Ein unerwarteter Besuch

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Nachdem ich Neige abgesattelt, geputzt und auf das Paddock gebracht hatte, ging ich bei Zidane vorbei.
Der Wallach streckte seinen Kopf mit der schiefen Blesse auf die Stallgasse hinaus, als wollte er irgendjemanden zum Anhalten bringen, und er schien mehr als glücklich darüber zu sein, dass ich ihm Aufmerksamkeit schenkte. Brummelnd begrüsste er mich und begann, sobald ich in seiner Reichweite war, an meiner Stalljacke rumzunesteln.
„Suchst du nach Leckerlis?", fragte ich lachend und kraulte ihn an den Ganaschen. „Na, vielleicht, finden wir ja eins!" Tatsächlich konnte ich in den Tiefen meiner Tasche noch ein halb zerbröckeltes hervorkramen und dem braunen Wallach hinstrecken. Dieser nahm es mit seiner Oberlippe auf und kaute genüsslich.
„Schmeckt das? Soll ich dir das nächste Mal eine Karotte mitbringen?", murmelte ich, mit der rechten Hand über seinen Hals fahrend. Zidane scharrte mit dem linken Huf in seiner Hobelspan-Einstreu. Prüfend zuckte mein Blick zu seinem Röhrbein und zum Fesselgelenk, welches er sich vor gut einer Woche verstaucht hatte. Es war wirklich keine Schwellung mehr zu sehen und ich erinnerte mich daran, dass Ludger gesagt hatte, der Wallach wäre seit Freitag wieder unter dem Sattel.
Gleichzeitig erinnerte ich mich daran, dass Ronja mich gefragt hatte, ob ich mit ihr ausreiten gehen könnte. Mir kam eine Idee. „Bin gleich wieder da!", versprach ich Zidane und eilte dann die Stallgasse entlang zum Ausgang.

Beim Reiterstübchen linste ich kurz durch das Fenster hinein, um sicherzugehen, dass ich nicht einfach blöd in Christian Kukuk oder Philipp Weishaupt reinrannte. Aber nein, dort sass nur Ludger und schlürfte Kaffee. Also klopfte ich an und öffnete dann die Tür.
„Ja, bitte?", fragte der Springreiter und sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Ähm...", begann ich unsicher. Die Frage kam mir etwas dumm vor, aber ich musste sie stellen. „Ich wollte nur fragen, ob... Ich meine, Zidane wird ja jetzt wieder leicht geritten. Deshalb dachte ich, dass ihm ein kleiner Ausritt vielleicht Freude machen würde. Eine alte Freundin, die gestern auch in Laggenbeck gestartet ist, hat mich gefragt, ob ich mal mit ihr ausreiten würde, und vielleicht könnte ich das gut verbinden...", schlug ich vor.
Meine Zunge verknotete sich beim Sprechen selbst, weshalb ich mir am Ende am liebsten mit der flachen Hand gegen die Stirn geklatscht hätte. Mensch, war doch nichts Schlimmes! Ich wollte nur fragen, ob ich ausreiten gehen könnte, nicht, ob es ihm etwas ausmachen würde, wenn ich Zidane morgen in die Schule mitnähme.
Ludger schien etwas überrascht zu sein und nahm erst einen weiteren Schluck Kaffee. Dann meinte er: „Ja, sicher, warum nicht! Das würde ihm sicher Spass machen. Sei aber vorsichtig, er hat sicher Feuer im Hintern nach der Stehzeit und er sollte vorerst nur leicht geritten werden. Also kein Jagdgalopp über die Felder, keine Baumstämme und keine Trabrennen auf hartem Geläuf, okay?"
Mir entfuhr ein Lachen. „Klar, ich versprechs!", grinste ich. Schon wollte ich mich zum Gehen wenden, als Ludger mich zurückhielt. „Joelle, warte noch kurz!", rief er und bedeutete mir, mich zu setzen. Zögerlich ging ich zurück und zog einen Stuhl hervor.
„Was ist denn?" Was war es, das er mit mir besprechen musste? In mir stieg unvermittelt ein flaues, böses Gefühl auf. „Nichts Schlimmes, ich wollte einfach noch mit dir ausmachen, wann du jeweils zum Training kommst. Ideal wären zwei bis dreimal pro Woche, mehr geht aber immer", erklärte der Springreiter, die Kaffeetasse zwischen den Händen.
„Oh, äh...", begann ich fast erleichtert und musste nachdenken. Zwei bis dreimal pro Woche. Das war viel. Viel für jemanden, der mindestens zweimal pro Woche noch ins Krankenhaus musste. Samstag und Sonntag waren sicher frei. Donnerstags hatte ich eher früh aus, aber je nach Prüfungen konnte ich nicht nach der Schule direkt in den Stall rasen. Sobald meine Noten kippten, würden meine Eltern die Notbremse ziehen und mir das Springreiten dosieren oder ganz verbieten. Dienstags hatte ich am Nachmittag frei, aber da ging ich bereits zu Frau Lehmann. Dann musste wohl doch der Donnerstag herhalten.
„Also Samstag und Sonntag wären gut, wenn das für Sie...äh...dich auch passt. Und der Donnerstagnachmittag wäre auch gut." Ich brach ab und traf eine Entscheidung. „Nein, weisst du was, doch lieber der Dienstagnachmittag."
Ich konnte auch einmal pro Woche zu Frau Lehmann gehen. Und die von ihr angeordnete Physiotherapie konnte ich mir sparen – wenn ich wirklich trainierte, dann brauchte ich die nicht mehr.
Ludger rollte die Augen nach oben, als würde er nachdenken, und nickte dann. „Ja, das ist gut. Samstag und Sonntag würde ich sagen, dass neun Uhr gut ist? Samstags um neun werden die beiden Mädchen auch kommen, sonntags nur Martin. Und am Dienstag wärst du allein mit Alessia oder hättest Einzellektion, je nachdem. Ist zwei Uhr gut?", entgegnete er. Ich nickte.
„Wann würdest du gerne ausreiten wollen? Du darfst übrigens auch mal spontan kommen und alleine mit den beiden Pferden arbeiten", fügte Ludger noch hinzu.
Ich machte mit ihm aus, dass ich nächsten Dienstag nach der Springstunde mit Ronja ausreiten gehen könnte. Dann verabschiedete ich mich, ging nochmals bei Zidane vorbei und machte mich dann auf den Heimweg.

Keep Dreaming - Ich werde reitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt