jetzt entscheiden, ob du an den alten Platz sitzen willst oder nach vorne zum Kapitän." 

Ich muss nicht lange überlegen, auch wenn Daemon total nett ist, weiss er nicht, worauf er sich einlassen würde, wenn er mich noch einmal retten müsste. „Ich gehe zum Kapitän." Sie lächelt mich an. Sie möchte noch etwas ergänzen, doch Daemon kommt und ich werde nie erfahren, was sie noch sagen wollte. „Hey, ich habe alles. Es sind zwar gefrorene Erbsen aber sie erfüllen ihren Zweck." Er übergibt mir zwei Säcke mit gefrorenen Erbsen und fährt unbeirrt fort, 

„Also, kommst du nach vorne?" Ich möchte darauf antworten, doch Ruby kommt mir zuvor: „Ich glaube, es ist besser, wenn..." Hat sie etwa gerade meinen Namen vergessen? Oder warum spricht sie nicht weiter? „Veeda zum Kapitän nach vorne geht, dort kann sie sich noch ein bisschen beruhigen." 

Veeda? Was soll das? Das war nicht abgesprochen. Veeda, was für ein scheusslicher Name, und so soll ich ab jetzt heissen. Es schüttelt mich. Aber ich sage nichts. Ich meine, was könnte ich auch schon sagen. 

Hey, so heisse ich nicht. Mein Name ist Claire, nicht Veeda. 

Ich meine, was würde Daemon wohldenken. Also gehe ich mit gesenktem Kopf nach vorne ins Cockpit. Ich schaue niemand unterwegs an. Vorne angekommen setze ich mich hin, schnalle mich an und beschliesse den ganzen Flug nicht zu reden. Der Pilot ist eh konzentriert, also könnte ich sowieso nicht mit ihm reden. 

Die Apparatur hat extrem viele Knöpfe die immer wieder mal aufblinken. Von den vielen Lichtern wird mir schon schlecht. Deshalb schaue ich aus dem Fenster, mit der Zeit erstreckt sich ein wunderschönes Meer aus Wolken. Doch aus dieses verliert immer mehr an Schönheit und das auch nur weil ich es zulange anschaue. 

Ist es nicht immer so? Irgendwann wir auch das schönste aller Dinge normal und unspektakulär... Unsere Gesellschaft ist so kaputt...

Wieder in kürzeres Kapitel. Was findet ihr besser?
Wie steht ihr dazu denkt ihr auch, dass unsere Gesellschaft kaputt ist?


Die Narben der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt