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- Januar 1942 -

Er sprang vor Schreck regelrecht von seinem Stuhl in die Höhe als sich auf einmal eine Hand auf seine Schulter legte. Er musste für einen kurzen Moment eingenickt gewesen sein, denn sonst hätte er es auf jeden Fall mitbekommen, wenn jemand sein Zimmer betreten hätte. Besonders am späten Abend, wenn sich die Stille über alles legte, waren die Geräusche gut zu hören. Sämtliche Wände der Reichskanzlei waren hellhörig.

"Vater... was machst du hier? Es ist schon spät."

Aus einem unerklärlichen Grund fing sein Herz an schneller zu schlagen.

Nur der Schein der kleinen Schreibtischlampe hatte das Arbeitszimmer mit seinem spärlichen Licht erfüllt. Die Mimik des Dritten Reiches lag im dämmrigen Halbdunkel. Doch er erkannte, dass das rechte Augenlid seines Vaters bedrohlich zuckte.

"Ich wollte nach meinem ach so tüchtigen Sohn sehen."

Das Dritte Reich ließ die Schulter seines Sohnes los und fuhr mit seiner Hand langsam über all die am Tische verteilten Dokumente.

"Es ist schon spät." wiederholte sich Deutschland. "Du solltest ruhen."

"Mhm..." summte sein Vater leise als er einen der vielen Zettel aufnahm, diesen kurz überflog und wieder zurück auf den Tisch sinken ließ.

"Immer so tüchtig..."

Sein Vater ging einmal um den Tisch herum und blieb dann hinter Deutschland, welcher nach wie vor wie angewurzelt auf seinem Stuhl saß, stehen. Dann beugte er sich hinter ihm vor, so dass er direkt in sein Ohr sprach.

"Immer so aufopfernd..."

Deutschlands Herzschlag beschleunigte sich weiter.

"Immer so... loyal."

Ein kalter Schauer durchzuckte Deutschlands Mark, als er hörte, wie gehässig sein Vater das letzte Wort ausgesprochen hatte.

"Nicht wahr?"

Verängstigt drehte Deutschland seinen Kopf in Richtung seines Vaters. Ein Wort brachte er nicht heraus.

"Hmmmh... Sag, mein loyaler Sohn, ist dir der Name Dimitri Solokow ein Begriff?"

Zögerlich schüttelte Deutschland mit seinem Kopf.

"Äußerst suspekt, er schien dich gut zu kennen. Er wurde vor einer Woche von den treuen Wachposten an der Grenze aufgegriffen. Was macht ein dreckiger, tätowierter Kommunist an unserer germanischen Grenze? Laut Pass hatte er ironischerweise einen ganz anderen Namen. Wie konnte nur jemand mit derart ungebildeter Aussprache einen germanischen Namen tragen? Seltsam, seltsam, nicht wahr?"

Das Dritte Reich legte seinen Zeigefinger an seine Stirn.

"Ich frage mich, was das nur zu bedeuten hatte..."

"... Papa...." mehr brachte Deutschland nicht hervor. Ihm war sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen.

Sein Vater nahm den Finger von seinem Kopf und machte ein Gesicht, als sei ihm soeben die Lösung auf seine eigene Frage eingefallen.

"Die Antwort ist so einfach. Als ich ihm in seine zweite Kniescheibe zertrümmern ließ, sprach er wie ein Wasserfall. Nur seltsam... ach so seltsam... Es fiel immer wieder dein Name. Germania. Germania. Germania. Ein verlogene Made, so dachte ich einst. Aber siehe da, die verlogene Made fand sich ganz woanders wieder."

Über das Gesichts seines Vater huschte ein Anflug von Vulnerabilität bevor er wieder emotionslos wurde.

"Ich bin sehr enttäuscht."

Countryhumans | Astrantia (RusGer)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt