Kapitel 26

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Kurz bevor ich die Autotür zugeschlagen hatte, wagte ich es meinen Blick zu heben und traf sofort Herr Ranges kalte und verlangenden Augen, bevor dieser hinter der spiegelnden Glasscheibe verschwand. Schwerfällig schluckte ich und drehte mich nach kurzem Zögern zu meinem Haus um. Schon wieder dieser Name. Bunny. Was zur Hölle sollte das bedeuten? Warum nannte er mich so? Er sollte das nicht tun. Ich war noch immer seine Schülerin. Doch ich musste mir eingestehen, dass mir dieser Name sogar ziemlich gefiehl. Wenn irgendjemand anderes mich so genannt hätte, würde mir der Name wahrscheinlich nicht gefallen, wenn ich ehrlich war. Kopfschüttelnd krallte ich meine Fingernägel in die Gurte meines Rucksacks und begab mich auf wackeligen Beinen zur Haustür. Nachdem ich mit zittrigen Händen den Schlüssel aus meinem Rucksack gekramt und schließlich die Tür aufgeschlossen hatte, drehte ich mich erneut zur Straße um. Genauso wie beim letzten Mal stand Herr Ranges Auto noch immer am Straßenrand. Wartete er, bis ich im Haus war, oder warum stand er erneut so lange dort? Sobald ich mich jedoch umgedreht hatte, setzte sich das Auto sofort in Bewegung und Herr Range sauste mit einer unglaublichen Geschwindigkeit davon, die definitiv die Geschwindigkeitsgrenze überstieg. Als Herr Ranges Auto dann aus meiner Sichtweite verschwunden war, drehte ich mich wieder zur Haustür um und trat ein. Schnell schlüpfte ich aus meinen Schuhen und schälte mich aus meiner Jacke, bevor ich mir meinen Rucksack schnappte und zur Treppe watschelte. Kurz warf ich einen Blick in die Küche und überlegte, ob ich mir etwas zu essen machen sollte, doch allein bei der Vorstellung von Essen wurde mir schlecht und rümpfte angewidert die Nase. Sofort wandte ich mich von der Küche ab und flitzte nach oben in mein Zimmer. Ich warf meinen Rucksack achtlos in die Ecke und ließ mich Kopf voran auf mein Bett fallen. Seufzend drehte ich meinen Kopf zur Seite und starrte für einige Minuten auf meinen Schreibtisch. Ich hatte eigentlich haufenweise Hausaufgaben zu erledigen, doch ich konnte einfach nicht. Ich hatte einfach nicht die Kraft mich wieder aus dem Bett zu hieven und dann meinen Kopf anzustrengen. Nach kurzem Zögern schloss ich dann kapitulierend die Augen. Es würde sowieso keine bemerken, wenn ich die Hausaufgaben nicht gemacht habe. Außer Herr Range wusste selbst nach all den Jahren immer noch keiner der Lehrer, wer ich war. Ich wusste nicht genau, was in deren Köpfen vorging, wenn da ein Name auf ihrer Liste stand, den sie nicht kannten, oder ein unbekanntes Mädchen unbeteiligt am Fenster saß und auf ihrem Block herum kritzelte, doch vielleicht nahmen sie nicht einmal das wahr. Wer weiß. Angestrengt versuchte ich alle meine Gedanken aus dem Kopf zu verbannen, um ruhig einschlafen zu können, doch das machte alles nur noch schlimmer. Je stärker ich versuchte nicht an etwas zu denken, desto klarer kam es in meinen Verstand und spukte wie ein hüpfenden Ball in meinen Gedanken herum. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch plötzlich wurde meine Zimmertür aufgerissen und mein kleiner Bruder trat immer wieder gegen mein Bett. "Essen, Tati!" schrie er von dem Fußende meines Bettes und schlug mir mit der Faust gegen den Faust. "Ich will nichts." nuschelte ich im Halbschlaf und zog unwillkürlich meinen Fuß aus seiner Reichweite. Keine Sekunde später hörte ich auch schon kleine Schritte, wie diese sich wieder entfernten und meine Zimmertür zugeschlagen wurde, bevor ich langsam in das Land der Träume abdriftete.

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