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-?? Juni 1941 -

Sein ausgezehrter Körper hatte kaum noch Kraft in sich und dennoch zuckten seine Muskeln beim nächsten Krampfanfall unerbittlich zusammen und raubten ihn kostbare Energie. Energie, welche er zum Überleben so dringend benötigte. Einfach alles kostete Kraft. Das Atmen. Sogar der Augenaufschlag. Er war so ausgemergelt, so erschöpft, dass er nicht einmal wusste, ob er seine Augen geöffnet hatte. Denn das einzige was er sah war Dunkelheit. Dunkelheit, die ihn wie ein gefräßiges Tier zu verschlucken drohte. Und für einen Moment wünschte er sich nichts sehnlicheres als gefressen zu werden, damit die unerträglichen Schmerzen endlich ein Ende fanden. Als ihn ein nächster Krampfanfall überkam, dachte er es wäre soweit. Erleichtert würde er dem Tod ins Gesicht blicken und ihn verärgert fragen, warum das so lange gedauert hatte, warum man ihn so leiden lassen hatte. Dann hallte von außen eine Stimme dumpf in seinem Kopf wieder. Sie klang weit entfernt und doch spürte er, wie ihn auf einmal etwas an seinen Armen packte und vom Tod fortzerrte. 

Dann vernahm er gar nichts mehr.

~

Das kalte, nasse Etwas, was auf seine Stirn gelegt worden war ließ ihn langsam aufwachen. Russlands Augenlider flackerten, doch es gelang ihm nicht seine Augen zu öffnen. Es schien als widersetzten sich sämtliche Muskeln seiner Befehle, denn sein Körper lag weiter schlaff gebettet auf einem weichen Untergrund. Im Ungewissen darüber wo er sich befand, breitete sich nackte Angst in ihm aus.

"П... аaa...па? (Papa)" krächzte eine leise, brüchige Stimme und Russland realisierte nicht, dass es seine eigene war.

Dann vernahm er eine dunkle, tiefe Stimme.

Sie klang besänftigend und fürsorglich als würde sie einem alten schwachen Tier treu zureden um ihm den Weg zum Schlachter zu verschönern.

Russland verstand den Sinn der Wörter nicht. Nur alleine der Klang dröhnte in seinem Kopf wieder und wieder. Das Gefühl, dass sich die Welt um ihn herum winden und drehen würde überrannte ihn und er tauchte erneut in eine tiefe Dunkelheit hinab.

Nach etlichen gefühlten Stunden gelang es Russland seine Augen unter einem Blinzeln für einen kurzen Moment zu öffnen. Sein Blickfeld war immer noch getrübt und er konnte lediglich, neben all den grauen Schleiern, eine helle Lichtquelle ein paar Meter von ihm entfernt wahrnehmen. Als er seinen Kopf anheben wollte durchzog ihn ein heißer Schmerz, so dass er seinen Kopf so schnell wie möglich zurück auf den weichen Untergrund senkte. Unter einem Zittern atmete er ein und aus.

Er schloss seine Augen nur um sie, in der Hoffnung auf ein besseres Sichtfeld, erneut aufzuschlagen. Er wiederholte dieses Spiel mehrmals bis er einigermaßen klare Umrisse erkennen konnte. Er konnte wahrnehmen, dass er nicht alleine war. Ein buckliger Kauz hockte links von ihm an einem offenen Kaminfeuer auf dessen Flamme ein Schwenktopf von einer Kette herab hing. Der Kauz hatte ihm den Rücken zugewandt und schien nicht bemerkt zu haben, dass Russland erwacht war. Russlands Blick wanderte weiter und er erkannte einen Holztisch mit zwei Stühlen. Er realisierte mehr und mehr, dass er sich augenscheinlich in einem privaten Haushalt befand. Ein Krankenhaus war das definitiv nicht. Die Möbel wirkten auf Russland alt und abgenutzt. Er konnte weiterhin noch einen Holzschrank und ein paar schiefe Kommoden erkennen. Eine Vielzahl an Gegenständen standen oder lagen auf diesen Möbelstücken, welche Russland nicht näher identifizieren konnte.

Er stöhnte auf als ihm eine erneute Welle des Schwindels überkam und der Kauz blickte von seiner Feuerstelle zu Russland hinüber. Ein faltiges Grinsen lag auf dessen Gesicht. Dann tapste er mit einem seltsamen breitbeinigen Gang, welcher Russland irgendwie an einen Krebs erinnerte, auf ihn zu. Ohne etwas zu sagen legte der Kauz seine Hand auf Russlands Stirn, dann nickte er kurz mit seinem Kopf.

Countryhumans | Astrantia (RusGer)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt