Zwei Tage! Wie sollte ich das bloß aushalten, wenn das momentane Wechselbad der Gefühle so anhielt? Jules rieb sich die rot umrandeten Augen. „Wenn das zwei Tage dauert, besteht vielleicht die Chance, dass wir abwechslungsweise etwas schlafen können?"
Ich hatte völlig vergessen, dass er schon wesentlich länger auf den Beinen war als ich. Ludmilla sah ihn mit schräggelegtem Kopf an. „Leg dich hin und ruh dich aus. Wir müssen ohnehin zuerst die notwendigen Komponenten zusammentragen." Sie klopfte mit dem Fingerknöchel auf die Liege der Prinzessin. „Ich wollte einfach zuerst mit eigenen Augen diese Kapsel sehen, um beurteilen zu können, wie groß das Risiko ist, die beiden aufzutauen."
„Und, wie groß ist es?" Mein viel zu schneller Herzschlag zeigte an, wieviel für mich von dieser Frage abhing.
Die Mechanikerin grinste, vermutlich wusste sie ganz genau, was in meinem Kopf vorging. „Vertretbar. Die Kapseln sind modern und alle Anzeigen deuten darauf, das der Gefriervorgang planmäßig ablief. Wir können das hier genauso gut wie die Staubfüßler, vielleicht besser. Und wie gesagt, es hat einige Vorteile, es hier zu machen."
Die Zweifel mussten mir ins Gesicht geschrieben sein. Ludmilla lachte. „Kein Scherz. Erstens haben wir hier die Kontrolle und müssen nicht damit rechnen, dass jemand das Manöver sabotiert. Diese ganze Entführungsgeschichte stinkt doch zum Himmel. Und zweitens würde der Transport zurück auf die Erde die Tauzeit um mehr als verdoppeln. Wenn sie dort niemanden haben, der sich auskennt..." Sie beendete den Satz nicht.
Die Unterhaltung endete damit, dass Jules sich hinlegte — in meinem Bett — während ich mit Ludmilla zurück zur Werkstatt ging. Pilot schien mit dem Arrangement zufrieden zu sein. Er verschwand hinter Jules in meiner Kabine und ich verspürte einen Stich der Eifersucht. Es war höchste Zeit, dass er sich eine eigene Kabine einrichtete, es konnte nicht angehen, dass er meine benutzte. Am Besten würde ich ihm diejenige gleich neben meiner bereitmachen...
Ludmilla riss mich unsanft aus meinen Gedanken. Natürlich hatte sie wieder mal alles mitbekommen. „Hm. Auf wen bist du nun eifersüchtig, auf den Kater oder auf Jules?" Ihr Ton war scherzhaft, aber ich ließ mich nicht zu einer Antwort hinreißen. Ich wusste, dass ich dabei nur verlieren konnte.
Erst in der Transportkapsel kam sie auf das Thema zurück. „Ihr beide seid füreinander gemacht. Jeder kann das sehen." Diesmal war ihre Stimme leise. Ich blickte überrascht in ihr Gesicht, das keine Spur des üblichen Grinsens zeigte. „Du solltest aufpassen, dass ihr die Sache klärt, bevor das Schicksal euch auseinanderreißt."
„Das Schicksal. Es hat uns zusammengeführt." Ich dachte an unsere erste Begegnung und daran, dass seine technischen Fähigkeiten uns gerettet hatten. „Aber wie kann ich wissen, dass er der richtige ist?"
„Du kannst es nicht wissen. Aber du solltest versuchen, es herauszufinden, solange du dazu Gelegenheit hast." Die Kapsel stoppte auf unserem Zielniveau und Ludmilla ging mit langen Schritten davon, kaum dass sich die Tür geöffnet hatte. Ich folgte ihr in Richtung ihrer Werkstatt, bemüht mit meinen kürzeren Beinen Schritt zu halten. Verwundert fragte ich mich, ob sie wohl so ernst geworden war, weil sie selbst auf ein ähnliches Erlebnis zurückblickte.
Das ging mich zwar nichts an, trotzdem wollte ich nicht, dass sie annahm, ich würde ihren Rat nicht schätzen. „Danke, Ludmilla. Du hast recht. Aber ich möchte nicht, dass er glaubt, ich werfe mich ihm an den Hals."
„Hast du davor Angst?" Sie sah mich mit gehobenen Brauen von der Seite an. „Der Junge hat letzte Nacht durchgeschuftet um deine Luftaufbereitung zu reparieren. Er ist in Ordnung, glaub mir."
Wir erreichten die Werkstatt und Ludmilla begann in Regalen und Kisten zu wühlen. „Ich habe seinen Vater gekannt. Gut gekannt, als ich etwas jünger war als du." Ihre Worte waren scheinbar an ein Messgerät gerichtet, das sie intensive anstarrte und dann aufs Regal zurücklegte, um ein anderes in die Hand zu nehmen.
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Und mein Schiff heißt Nemesis | Wattys 2021 Shortlist
Science FictionEigentlich sollte ich nur die Tochter des Senators nach Europa-5 bringen. Der Lohn würde reichen, endlich mein Schiff zu überholen. Aber das Schicksal meinte es anders. Es bescherte mir nicht nur einen Asteroideneinschlag, sondern auch einen blinder...