24 - Mahlzeit

447 62 36
                                    

Während Ludmilla zur Brücke ging, machte ich mich daran, meine Spezialität zuzubereiten. Es war eine Weile her, seit ich das getan hatte. Auf der letzten Reise war ich inmitten all der Aufregung nicht dazu gekommen. Ich hatte nicht einmal daran gedacht, Jules und mich zu verwöhnen, so sehr waren wir auf die Luftaufbereitung konzentriert gewesen.
Dabei machte mir Kochen eigentlich Spaß, und ich hatte mich entsprechend gut dafür eingerichtet. Und für dieses besondere Rezept hatte ich auch immer genügend vorbereitete Zutaten bereit. Ungewohnt war nur, dass ich für vier Personen kochen würde statt für mich alleine.

Sobald ich mit den Vorbereitungen begann, fühlte ich, wie ich mich entspannte. Irgendwie würden wir das hinbekommen. Gab es nicht für jedes Problem eine Lösung? Noch zwei Tage, und all dies war nur noch eine Anekdote im Ionenschweif der Nemesis, über die ich hoffentlich lachen konnte.
Ich war mit dem Kochen noch nicht weit gekommen, als Ludmilla den Kopf in meine kleine Kombüse steckte. „Marsh lässt grüßen. Das Komitee hat nun offiziell einen Krisenstab eingesetzt."

„Hm. Was heißt das genau? Dass wir es jetzt mit einer offiziellen Krise zu tun haben?" Vermutlich hatte ich mich wieder einmal zu früh damit befasst, mein imaginäres Bild der Zukunft mit Silberstreifen der Hoffnung auszuschmücken.

„Das auch. Aber für uns ist vor allem wichtig, dass wir in den nächsten vierundzwanzig Stunden vermutlich von denen nicht viel hören werden." Ein Augenzwinkern verriet mir, dass sie bester Laune war. „Solche Ausschüsse brauchen immer unendlich lang, um Entscheidungen zu fällen. Außerdem sitzt Tanja da mit drin. Sie hat Pete zu ihrem persönlichen Kommunikationsoffizier berufen. Er wird uns, oder besser gesagt Marsh, so gut als möglich auf dem Laufenden halten."

Nun, das waren auf jeden Fall positive Nachrichten. In vierundzwanzig Stunden würden wir, wenn alles gut lief, mitten im Weckvorgang sein. „Jetzt, wo wir den Auftauprozess eingeleitet haben, ist es überhaupt noch möglich, ihn zu stoppen?"

„Theoretisch wohl schon, aber ich bezweifle, dass das jemals in der Praxis überprüft wurde. Deshalb wird niemand freiwillig bereit sein, das Risiko zu übernehmen, Krise hin oder her. Nein, ich glaube, wir werden die junge Dame und ihren Muskelprotz schon bald direkt fragen können, was sie von den Anschuldigungen halten."

Während ich Ludmilla anstarrte, als hätte sie soeben mein Todesurteil gesprochen, fühlte ich, wie meine Knie schwach wurden. Die Prinzessin hatte mir bereits vor der Krise angedroht, sich bei der Stationsleitung über mich zu beschweren. Zusammen mit den Anschuldigungen der Erdregierung konnte das für mich ziemlich schlecht aussehen. Was, wenn die Göre aufwachte und tatsächlich behauptete, ich hätte sie entführt?

Ludmilla trat näher und streckte eine Hand aus, um mich zu stützen. „Was ist los? Du siehst plötzlich aus, als hättest du einen Geist gesehen."

Damit hatte sie nicht unrecht. „Mir ist gerade eingefallen, dass die von Schroeder nicht gerade gut auf mich zu sprechen ist. Sie nörgelte während der ganzen Reise herum, an der Unterkunft, der Verpflegung, dem Schiff, einfach an allem. Ich hoffe bloß, dass sie nicht aus purer Gehässigkeit behauptet, ich hätte sie entführt."

„Oh." Ich hätte zu gerne gewusst, was in diesem Moment in Ludmillas Kopf vorging. Aber ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. „In diesem Fall werden wir zusehen müssen, dass niemand an sie herankommt. Nicht dass ihr jemand diesen mechanischen Floh ins Ohr setzen kann."

Ludmilla lehnte sich gegen meinen Arbeitstisch und stütze die Arme auf. „Ich habe mir schon vorhin überlegt, ob wir nicht eine optische Überwachung installieren sollten. Damit könnten wir zusätzlich zu den Daten des Prozesses auch die Bilder dazu festhalten. Auf diese Weise kann später niemand den Vorwurf erheben, wir hätten die Aussagen der beiden manipuliert."

Und mein Schiff heißt Nemesis | Wattys 2021 ShortlistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt