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Alexander

Mit einem dumpfen Aufschlag landet Alisons Kopf auf dem Boden und rollt in Richtung Lena. Alle beginnen zu Schreien. Wie gelähmt starre ich auf Alisons Körper. Blut fließt aus ihrem Hals. Ich kann ihre Wirbelsäule sehen. Die Klinge muss extrem scharf sein, wenn sie so einfach ihren Kopf abschneiden konnte.

"Ich glaube, wir sind uns einig, dass das hier kein Scherz ist...", höre ich Felix sagen.

Einige rennen davon, aber nicht ich. Ich bin noch immer nicht in der Lage, mich zu bewegen.

"Alex? Alex, alles okay?"

Wie kann er fragen, ob alles okay ist? Natürlich nicht! Wie kann er so ruhig bleiben?

"Alexander?"

Ich schüttele den Kopf.

"Okay, komm."
Er nimmt meinen Arm und zieht mich in Richtung Tür. Ich reiße meinen Blick von Alison los und folge Felix nach draußen.

Ein leichter Windstoß bläst uns entgegen. Ich atme tief ein.

"Okay?", fragt Felix.

"Okay", erwidere ich.

Er schenkt mir ein kleines Lächeln. Wir gehen weg von dem Haus, in dem Alisons Körper liegt. Ich bemerke, dass sich Felix' Hand noch immer auf meinem Arm befindet. Sanft schiebe ich sie beiseite.

"Also", beginnt er. "Woher kommst du?"

Ich lache auf. Gerade haben wir mit angesehen, wie ein Mädchen enthauptet wurde und jetzt will er Smalltalk halten? Okay, wenn er meint.

"Frankfurt", antworte ich. "Also, nicht direkt Frankfurt, aber aus der Umgebung."

"Main oder Oder?"

"Main."

"Hm. Hessen. Nett. Ich bin aus Hamburg."

Bis jetzt habe ich nur zu Boden gesehen und meine Schritte beobachtet, jetzt aber sehe ich auf.
"Hamburg, cool. Da wollte ich immer schon mal hin."

"Es ist wirklich schön dort. Ich liebe es." Verträumt sieht er zum Himmel hoch. "Meinen Eltern und ich haben eine Wohnung ziemlich nah am Hafen. Von der Dachterrasse aus hat man einen wundervollen Blick darauf."

"Hast du Geschwister?", frage ich.

Felix schüttelt den Kopf. "Aber ich wünschte, ich hätte welche. Eine kleine Schwester vielleicht. Ich hab die Hoffnung noch nicht aufgegeben, weißt du."

Kurz denke ich daran, ihn daran zu erinnern, dass wir hier wahrscheinlich nicht lebend rauskommen, entscheide mich dann aber dagegen. Er wirkt gerade so... frei. Sorglos, irgendwie.

"Jessica ist ein hübscher Name", fährt er fort. "Jess. Ich würde ein toller großer Bruder sein. Ich würde ihr all die wichtigen Sachen des Lebens beibringen. Ich würde sie beschützen, immer für sie da sein. Jess würde so sein wie ich. Nur... noch verrückter." Er lacht auf. "Wenn das überhaupt möglich ist."
Er sieht mich an. "Was ist mit dir? Du hast gesagt, du hättest Brüder."

Ich nicke. "Ja. Hatte." Traurig sehe ich auf meine Armbanduhr ohne wirklich hinzusehen.

"Es tut mir so Leid, Alexander. Ich wollte nicht..."

"Schon okay." Ich atme zitternd ein. "Chris und Paul. Sie haben mich Alex genannt. Jeder zu Hause hat."

"Oh." Felix läuft über die Treppenstufen vor einem Hauseingang.

Moment, denkt er... "Ich lasse mich von niemandem mehr Alex nennen, seit Chris und Paul weg sind. Es bist nicht nur du. Ohne sie war alles so... anders. Ungewohnt. Ich habe mich von allem losgesagt, was mich an sie erinnert. Alles, was weh getan hat. Und dazu gehört auch Alex."

Felix springt von einem weiteren Treppenabsatz und umarmt mich. Überrascht zucke ich zurück.

"Wofür war das?", frage ich.

Er sieht mich mit schief gelegtem Kopf an und zuckt dann mit den Schultern.

Ich lächele ihn an. Er grinst und springt auf den nächsten Absatz.

"You're crazy", murmele ich. "I like it."

Test 14Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt