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Felix

Langsam laufen Elias und ich nebeneinander. Ich versuche mich seinem Tempo anzupassen, bin ihm aber immer ein paar Schritte voraus.

"Wir könnten uns einfach irgendwo hinsetzten und abwarten", schlägt Elias vor, worauf ich nur mit der Schulter zucke.

"Ich weiß nicht", antworte ich, "Einfach nur rumsitzen und warten bis etwas passiert, während die anderen versuchen uns hier rauszuholen, fühlt sich falsch an."

Für einen kurzen Moment denke ich darüber nach, was Alex wohl gerade macht. Vermutlich diskutiert er mit Oli über irgendetwas schlaues, den Urknall oder so. Das passt zu ihm.

Ziemlich unerwartet bleit Elias stehen, sodass ich durch mein plötzliches Stoppen fast gestolpert wäre, hätte Elias mich nicht am Arm festgehalten.

"Komm schon, das haben wir uns verdient. Einfach mal ein wenig Ablenkung, nach all dem, was passiert ist." Er macht eine kurze Pause und fährt dann zögernd fort: "Nach all denen, die wir verloren haben."

Verschwommene Bilder von Sina tauchen in meinem Kopf auf: Wie sie mir an meinem dreizehnten Geburtstag mit ihrer Querflöte in schiefen Tönen stolz ein Geburtstagslied spielt, wie sie das erste Mal zusammen mit mir ein YouTube-Video über die seltsamsten Eissorten gedreht hat, und schließlich ihr lebloser Körper, der im Wind baumelnd an einem dicken Seil hin und her wackelte.
Von meinen Erinnerungen erschrocken löse ich meinen Arm aus Elias' Griff.

"Wir könnten stattdessen schonmal helfen das Mittagessen zu rationieren. Sarah und Mirella machen das meistens, aber ich habe gehört, dass Mirella krank ist", schlage ich vor, worrauf Elias etwas enttäuscht nickt.

Gemeinsam laufen wir zur großen Holzhütte, in der jeden Tag zu festen Zeiten das Essen stattfindet. Neugierig betreten Elias und ich die Küche. Sarah steht zusammen mit zwei Jungs an einem Tisch und schaut stirnrunzeldn auf ein Stück Papier.

"Können wir helfen?", frage ich und stelle mich neben einen der Jungs. Er trägt eine Jeansjacke ohne Ärmel und eine schwarze Kappe auf der in weißer Schnörkelschrift "YOLO" steht. Ohne zu zögern stellt sich auch Elias dazu.

"Klar", antworten der Junge neben mir, "Ich bin Lukas. Das ist Roman und das ist-"

"Sarah", unterbricht das Mädchen und stellt sich selbst vor.

"Das ist eine Liste mit allen Essensvorräten die wir momentan haben", fährt sie fort und deutet auf ein zerkneultes Stück Papier.

"Heute gibt's wohl Tomatensuppe", erklärt Lukas. Erst jetzt fällt mir das Tattoo an seiner Hand auf.

"Cool", flüstere ich und versuche die chinesischen Schriftzeichen auf seiner Hand zu entschlüsseln, "Was steht da?"

"Käsekuchen."
"Echt?"
"Nein", antwortet Lukas und zieht seine Hand weg.

"Gut", fährt Sarah fort, "Lukas und ich sortieren die anderen Essensvorräte, Roman bringt Teller und Besteck in den Essensaal. Könnt ihr beiden die Suppe aufwärmen? Wir haben einen Gasherd, für lauwarm sollte es reichen."

"Klar", antworte ich und folge Elias zum Gasherd. Er stellt das Feuer ein, als Ergebnis erscheint jedoch nur eine kleine Flamme, die der einer Kerze ähnelt.

Elias seufzt.
"Das sieht für heute sehr nach kalter Tomatensuppe aus", stellt er fest.

Wäre Alex jetzt hier, hätte er bestimmt einen genialen Vorschlag.
Konzentriert starre ich auf das kleine Licht.

Was würde Alex jetzt tun?

Nachdenkend nähere ich mich dem Herd und betrachte die Flamme.
"Wir könnten ein Lagerfeuer machen und die Suppe dort aufwärmen", schlage ich vor.

Elias zuckt als Antwort mit der Schulter. "Wir könnten auch einfach-" Noch bevor Elias zu Ende reden kann, erhellt der Raum in einem roten Licht und aus dem Herd schießt eine Stichflamme hervor. Ich kann gerade noch rechtzeitig zur Seite springen, sodass die Flamme nur meinen rechten Unterarm streift.

So schnell die Flamme da war, so schnell verschwindet sie auch wieder. Als Ergebnis bleibt eine kleine blaue, rauschende Flamme.

Sofort packt Elias meinen Arm. Hätte er nicht mit seiner Hand daraufgeschlagen, hätte ich gar nicht gemerkt, dass der Ärmel meines Pullovers brennt. Nach kurzer Zeit hat Elias bereits geschafft, die Flamme zu ersticken, sodass nur ein Loch in meinem Pulli übrig bleibt.

Im Augenwinkel sehe ich, wie Roman die Küche betritt.
"Wow. Alles okay?"

"Alles bestens", antworte ich und lächel zuversichtlich.

Vorsichtig ziehe ich den Ärmel meines Pullovers hoch. Der Stoff war ziemlich dick und hat das meiste abgewehrt, dennoch verläuft über meinen Unterarm eine kleine Brandwunde.

"Na dann", fährt Roman fort, "Wenn ihr wollt kann ich Suppe aufwärmen und ihr könnt die anderen zum Essen holen."

"Klingt gut", antwortet Elias, wobei sein Blick auf meinen Arm gerichtet ist, "Ich glaube es ist keine so gute Idee, dass Felix und ich kochen."

Test 14Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt