20 - Raumspaziergang

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Ludmilla und Jules arbeiteten Hand in Hand als hätten sie nie etwas anderes gekannt. Ich war fast etwas neidisch auf das reibungslose Zusammenspiel der beiden und kam mir gerade ziemlich überflüssig vor. Ich hasste es, auf andere angewiesen zu sein, ein Spielball der Ereignisse, ohne die Möglichkeit, den Kurs mitzubestimmen. Immerhin schien Pilot es zu genießen, auf meinem Schoß zu sitzen und sich das Fell kraulen zu lassen.

Eine grüblerische halbe Stunde später besaß Nemesis wieder eine funktionierende Luftaufbereitung, inklusive einer Reserveeinheit. Mit fiel ein riesiger Klumpen von einem Asteroiden vom Herzen, dessen Existenz mir nicht voll bewusst gewesen war. Ein Wunder, dass er im Deck keine bleibende Delle hinterließ.

Jules verschloss die Abdeckung des Oxwandlers und grinste. „So, zumindest Problem Nummer eins haben wir aus der Welt geschafft. Eigentlich sollten wir das mindestens mit einem Glas feiern, was meinst du, Lo?"

„Gerne, leider bezweifle ich, dass eine große Feier angebracht ist, solange wir nicht wissen, wie sich unser klitzekleines Problem Nummer zwei entwickelt. Und ehrlich gesagt, bleibe ich im Moment lieber nüchtern, solange dieser Damokleslaser noch auf mich gerichtet ist." Unglaublich, wie schnell sich meine Erleichterung schon wieder in Sorge verwandelte.

Ludmilla packte ihr Werkzeug zusammen und holte ihr Komm aus der Tasche. „Keine Sorge, Lonnie. Das Tiefkühlproblem steht als nächstes auf der Liste. Mal sehen, wie weit Pete gekommen ist."

Während sie ihrem Gesprächspartner lauschte, setzte sich Jules neben mich auf die Treppe und schubste mich mit dem Ellenbogen an. „Warum so nachdenklich?"

„Ich komme mir gerade unglaublich hilflos vor. Ohne dich und Ludmilla hätte ich das mit dem Oxwandler nicht geschafft. Und die Sache mit der Prinzessin... das ist schlicht ein Albtraum."

Sein Lächeln verflog. „Du hast recht, das ist es wirklich. Aber Lud ist echt gut, ich weiß jetzt, wieso mein Vater solchen Respekt vor ihr hatte. Wenn jemand die beiden auftauen kann, dann sie."

„Hoffentlich. Ich frage mich, ob wir die Patienten vielleicht doch besser zur Erde schicken sollten. Ich kann die Göre nicht leiden, aber den Tod wünsche ich ihr trotzdem nicht. Wenn etwas schiefgeht, werde ich mich dafür verantwortlich fühlen. Und Herakles, nun, er ist sogar irgendwie süß."

Jules' Augenbrauen wanderten in die Höhe und ich musste einen Moment lang ein Kichern unterdrücken. Meine momentanen Stimmungsschwankungen waren fast etwas beängstigend. Zum Glück beendete Ludmilla nun ihr gemurmeltes Gespräch.

Pilot war nicht glücklich, dass ich meine Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihn konzentrierte. Er sprang zu Boden und warf mir über die Schulter einen beleidigten Blick zu, bevor er steifbeinig und mit erhobenem Schwanz davonstolzierte.

„Pete hat es geschafft, zwei Kisten aus der Papaya rausbringen zu lassen, die aussehen, als würden sie die vermeintlichen Schläfer enthalten." Ludmilla verstaute das Komm wieder in der Tasche. „Er ließ sie mit einer Eskorte in die medizinische Station bringen, wo sie nun in der geschlossenen Abteilung stehen."

„Die beiden sind aber immer noch in der Kapsel?"

„Ja, wie abgemacht. Eigentlich wollte Pete die Kapsel in die Nähe der Nemesis bringen lassen. Aber es gibt im VIP-Bereich kein passendes Dock, wo wir sie ankoppeln können."

Ich runzelte die Stirn. „Nun, warum bringt er sie nicht zurück zur Nemesis? Hier am Schiff kann sie problemlos andocken, da gehört sie schließlich hin."

„Dazu müsste zuerst jemand die Siegel überprüfen. Diese Kapseln sind nicht für den Mehrweggebrauch bestimmt." Jules hatte mit seinem Einwand natürlich recht. Das äußere Siegel der Kapsel ließ sich einfach an Bord der Papaya überprüfen. Aber dasjenige an der Nemesis erforderte einen Raumspaziergang.

Und mein Schiff heißt Nemesis | Wattys 2021 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt