6 - Erfolge

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Das Aggregat stand glücklicherweise dort, wo ich es vermutet hatte, zwischen meinem Frachtstapler und den Kisten mit Ersatzkacheln für den Hitzeschild. Mit Hilfe des Staplers und einiger unbenutzter Paletten gelang es mir, den klobigen Kasten zur Schleuse und über die Schwelle zu hieven. Kurzentschlossen entschied ich mich, den Stapler gleich mitzunehmen.

Allerdings kostete es mich einiges, das schwere Ding in die Schleuse zu manövrieren, und ich blieb dabei mit einem Ärmel an der Kante einer Palette hängen. Panisch überprüfte ich den Anzug, aber für einmal hatte ich Glück. Er war nicht zerrissen.

Völlig ausgelaugt lehnte ich mich gegen die Luke, sobald diese geschlossen und gesichert war. Ich schöpfte mehrmals tief Atem und schaltete mit einem ölverschmierten Finger das Komm des Anzugs ein.

„Jules? Ich habe das Ding in der Schleuse. Du kannst sie mit Luft fluten."

„Gute Arbeit, Lo. Bin dabei, dauert nur ein paar Minuten."

Das wusste ich natürlich selbst. Trotzdem war es beruhigend, seine Stimme zu hören. Ich war versucht, ihn während der Wartezeit in eine Unterhaltung zu verwickeln. Aber damit hätte ich bloß meine Nervosität verraten und unnötig Luft verbraucht. Jeder Atemzug konnte ins Gewicht fallen, wenn es uns gelang, den Wandler zu reparieren. Sonst... ich mochte gar nicht an die möglichen Konsequenzen denken.

Endlich erlosch die Warnlampe und das Schleusenrad bewegte sich. Jules war dabei, die Kammer von außen zu öffnen. Ich nahm meinen Helm ab und würgte, als sich meine Lunge mit abgestandener Luft füllte. Nach fünfundzwanzig Minuten Versorgung mit sauerstoffreicher Atemluft aus dem Anzugstank war der Unterschied beängstigend. Dennoch widerstand ich der Versuchung, den Helm wieder aufzusetzen.

Gemeinsam schafften wir das Kühlaggregat beinahe mühelos in den Maschinenraum und setzten es neben dem Oxwandler ab. Während ich mich aus dem Anzug schälte, war Jules schon dabei, es zu zerlegen. Offensichtlich hatte er die Wartezeit genutzt, um einen Plan zu schmieden. Zumindest hoffte ich, dass er einen Plan hatte, meine Kreativität befand sich gerade auf einem Tiefpunkt.

Erschöpft sah ich von der untersten Treppenstufe aus zu, wie er die Kühlung installierte. Ich konnte nicht viel helfen, außer ihm die geeigneten Werkzeuge zu reichen. Meine Hauptaktivität bestand darin, jede Viertelstunde den defekten Sauerstoffwandler eine Minute lang einzuschalten. Das war zu wenig, um die Luft im Schiff zu verbessern, aber genug, um die Hoffnung am Leben zu halten.

Immer wieder nickte ich kurz ein, nur um gleich wieder aufzuwachen und mir schuldbewusst die Augen zu reiben. Gähnen wurde zum unwiderstehlichen Zwang. Jules sah von seiner Arbeit auf. Unter seinen Augen zeichneten sich schwarze Ringe auf der bleichen Haut ab. „Der Sauerstoffmangel macht sich bemerkbar. Deshalb sind wir so müde und ständig am Gähnen. Leg dich einen Moment hin, ich kann die Anlage auch allein bedienen."

„Ich weiß. Aber was ist, wenn du einschläfst? Wir müssen uns gegenseitig wachhalten, oder wir ersticken hier kläglich."

Er machte sich nicht die Mühe, zu antworten. Während er zurück an die Arbeit ging, versuchte ich auszurechnen, wie lange wir uns schon mit diesem Problem auseinandersetzten. Überrascht stellte ich fest, dass der Meteoriteneinschlag bereits beinahe 24 Stunden zurücklag. Kein Wunder waren wir beide erschöpft! Ich wollte Jules gerade vorschlagen, zur Feier des Moments eine Tasse Kaffee zu holen, als er mich breit grinsend ansah.

Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, dass es soweit war: Jules hatte die Kühlspirale des Aggregats so modifiziert, dass sie sich in engen Windungen um die Steuerung des Oxwandlers schlang. Nun war er bereit, die improvisierte Anlage in Betrieb zu nehmen.

„Möchtest du sie einschalten? Schließlich ist das dein Schiff."

„Nein, du hast das Ding repariert, die Ehre gehört dir."

Und mein Schiff heißt Nemesis | Wattys 2021 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt