31 - Verhandlung

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Alle Augen waren auf Jasmine von Schroeder gerichtet, meine nicht ausgeschlossen. Stolz und aufrecht stand sie da, vom Gefrierschlaf ausgelaugt, erdgeboren und ein gutes Stück kleiner als alle anderen Anwesenden, mit mir als einziger Ausnahme. Ihr bleiches Gesicht und die wirr in alle Richtungen stehenden Haare zeugten von den Strapazen, die hinter ihr lagen. Dabei hatte sie den größten Teil davon noch verschlafen. Unwillkürlich fragte ich mich, wie ich selbst wohl aussah.

Ein kurzer Blick auf Jules' verwahrloste Erscheinung bestätigte meine Befürchtungen. Wir waren gute Gesellschaft für die Prinzessin. Herakles, der sich soeben mit Ludmillas Hilfe aufrichtete, bildete keine Ausnahme. Er hielt sich einen Moment am Arm der Technikerin fest, bevor er auf unsicheren Beinen zur Prinzessin trat, die Schultern zurückwarf und beschützend vor ihr Aufstellung nahm. Sie fasste ihn am Arm und richtete sich auf die Zehenspitzen auf, um ihm etwas ins Ohr zu wispern.

Er nickte, bevor er einen Schritt zur Seite rückte. Trotzdem blieb er in ihrer Nähe und ließ den Blick aus zusammengekniffenen Augen durch die Runde schweifen. Falls er dabei nicht leicht geschwankt hätte, wäre sein Auftreten bestimmt beeindruckender gewesen. So brachte es ihm nur ein Kopfschütteln von Ludmilla ein, die sich vergeblich bemühte, ihn dazu zu bringen, sich hinzusetzen.

Jasmine schenkte ihm ein kleines Lächeln, bevor sie ihm mit leiser Stimme befahl, sich zu setzten. „Bitte. Du nützt mir nichts, wenn du umfällst."

Das Argument zeigte Wirkung, aber auf dem Gesicht des Leibwächters spiegelte sich deutlich der Widerwille gegen seine eigene Schwäche. Ludmilla drückt ihm die letzte Wasserflasche in die Hand. „Trink. Es hilft gegen die Schwindelanfälle."

Das Ratsmitglied mit dem roten Kopf, das sich immer noch nicht beruhigt zu haben schien, räusperte sich laut. „Sie behaupten also, dass dieses Dokument, das ein Zertifikat des Senats der Erde trägt, eine Fälschung ist?"

„Keine Ahnung. Schon möglich, dass es echt ist." Jasmine verzog den Mund, als ob sie etwas widerliches geschluckt hätte.

„Ha. Was..." Rotgesicht war aufgestanden und hob anklagend einen Finger. Aber die Dame von Schroeder ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Ich war noch nicht fertig. Es ist möglich, dass das Dokument echt ist, aber ohne es gesehen uns geprüft zu haben, würde ich nicht darauf schwören. Und selbst wenn es echt ist, muss es nicht die Wahrheit sagen."

Gemurmel lief durch die Reihen, bis Tanja beschwichtigend eine Hand hob. „Ruhe. Was implizieren sie damit, Frau von Schroeder?"

„Jasmine. Ich habe gehört, hier draußen geben sie nichts auf Titel." Eine weitere Überraschung. Ich musste zugeben, die Prinzessin beherrschte es meisterhaft, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu bleiben. „Ich impliziere, dass es verschiedene Mitglieder des Senats geben könnte, die möglicherweise an meinem Verschwinden oder Ableben interessiert wären."

Tanja runzelte die Stirn. „Weshalb sollten sie dann die Verhaftung von Ilona Choriakos verlangen?"

Gute Frage. Das schien auch die Prinzessin festzustellen. Ihre Lippen pressten sich zusammen und ich glaubte beinahe, die Gänge in ihrem Hirn schalten zu hören. Wenn ich gewusst hätte, worauf sie hinauswollte, wäre ich ihr gerne zu Hilfe gekommen. Aber mir war klar, dass ich mehr schaden als nützen konnte, solange ich keine Ahnung hatte, was hier gespielt wurde — und zudem mit Kopfschmerzen kämpfte.

„Wenn sie das so formulieren, fürchte ich, dass sich bereits ein potentieller Attentäter auf ihrer Station aufhält." Sie warf trotzig den Kopf zurück und starrte Tanja an. „Wie gesagt, Ilona hat mir geholfen. Deshalb ist sie ins Schussfeld geraten, obwohl sie mit der Sache nichts zu tun hat."

Und mein Schiff heißt Nemesis | Wattys 2021 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt