... braut sich ein Gewitter zusammen

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Yōsuke und Keisuke standen sich gegenüber, gafften sich an, um zu sehen, wer den ersten Zug machte. Der Kommandant der Schlosswache runzelte die Stirn und versuchte, Keisuke niederzustarren, aber er konnte den General nicht dazu zwingen, die Augen als erstes abzuwenden. Schließlich war er es, der zögerlich zu den Bäumen schielte, deren Stamm hässlich gespalten war, und in die Keisuke ihn geschleudert hatte.

»Ihr werdet Eure Pflichten nicht missachten!«, sagte Keisuke.

Yōsukes Wirbelsäule versteifte sich leicht, was Light die Information lieferte, dass ihm die unterschwellige Wut des Generals wütend machte.

»Ich wüsste nicht, wo ich meine Pflichten missachtet hätte. Keiner meiner Wachen hat das Schloss verlassen.« Yōsuke bleckte die Zähne. »Und Ihr wart im Schloss, als ich es zusammen mit Yagami-sama verlassen habe.«

Keisuke hielt seinen Zorn bedeckt – noch. Light sah es dennoch, in den Augen des Generals tobte ein Sturm von zerstörerischer Natur. Wenn auch nur ein Fünkchen davon unkontrolliert davonflöge, käme es zu einem Kampf, der nicht minder sein Interesse erregt hätte, doch nicht heute, nicht jetzt.

»Ihr wisst, dass Ihr meine Erlaubnis benötigt, das Schloss zu verlassen, sollte Sesshōmaru-sama abwesend sein«, raunte Keisuke, sein Gesicht verhärtet.

»Ihr hättet es also zugelassen, dass sich Sesshōmaru-samas Gefährte alleine auf den Weg zur Schlucht macht?« Yōsukes Stimme fiel einen Ton. »Eure Krieger haben alle das Schloss verlassen, meine Wachen sind pflichtbewusst zurückgeblieben und Ihr habt Euch um das Wohl der Hime gekümmert. Yagami-sama ohne Begleitung außerhalb des Schlosses zu lassen ist töricht, es ist dumm und gefährlich.« Zwischen seinen Augen bildeten sich tiefe Falten. »Und deswegen kommt mir nicht damit, dass ich meine Pflichten missachtet hätte!«

Keisuke setzte einen Fuß nach vorne und seine Fingerknöchel knackten.

Für einen kurzen Moment versteifte sich Yōsuke, dann zuckte seine Hand zu seinem Schwert, jedoch entschied er sich um und ließ sie nutzlos herabfallen, stattdessen streckte er sein Rückgrat durch.

Light entschied sich, weiterhin stiller Beobachter der Auseinandersetzung zu bleiben. Ein Teil in ihm war zu neugierig, um das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Dämonen zu entkrampfen, selbst wenn es bedeutete, dass er später als gewollt bei der Schlucht eintraf.

Keisuke machte einen weiteren Schritt auf Yōsuke zu und diesmal erklang ein tiefes Grollen aus seiner Brust.

Yōsuke erwiderte seinem Blick forsch. Er lachte lustlos auf, bevor er eine derbe Verwünschung ausspie, sein Kinn reckte und Keisuke entgegentrat.

Sie standen sich derartig nah, dass es kein Schwert bräuchte, dem anderen die Kehle aufzuschlitzen, eine kurze Handbewegung – mehr nicht. Stille legte sich auf sie wie die Maske eines Henkers.

Einen Augenblick später schnaufte Yōsuke verächtlich und sah in Lights Richtung. »Sore dewa mata, ne?« [Ich hoffe, ich sehe Euch bald wieder]

»Ich werde Euch vom Kampf berichten«, meinte Light, dessen Stimme, die einzige war, die nicht der Luft die Kälte raubte.

»Das hoffe ich doch«, Yōsuke schnalzte mit der Zunge, »und zwar bei Sake.« Doch trotz der Worte rührte er sich nicht.

Ihr könnt ihm nicht den Rücken kehren, ist das nicht so? Er wird über Euch herfallen, seine Krallen tief in Euch schlagen, Euer Fleisch in Fetzen reißen. Yōsukes Versuch, sich würdevoll aus der gefährlichen Lage herauszuwinden, vernichtete Keisukes Stummheit. Sich selbst zu entlassen, käme einer Kampfansage gleich, und so blieb Yōsuke nichts anderes übrig, als an Ort und Stelle zu verharren. Seine Hände, die schlaff herabhingen, zuckten leicht.

Light empfand ein Körnchen Mitgefühl, etwas, das er für den Kommandanten der Schlosswache noch nie empfunden hatte, denn diese Szene ähnelte jener, die er selbst mit Keisuke erlebt hatte. Keisuke wollte etwas ganz Bestimmtes: Er wartete auf die Unterwürfigkeit von Yōsuke, die ihm der rothaarige Dämon verweigerte.

Light lächelte böse. Und das sollte auch so bleiben. Mit diesen Gedanken mischte er sich ein. Er trat zwischen die beiden, den Rücken zu Yōsuke gewandt und seine Augen auf Keisuke gerichtet. »Führt mich zur Schlucht, Keisuke-sama. Nun, da Ihr hier seid, benötigt es die Anwesenheit von Yōsuke-san nicht mehr.«

Keisukes Miene verzog sich missbilligend. Der General betrachtete Light aus schwarzen Augen, die ihn in einen See aus Pech zogen, ihn dort ertränken wollten.

Light blinzelte und brach den Bann. »Sesshōmaru-sama wird den Kampf bald schon entschieden haben. Ich möchte wenigstens einen Teil davon sehen.« Die nächsten Worte waren provokant und es gab einige Möglichkeiten, wie Keisuke darauf reagieren vermochte, doch Light vertraute sich. »Yōsuke-san, da Ihr hier nicht mehr gebraucht werdet, seid Ihr entlassen. Kehrt zum Schloss zurück. Ich werde Euch später aufsuchen.«

»Ahh ...«

Light hörte Yōsukes Unsicherheit glockenhell. Yōsuke machte einen Schritt nach hinten, vorsichtig, als ob er mit einem Befehl von Keisuke rechnete, der ihm seinen Rückzug verweigerte.

Nichts passierte. Genau wie Light mit der größten Wahrscheinlichkeit vorhergesehen hatte.

Yōsuke verbeugte sich schnell, bevor er ihnen den Rücken kehrte.

Keisukes Hand klaute sich.

In wenigen Sätzen sprang Yōsuke zum Schloss und über die weiße Mauer.

Light sah ihm nach, während Keisuke hinter ihm schnaubte ... oder lachte er? »Ich wusste, Ihr würdet Ihn gehen lassen«, sagte er und drehte sich ihm zu. »Ein Kampf war nie eine Option für Euch.«

»Heute ist es unangebracht, nicht wenn Sesshōmaru-sama außerhalb des Schlosses ist.«

»Wie ich es vorhergesehen haben«, betonte Light, schmal lächelnd.

»Ihr scheint mich durchschauen zu können.« Keisukes Augen funkelten.

»Hai«, erwiderte Light, obwohl er aus Keisukes Stimme heraushörte, dass der General seinen eigenen Worten nicht glaubte. Lights Mundwinkel zuckten. Oh, wenn das so war, dann musste er es ihm verdeutlichen. »Ich wusste auch, dass Ihr keinen Befehl gegen meinen erheben werdet. Jeder Befehl, der nach meinem Yōsuke-san davon abgehalten hätte, zum Schloss zurückzukehren, wäre auf Eure persönlichen Gründe zurückzuführen und nicht weil er logisch erscheinen würde oder Richtigkeit besäße.« Light legte eine Pause ein, bevor er schonungslos ausholte zum letzten Schlag, der ihm den Kopf abschlagen sollte. »Nun, General, ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Ihr Euch diese Blöße gegeben hättet oder liege ich hier falsch? War es nur ein glücklicher Zufall, dass mein Plan perfekt aufging?«

»Kennt Ihr den Unterschied zwischen dem Klugen und dem Weisen?«, war alles, was Keisuke erwiderte.

Light runzelte die Stirn, er hatte mit einem erzürnten Gesicht gerechnet, mit Hohn und Missgunst, und nicht dem schmalen Lächeln des Generals, der es lieber vorzog, das Thema zu wechseln uns seiner Frage auswich. Aber gut, er würde mitspielen. »Und der Unterschied wäre?«

Keisukes Lächeln wirkte mit einem Mal gefährlich. »Der Kluge plant seine Züge mit großer Sorgfalt«, erklärte er. »Er wiegt Vor -und Nachteile gründlich ab, bevor er den nächsten Schritt unternimmt, immer kalkulierend, immer wachsam, denn eine falsche Entscheidung ist seine größte Furcht.«

Sein Lächeln war nun raubtierhaft, als befände sich sein Mund voll mit Haifischzähnen. »Wisst Ihr, was der Weise macht, Yagami-sama?« Keisuke machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr. »Der Weise liest ein Geschichte, er nimmt ein Bad, er reist durchs Land, er vergnügt sich. Und warum? Weil der Weise weiß, dass es keine direkte Verbindung zwischen all diesen unterschiedlichen Dingen braucht, um an sein Ziel zukommen. Während der Kluge verbissen alles um sich herum versucht zu kontrollieren, vertraut der Weise in sich selbst. Der Weise weiß, dass wenn er den Wunsch verspürt ein Bad zu nehmen, es in diesem Moment der nächste Schritt zu seinem Ziel ist. Er geht also zur heißen Quelle und während er sich dort ausruht, gesellt sich zu seiner Überraschung eine weitere Person zu ihm. Aus ihrem Gespräch erfährt der Weise die Antwort zu einer wichtigen Frage, nach der er schon eine Zeitlang gesucht hat. Die Information erlaubt ihn, sich seinem Ziel mit einem großen Schritt zu nähern.«

Keisuke starrte Light nun direkt in die Augen. »Der Kluge wird nicht zur heißen Quelle gehen, selbst wenn es ihm danach verlangt, ist es für ihn eine Zeitverschwendung, denn wie soll ein Bad ihn an sein Ziel bringen? Er geht nur den Weg, den er sich vorstellen kann.«

Light schnaubte. »Der Weiße vertraut auf Zufälle, die da sein können oder nicht, während der Kluge sich seinem Ziel durch stetiges Handeln nähert.« Light überkreuzte die Arme. »Was wollt Ihr mir diesem Vergleich sagen?«

»Der Kluge besitzt einen festen Plan mit allerlei Schritte, die er umsetzten wird, um an sein Ziel zu kommen. Dabei geht er einen geradlinigen Weg, jeder Schritt knüpft an den vorherigen an. Der Weise hingegen läuft rechts, links, mal taucht er zehn Schritte den Weg entlang wieder auf, mal ist er hier, mal ist er da. Er kennt sein Ziel und hingegen zum Klugen, erlaubt er sich seinen Weg überall zu erkennen und nicht nur an bestimmten Orten in einer bestimmten Reihenfolge. Und das erlaubt ihm Schritte auszulassen.« Keisuke trat vor Light. »Er ist unberechenbarer, Yagami-sama und er ist schneller.«

Die Gestalt des Generals verschwand und im nächsten Moment spürte Light Keisuke hinter sich. Eine Hand legte sich auf seine Schulter und obwohl sie auf Stoff lag, fühlte er die Kälte. Light ließ sich davon nicht einschüchtern, selbst dann nicht, als warmer Atem gegen sein Ohr blies und Keisuke sagte: »Ihr verhaltet Euch anders als all die Ningen, die mir bisher begegnet sind. Ihr seid besonders schlau für einen. Ihr seid jedoch jung und unerfahren in den Augen der älteren Yōkais.« Seiner Stimme mischte sich ein amüsierter Unterton bei. »Ich kenne Yōkais, die wie Ihr seid, Yagami-sama. Geht nicht davon aus, dass Ihr mir fremd seid, denn das seid Ihr nicht.«

Selbst wenn meine Persönlichkeit Euch nicht fremd sein sollte, hat sie schon mehrmals gegen Euch gesiegt. Ligth drehte sich um. »Diese Yōkais, General, gibt es sie noch oder nur noch ihre Waffen an Eurer Wand?«

Keisuke lachte belustigt.

Light störte sich daran nicht, er dachte an Keisukes Erklärung von Klug und Weise. Die Idee des Weisens, sie war lächerlich. Wie konnte jemand, der seine Energie, seinen Fokus und seine Zeit überall verstreute schneller sein als jemand, der alles bündelte? Und er würde sich sicherlich nicht auf Zufälle verlassen. Bisher hatte er immer alles erreicht mit Zielstrebigkeit, Logik und Gerissenheit. Selbst L war nicht in der Lage gewesen ihn, in Tokyo zu finden. Die Lebensart des Weisens erlaubte das eigene undisziplinierte Verhalten zu rechtfertigen, sie würde überall hinführen,nur nicht ans Ziel. »Ich vermute, der Weise ist es, den Ihr als erstrebenswert anseht.«

»Iee.«

Die Antwort überraschte Light.

»Das Leben ist mehr als das ich mich einer bestimmten Lebensweise verschreiben würde. Kommt, Yagami-sama. Wir sollten aufbrechen.«

Der Weg zur Schlucht führte auf einen schmalen Pfad in den Wald hinein. Keisuke lief vor Light, ohne dass er sich nach ihm umsah. Lights Geruch verriet dem Dämon, dass er ihm dicht folgte, wenn es nicht schon das Rascheln und Knacken der Zweige und Blätter tat, das mit jedem Schritt ertönte. Der Waldboden taute an vielen Stellen auf und Schneereste sah man nur noch vereinzelt. Ihre Schuhe hinterließen Abdrücke, nicht in dem pulvrigen Weiß, wie noch vor ein paar Wochen, sondern im Matsch. Die schmatzenden Geräusche verklungen erst, als Keisuke vom Pfad abbog, quer in den Wald hinein, wo eine dicke Laubschicht verhinderte, dass sie in die nasse Erde einsanken.

Light nutzte die Gelegenheit der Stille, den General zu beobachten, wenngleich er nur seine Rückseite sah.

»Eure Schritte sind ungleich«, meinte Keisuke plötzlich, wobei er sich nicht die Mühe machte, sich nach Light umzudrehen. Hingegen lief er weiter. »Ihr habt Euch das linke Bein verletzt.«

Solltet Ihr das nicht wissen? Tōri-san hat Euch Bericht erstattet. Warum höre ich dann Verwunderung in Eurer Stimme? »Nun, General, Euer Befehl wurde ausgeführt. Genau, wie Ihr wolltet.«

Keisuke blieb stehen und wandte sich Light zu »Kein solcher Befehl wurde von mir erteilt«, sagte er langsam, als schmeckte er seine eigenen Worte. Er musterte die Stelle an Lights Bein, wo unter Schichten von Stoff, ein großer blauer Fleck die makellose Haut dunkel färbte.

Bei Bewegung pochte die Stelle, doch weniger als Light erwartet hätte. Es schränkte ihn nicht ein. Wie schlimm genau Tōris Speer ihn dort getroffen hatte, vermutete er nur, Zeit zum genaueren untersuchen hatte er bisher noch keine gefunden. »Wirklich? Habt Ihr nicht befohlen, mich im Kampf zu testen.«

»Wer hat Euch dort verletzt?«, fragte Keisuke indessen, sein Gesicht grimmig. Er langte nach Light.

Light wich Keisukes Hand mit einem schnellen Schritt nach hinten aus. »Man könnte meinen, Ihr sehnt Euch nach meiner Nähe.«

»Zeigt es mir.«

Sicherlich nicht! Weswegen ist das wichtig für Euch? Was erhofft Ihr Euch davon, wenn ihr meine geschundene Haut betrachten könnt? Ihr wisst, was sich dort befindet. »Ein Bluterguss ist ein Bluterguss, er wird Euch kein Geheimnis verraten.«

Ein Lufthauch berührte Lights Wange sanft, bevor sein Handgelenk nach oben gerissen wurde. »Keisuke-sama!«, grollte er. Seine freie Hand schnellte zur Waffe und stoppte davor, den Stahl zu ziehen, hingegen, genau wie es Yōsuke zuvor getan hatte , ließ er den Arm herabsinken. Es war Reflex gewesen, der ihn nach seinem Katana greifen ließ und den er jäh unterband. Er wollte Keisuke nicht mit Schwert herausfordern. Noch einmal unterworfen zu werden, schwebte ihm wahrlich nicht im Sinn. Worte sollten genügen.

»Ihr solltet mich loslassen«, knurrte Light den General an. »Man könnte meinen, Ihr wollt ebenfalls einen Bluterguss hinterlassen.«

Keisuke blickte ihn verärgert an, ehe er ihn los ließ. »Ich habe Yōsuke-san den Auftrag gegeben, Euch aufzusuchen während Eurer morgendlichen Schwertübungen. Ihr seid wichtig für den Inuclan, wichtiger als die Hime«, endete er schnaubend. Er trat vor Light, behielt sich aber einen Abstand vor. »Der Befehl lautete, Euch zu testen, herauszufinden, ob Ihr Euch gegen Gefahr verteidigen könnt.«

Keisuke umfasste Lights Kinn sanft, bevor Light reagieren konnte, zu schnell war die Bewegung gewesen. »Ich kann Euch anfassen, wann immer ich möchte.« Dann nahm er den Saum von Lights Haori in die Hand. »Mein Geruch kann an Eurer Kleidung haften.« Er warf Light einen wissenden Blick zu. »Ich kann Euch unterwerfen.«

»Genug.« Light schlug Keisukes Hand fort.

»NEIN! Es ist nicht genug!«

Light beherrschte sich, denn ansonsten hätte sein Gesicht sich zu einer wütenden Fratze gezogen.

»Mir ist es nicht erlaubt, noch habe ich das Verlangen, Euch zu verletzen.« Wütend fügte Keisuke hinzu: »Niemand hat das Recht, Hand an den Gefährten von Sesshōmaru-sama zu legen. Wer von beiden war es?«

»Verhätschelt mich nicht. Man hat mir nicht die Knochen gebrochen.« Damit marschierte Light an ihm vorbei in die Richtung, die der Dämon ursprünglich eingeschlagen hatte.

»Sesshōmaru-sama wird Euch diese Frage ebenfalls stellen, was werdet Ihr antworten?«, rief ihm Keisuke hinterher. »Für einen Yōkai ist es keine Schwierigkeit, seine Waffe davonabzuhalten Euch zu treffen, selbst wenn Ihr in sie hineinlaufen solltet.«

Das Bild ihres Kampfes tauchte jäh auf. Light erinnerte sich nur zu gut, wie er sich dieses Wissen zu Nutze gemacht hatte und Keisuke damit in Bedrängnis brachte, ihn nur deswegen mit der Faust getroffen hatte. »Ich habe nicht verlangt, dass man meinen Körper behandelt, als wäre er so zerbrechlich wie Eure Vase.« Der Vergleich schien Keisuke nicht zu gefallen. Schade.

Tōris Treffer hatten einen kurzen starken Schmerz hinterlassen, der mittlerweile abgeebbt in ein paar Tagen völlig fort sein sollte. Niemand durfte ihn verletzen, selbst nicht in einem Übungskampf? Light hatte nicht vor Tōri zur Rechenschaft zu ziehen, und Sesshōmaru sollte sich ebenfalls raushalten. Immerhin besaß er selbst genügend Macht, um solch ein Verhalten zu unterbinden, hätte er es denn gewünscht. Diese Sache betraf nur ihn, niemand anderes hatte das Recht, sich einzumischen, auch kein Daiyōkai.

Keisukes Antlitz verhärtete sich. »Tōri-san hat Euch mit seinem Speer getroffen, nicht Yōsuke-san, der Kommandant würde es nicht wagen.«

Ihr habt es also von Anfang an gewusst. Ah, wie ich sehe, spielt Ihr mit mir, nur mit was, wenn ich Euch den Ball abjage!

»Ich werde Sesshōmaru-sama keinen Bericht erstatten«, meinte Keisuke zu Lights Überraschung. »Ich überlasse es Euch. Auf zwei Dinge möchte ich Euch dennoch hinweisen. Tōri-sans Vergehen ist groß, er besaß keine Erlaubnis, Euch zu verletzen, auch nicht in einen Übungskampf.« Keisuke schloss zu Light auf. »Nun hört genau zu, Yagami-sama. Yōsuke-san wird Tōri-san decken ... verhindert das.«

Light neigte den Kopf und sah ihn abschätzend an. »Befiehlt Ihr mir?« Äußerlich zeigte sich Light gelassen, bis auf ein paar wenige Emotionen, die über sein Gesicht huschten, innerlich war er kalkulierend.

»Es ist nicht nötig. Ihr werdet selbst diese Entscheidung treffen.« Ein Wind kam auf, zerrte an Keisukes Kimono und blies ihm sein schwarzes schulterlanges Haar und die versteckten Krähenfedern darin in sein Gesicht. »Yōsuke-san ist Kommandant der Schlosswache. Sein Status im Inuclan wird Sesshōmaru-sama dazu zwingen, ihn zum Kampf herauszufordern. Tōri-sans Zurechtweisung hingegen wird Sesshōmaru-sama mir überlassen.«

»Fahrt fort«, meinte Light kurz angebunden.

»Wenn Yōsuke-san die Verantwortung für Tōri-sans Vergehen übernimmt, wird Sesshōmaru-sama ihn entweder im Kampf töten oder ihn am Leben lassen, was eine Verbannung bedeutet. Tōri-sans Verbleib wird hingegen mir überlassen werden.«

»Werdet Ihr ihn töten?«, fragte Light neugierig. Tōri war für seine Pläne unwichtig. Tot oder lebendig, die Schlosswache besaß keinen Wert für ihn.

Keisuke bedachte ihn grimmig. »Ihr wisst, dass es nur Sesshōmaru-sama obliegt, einem Clanmitglied das Leben zu nehmen.«

Light machte sich nicht die Mühe einer Erwiderung. Sie wussten beide, dass Sesshōmaru seinem Beta genügend vertraute, um ihm die Entscheidung über Tōris Leben zu überlassen. Eine Sache verwunderte ihn dennoch, wieso hatte Tōri entschieden, ihn mit dem Speer zu treffen, wenn es verboten war und weshalb hatte es Yōsuke zugelassen?

Ein markerschütternder Knall rüttelte ihn aus seinen Gedanken. In der Ferne donnerte es, die Luft knisterte und die Erde vibrierte wütend. Light seufzte: Er hatte sich wahrlich verändert. Er kehrte den Kampf den Rücken und marschierte unter dem Dach der Zypressen Richtung Schloss des Westens. Nun kam es ihm zu gute, dass Inuyasha Sesshōmaru in einen Kampf verwickelte. Es gab ihm die benötigte Zeit. »Wieso ist es Euch wichtig, dass ich Yōsuke-san davon abhalte, unüberlegt zu handeln?«

Keisuke lief neben ihm, das Gesicht nach vorne gerichtet. »Es gibt niemand, der geeignet ist seinen Platz einzunehmen. Sein Verlust würde den Inuclan schwächen. Als Beta kann ich das nicht zulassen. Und ...«, Keisukes sah ihn an, »... ist er nicht Euer Freund, Yagami-sama, oder ist er doch nur Eure Spielfigur?«

Lights Miene zeigte sich gelassen. Man konnte ihn mit solchen Worten nicht locken.

Keisukes Blick richtete sich wieder nach vorne und eine unangenehme Stille hüllte sie ein.

Freundschaft, murmelte Light in Gedanken. Yōsuke sah in ihm einen Freund. Ihre gemeinsamen Abende bei Sake und auch, dass er ihn schon mit Vornamen angesprochen hatte, ihn sogar Freund nannte, zeigte ihm, wie gerne Yōsuke ihn hatte. Light hingegen empfand nicht dasselbe für ihn. Für ihn war Yōsuke als Allererstes eine Möglichkeit, um an Information zu kommen, für die er sonst Umwege gehen musste. Der rothaarige Dämon ließ sich gerne ausfragen, machte keinen Hehl daraus, dass er auch gerne tratschte und nach Lights Geschmack viel zu viele Gerüchte kannte. Keisuke wollte ihn als Kommandanten der Schlosswache beibehalten? Light kümmerte es nicht, wer die Wachen anführte. Betrachtete er aber eine Verbannung oder Yōsukes Tod, schmeckte er plötzlich etwas verfaultes im Mund.

Light lief unter dem Haupttor hindurch und sah sich auf dem verlassenen Schlossplatz suchend nach Yōsuke um. Keisuke schritt an ihm vorbei auf das Haupthaus zu und verschwand darin, nur um kurz darauf, sein gemächlicher Gang nun zügig, die Treppen hinabzueilen und Richtung Schlucht zu fliegen. Light überquerte derweil den großen Platz, stieg die knarrende Holztreppe zur Schlossmauer hoch, wo die Schlosswache wachsam das Schloss und die Umgebung im Auge behielt und fragte einen der Wachen, ein Dämon von mittelgroßer Statur, nach Yōsuke.

Vor einer Schiebetür, die in ein längliches Haus führte, ließ der Dämon ihn allein zurück. Schallendes Gelächter drang durch die dünnen Holzwände nach draußen; Yōsukes Lachen übertönte alle. Light schob die Tür einen Spalt auf, trat ein in das Zimmer und blinzelte jäh.

Auf den Holzdielen auf dem Rücken lag Yōsuke, laut lachend. Zwei Welpen warfen sich kämpferisch auf ihn und zogen an seinem roten kurzen Haar und seinem grauen Haori. Nicht weit entfernt tranken zwei Dämonen Tee: Eine Dämonin, die prächtigen Schmuck im Haar und um Hals trug und Isamu, der Dämon, dessen Schwert, Barrieren erschuf. Lights Erscheinen überrachte sie und sie nickten ihm förmlich zu.

»Yagami-sama«, meinte Isamu sogleich und wollte aufstehen. »Wir haben nicht mit Euren Besuch gerechnet. Verzeiht, wenn wir kein Gedeck für Euch hier haben, ich werde nach einem Bediensteten rufen.«

»Nicht nötig«, erwiderte Light und Isamu ließ sich langsam wieder auf sein Kissen sinken, währenddessen trat Light neben Yōsuke. »Wir müssen reden. Steht auf, es ist wichtig.«

Yōsuke sah ihn neugierig an. Er richtete sich auf in eine sitzende Position und legte eine Hand jeweils auf einen Schopf von schwarzen und braunen Haar. Das spielerische Gemüt der Welpen beruhigte sich und die Welpen starrten Light an.

»Yagami-san, das ist Aiko-chan.« Yōsuke deutete auf das schwarzhaarige Mädchen. Aiko trotte zu Light. Doch bevor sie ihn erreichte, fiepte sie jämmerlich, als wäre Light ihr auf ihren buschigen Schwanz getreten und flitzte zu Isamu, hinter dessen Rücken sie sich verkroch. Dort zitterte sie wie Espenlaub. Großes Gelächter erfüllte den Raum.

»Ne, ne, Aiko-chan«, sagte die Dämonin neben Isamu mit sanfter Stimme. »Hast du etwa Angst vor, Yagami-sama?«

»Ich glaube, meine liebe Aiko hat ihren Alpha gerochen«, meinte Isamu belustigt, während er Aiko auf seinen Schoß setzte, wo sie immer noch zitterte.

Yōsuke schwang sich auf die Beine und sagte: »So ein Alpha und Beta Geruch an einer Person gleichzeitig zu riechen, kann für die Kleinen ganz schön beängstigend sein.« Er nahm den zweiten Welpen auf die Arme. »Naohito-kun scheint sich bis jetzt aber wacker zu schlagen. So mutig wie seine Mutter.« Er reichte den Jungen an die Dämonin weiter, wo dieser sofort seine kleinen Hände in ihr langes, braunes Haar vergrub, und sich an ihren mehrlagigen Kimono schmiegte.

»Yagami-sama, können wir nicht doch Euch etwas anbieten?«, wollte Isamu erneut wissen. Er wirkte leicht verlegen.

»Wir würden uns über Eure Gesellschaft freuen«, sagte die Dämonin lächelnd und fügte hinzu: »Yōsuke-kun hat uns erzählt, dass Ihr zur Schlucht aufgebrochen seid, um den Kampf zwischen Sesshōmaru-sama und Inuyasha-san beizuwohnen.«

»Hai, doch eine wichtige Angelegenheit hat mich ins Schloss zurückgeholt.« Lights Blick fiel auf Yōsuke. »Ich muss mit Euch reden.«

Yōsuke schien den Ernst in seiner Stimme herauszuhören. Er nickte Light zu. »Lasst uns gehen.«

Sie betraten noch einmal den spärlich eingerichteten Raum, in dem Gou Yōsuke und ihm heute Morgen gegenüber saß. Der Tisch stand immer noch in der Mitte, die Schreibutensilien hatte man weggeräumt. Light schickte die Bediensteten fort und wartete, bis ihre Schritte auf dem Gang verklungen waren.

»Was wollt Ihr mit mir bereden?« Yōsuke stand nahe dem Fenster.

»Etwas, was Euch nicht gefallen wird.« Light setzte sich an den Tisch, wo er ihm von dem Gespräch mit Keisuke erzählte. Mit jedem Satz, konnte er sehen, wie die Farbe aus Yōsukes Gesicht wich, bis er aussah, als hätte man ihn mit einem Mikobann belegt.

Yōsuke setzte sich nun ebenfalls an den Tisch und starrte die Wand hinter Light an. Eine Weile lang rührte er sich nicht. Schließlich legte er seine Stirn in seine Handfläche und atmete tief ein. »Mein Fehler wird Tōri-san das Leben kosten«, murmelte er mit gedämpfter Stimme. »Meine Emotionen ... ich habe mich von ihnen leiten lassen. Ich ...« Seine Augen suchten Lights. »Tōri-san trifft keine Schuld, Yagami-san. Er hat nur meinen Befehl befolgt. Ich hätte ...« Yōsuke verstummte.

»Wie konntet Ihr das vergessen?« Light betrachtete die erbärmliche Gestalt vor sich.

Yōsuke lachte gequält. »Keisuke-sama hat Euch wohl nicht erzählt, dass es keine niedergeschriebene in den Inuclan tief verwurzelte Regel ist. Sie wurde auch nie öffentlich verkündigt.« Er betrachtete nachdenklich den Tisch vor sich, seine Augenbrauen zur Mitte hin zusammengezogen. »Ich weiß nicht, ob ein Ningen es verstehen wird, immerhin besitzen sie kein Yōki.«

»Ich bin mir sehr sicher, ich werde es verstehen.«

»Das stimmt«, räumte Yōsuke ein, »Ihr seid der einzige Ningen, dem ich das zutrauen würde.« Mit ernsten Gesicht sagte er: »Als Beta ist es Keisuke-sama erlaubt, Clanregeln aufzustellen, die keine Absprache mit Sesshōmaru-sama benötigen.«

»Wie meint Ihr das?«, unterbrach ihn Light. Ihm wäre so eine wichtige Information niemals entgangen. Seit er Keisuke kannte, hatte der Krähendämon kein einziges Mal eine neue Regelung eingeführt.

»Keisuke-sama wird die neue Regel nicht laut aussprechen, er entscheidet sie für sich und übermittelt sie an den Clan durch sein Yōki. Das geschieht, wenn wir in seiner Nähe sind und in Kontakt mit seinem Yōki kommen. Sein Yōki enthält immer viel Information, deswegen kann es passieren, dass etwas übersehen wird.«

Light schloss für einen Moment die Augen. Ihm gefiel das überhaupt nicht. »Ihr erzählt mir gerade, dass Keisuke-sama Regeln aufstellt oder ändert und ich nichts davon mitbekommen kann, weil ich ein Ningen bin?« Zum Teufel mit diesen Yōkaifähigkeiten!

»Hai. Es gibt immer etwas, dass sich ändert.«

»Aber Sesshōmaru-sama wird dem nicht immer zustimmen«, harkte Light nach.

»Der Alpha wird den Beta durch sein eigenes Yōki zurechtweisen. Bei großen Entscheidungen wird Keisuke-sama Sesshōmaru-sama als erstes aufsuchen, um zu sehen, wie dieser auf sein Yōki reagiert.«

Lights Finger gruben sich in den dicken Stoff seines Hakamas. »Dann stammt das Verbot, mich zu verletzen von Keisuke-sama.«

»Und es ist meine Schuld, dass ich Tōri-san nicht darauf hingewiesen habe«, erwiderte Yōsuke.

»Tōri-san hat Keisuke-sama Bericht erstattet. Er war ihm nah genug, um sein Yōki zu spüren? Wie kann er es nicht spätestens dann bemerkt haben?« Light warf Yōsuke einen abschätzigen Blick zu.

»Er ...«, meinte Yōsuke nüchtern, »er wird es nicht bemerkt haben.«

»Wieso?«, bohrte Light nach.

»Weil er zur Hälfte ein Serauyōkai ist!«, donnerte Yōsukes Stimme in den Raum. Sogleich verpuffte Yōsukes Wutanfall, seine Schultern sackten erschlagen nach unten. »Verzeih mir, mein Freund, ich bin etwas unausgeglichen.« Er stand auf und sah aus einem der Fenster in den Garten hinunter. »Es ist nicht sein Fehler. Serauyōkais sind Einzelgänger, nur durch das Blut seines Vaters kann er sich den Regeln eines Clans fügen. Hn, aber wie Ihr seht, verhindert seine Serau-Seite, dass er Keisuke-samas Yōki richtig deutet. Er muss übersehen haben, dass man Euch in einen Übungskampf nicht verletzen darf.«

Light betrachtete Yōsuke. »Und was ist mit Euch? Ihr habt ihn nach dem ersten Treffer nicht darauf hingewiesen.«

»Und deswegen werde ich die Verantwortung dafür übernehmen.«

Ihr wollt es mir also nicht sagen , dachte Light, doch anstatt weiter nachzubohren, meinte er: »Keisuke-sama hat vorhergesehen, dass Ihr Tōri-san schützen werdet.«

»Ich bin mir sicher, dass er das hat.«

»Sesshōmaru-sama wird Euch zu einem Kampf herausfordern und ich werde ihn nicht davon abhalten können.«

»Ich erwarte die Entscheidung des Alphas.«

Light faltete die Arme. »Ihr macht es mir wirklich nicht einfach, Yōsuke-san.«

Yōsuke durchquerte den Raum in wenigen Schritten und blieb vor Light stehen. »Ich werde Tōri-san nicht Keisuke-sama überlassen!« Ein tiefes Grollen folgte dem emotionalen Ausbruch.

»Keisuke-sama wird Tōri-san nicht töten.« Nicht nachdem, was Ihr mir gerade über Tōris Dämonenherkunft erzählt habt.

»Ihr kennt Keisuke-sama nicht!«

Light blieb gelassen. »Ihr habt mir die Geschichte von Isamus' Erstgeborenen heute Morgen erzählt. Tōri-san wird von ihm zurechtgewiesen werden, aber weder verbannt noch getötet – das wird Euch zustehen, Yōsuke-san.«

Yōsuke blickte grimmig drein. »Und wie könnt Ihr Euch so sicher sein?«

Wie kommt es, dass Ihr den General weniger versteht als ich? Solltet Ihr ihn nicht besser kennen? »Keisuke-sama weiß, dass Tōri-san zur Hälfte ein Serauyōkai ist. Wie auch immer er ihn bestrafen wird, Tōri-san wird es überstehen.« Light bemerkte, wie gelangweilt seine Stimme klang. Ich mache das für Euch, nicht für Tōri. Ich brauche Euch noch.

»Ich werde mit Keisuke-sama reden.« Yōsuke lief zur Tür, wo er zögerte, als Light ihm hinterherrief.

»Keisuke-sama hat das Schloss verlassen. Lasst mich die Sache regeln.«

»Das kann ich nicht akzeptieren.« Damit verließ er Light.

Baka, Yōsuke! Warum macht Ihr es mir so schwierig! Light stieß einen derben Fluch aus und sprintete ihm nach. Er holte ihn in einen der Gänge ein undpackte ihn am Arm, fest genug, dass Yōsuke ihn nicht einfach abschüttelte. »Hört zu, Yōsuke-san. Ihr werdet nichts zu Tōri-san noch Keisuke-sama sagen und Ihr selbst haltet auch den Mund.«

Yōsukes zeigte sich wenig erfreut.

»Keisuke-sama wird Sesshōmaru-sama von diesem Vorfall nicht berichten. Er überlässt es mir.«

»Das mag ja sein, aber das Ihr Euer Bein falsch belastet, könnt Ihr vor Sesshōmaru-sama nicht verheimlichen.«

»Hmm. Ihr seid wirklich nicht gut darin, dass Verhalten von Personen einzuschätzen. Es gibt eine Lösung. Die Sache wird erledigt sein, ohne dass irgendwer seinen Kopf hinhalten muss.«

Yōsuke starrte ihn bloß an.

»Inuyasha«, meinte Light.

Tiefe Falten bildeten sich auf Yōsukes Stirn.

»Und Sake.«

»Diese Kombination ist lächerlich«, raunte Yōsuke sogleich.

»Vielleicht ist sie das.« Light lächelte schmal. »Aber sie ist äußerst effektiv.« Ihr besitzt zu viel Wert, als dass ich erlauben könnte, dass Sesshōmaru-sama Euch tötet oder verbannt. Ich werde nicht zuschauen, wie Euch Eure Ehre und Loyalität zu Sesshōmaru treibt und ihr Euren Kopf für Tōri hinhaltet. Seid froh, dass Ihr diesen Wert für mich besitzt.

~***~

»Kaze no Kizu!« Inuyasha schwang Tessaiga über den Kopf. Die Attacke barst das Wasser auseinander, blitzte an Sesshōmarus Kopf vorbei und schlug tosend in die Felsformation hinter ihm ein. Das Geröll klatschte in den Fluss und die Wellen umspielten Inuyashas nackte Füße und Kälte kroch ihm in die Beine.

Sesshōmarus Körper verschwamm und tauchte jäh vor Inuyasha auf. Inuyasha hob Tessaiga waagrecht an und parierte Bakusaigas Schlag, knisternd drückte Stahl gegen Stahl. Sesshōmaru schnellte hinter Inuyasha und stach nach seinem Rücken. Inuyasha entging dem Schwert indem er sich duckte und zur Seite rollte, dann sprang er auf eine kleine Insel aus Erde und Steinbrocken, die durch ihren Kampf inmitten des Flusses entstanden war. Das Wasser staute sich an mehreren Stellen, da Geröll den Wasserlauf blockerte und ein See bildete sich hinter Inuyasha.

Sesshōmarus sprang ihm nach, schneller als Inuyasha erwartet hatte. Klatsch! Die Faust schlug ihm ins Gesicht und sein Körper drehte sich mehrmals hilflos wie eine Marionette, bevor er auf das Wasser aufprallte und sofort unterging. Er ließ sich zum Grund sinken und unten angekommen, stieß er sich kräftig ab, durchbrach die Wasseroberfläche und brüllte, als seine Augen Sesshōmaru fanden: »Kongōsōha!«

Sesshōmaru parierte die Diamantgeschosse oder wich ihnen aus, derweil rannte Inuyasha am Ufer entlang.

»Bakusaiga!«

Die grünen Blitze regneten um Inuyasha nieder, berührten ihn fast. Er tanzte um sie herum, sprang ihnen aus dem Weg, bevor sie ihn berührten und seinen Körper auflösten. Er durfte nicht verlieren! Inuyasha tauchte vor Sesshōmaru auf. Ihre Schwerter verzahnten sich und ihre Körper drückten mit aller Kraft den anderen nach hinten. Sesshōmaru schaffte es, ihn langsam rückwärts zu drängen, schon stand Inuyasha im Wasser und kurz darauf berührte es seinen Hosenbund. Und wenn ihm nicht gleich etwas einfiele, fänden seine Füße keinen Halt mehr und Sesshōmaru könnte jeden Moment den Kampf gewinnen.

»Wie lange willst du das noch durchhalten? Dein Körper ist erschöpft.« Sesshōmaru sah ihn herablassend an.

Inuyasha knurrte.

»Hn. Du hättest mich nicht in deinem erbärmlichen Zustand herausfordern sollen.«

»Keh! Ich habe noch genügend Kraft, dich in den Erdboden zu stampfen.«

»Du solltest dein Mundwerk in Zaum halten. Ich werde –«

»Ahh ...! Was fällt Euch ein!«

Sesshōmaru sah in den Himmel.

»Gibt ihn mir sofort zurück. Ich werde Sesshōmaru-sama davon berichten!«

Sesshōmarus kurze Ablenkung reichte Inuyasha, er sprang außer Reichweite. Sesshōmaru folgte ihm nicht. Inuyasha erkannte Jaken auf Ah-Uhns Rücken über den Baumkronen umringt von mehreren Dämonen. Der Kappa fuchtelte wild mit seinem Stab und schrie zornig einen hochgewachsenen Dämon mit schwarzen Haar an. Keh!, dachte Inuyasha, dieser arrogante Krähendämon hielt Yashimaru in den Armen.

»Hey! Warte!«, brüllte Inuyasha, als Sesshōmaru abhob und zum Krähendämon flog. Inuyasha sprang aus der Schlucht die Felsen hinauf. »Teme![Bastard] Wir sind noch nicht fertig! Komm zurück!«

Sesshōmaru beachtete ihn nicht weiter, er flog über den Wald und erreichte bald schon den Krähendämon.

Wütend kickte Inuyasha einen Stein in die Schlucht. Dieser Mistkerl konnte ihn nicht einfach so abfertigen! Er ... er konnte hier nicht aufhören, nicht nachdem, was ihm passiert war. Der Gedanke noch einmal schwach und unwürdig zu sein, diesmal in den Augen von Sesshōmaru, benebelte seinen Verstand und Tessaiga sauste gen Boden. »Kaze no Kizu!«, schrie er. Ein kleiner Schmerz durchzuckte ihn, als er Sesshōmaru herumwirbeln sah, die Augen geweitet. »Bakuryūha!« Die beiden Attacken verbanden sich zu einem machtvollen Tornado, der selbst kräftige, alte Bäume ausriss, und sie hundert Meter durch die Luft warf. Inuyasha senkte Tessaiga und wartete, dass Sesshōmaru ihn Angriff, der von Zorn und Hass erfüllt sein sollte. Doch damit käme er mehr klar, als von ihm einfach links liegen gelassen zu werden.

Da! Ein Schatten tauchte neben ihm auf. »Sesshōmaru!« Inuyasha hob Tessaiga und wehrte den Schlag ab. Verdutzt sah er auf, als Tessaiga ruhig in seinen Händen lag und niemand vor ihm stand. Dann begann, seine Haut zu prickeln. Yōki! Der Schlag traf ihn hart am Hinterkopf und warf ihn nach vorne, wo er auf Beine und Hände stürzte. Inuyasha rappelte sich sofort wieder auf, doch reagierte er zu langsam. In den Bauch getroffen, flog er in den Wald hinein und prallte gegen den Stamm einer Zeder. Tessaiga rutschte ihm aus der Hand und fiel ins Laub zu seinen Füßen.

»Sesshōmaru!« Verdammt! Er versteckte sich. Inuyasha spürte jedoch sein Yōki, das wie Gift in der Luft hing, schwer und erdrückend, und das eine Überraschung barg. »Keh!«, schnaubte er schließlich. »So ist das. Sesshōmaru schickt Euch.«

Die hochgewachsene Gestalt des Krähendämons trat hinter einem Baum hervor. Das Schwert an seiner Hüfte rüttelte, wollte gezogen werden, lechzte nach Blut, Inuyashas Blut; der Dämon ignorierte es.

»Ihr solltet Euch verbeugen, bevor Sesshōmaru-sama vor Euch steht.«

Inuyasha lachte trocken auf und wischte sich über den Mund. »Ähh? Und warum sollte ich das machen?«

»Weil es Euch helfen wird, am Leben zu bleiben.« Das Schwert rüttelte immer kräftiger. »Verbeugt Euch«, befahl der Krähendämon.

»Sicherlich werde ich mich nicht vor Euch noch vor Sesshōmaru verbeugen.« Inuyasha schielte an ihm vorbei in den Wald hinein. »Wo ist er? Er sollte hier sein, nicht Ihr. Unser Kampf ist noch nicht beendet.«

War Sesshōmaru bei Yashimaru? Es war nie sein Vorhaben gewesen, Yashimarus Leben mit Tessaiga zu gefährden. Er wusste, Sesshōmaru wäre schnell genug und konnte seinen Neffen in Sicherheit bringen. Inuyasha biss sich leicht auf die Lippen. Das hatte doch auch funktioniert, oder? Aber warum stand dann kein wütender Bruder vor ihm, sondern sein General? Inuyasha beäugte den Krähendämon. »Yashimaru geht es doch gut, oder?«

Die Krähe gab ihm keine Antwort. Sein Magen wand sich wie eine Schlange aus Eis. Kälte strömte durch seine Adern und er spürte, wie die Erschöpfung, die er bisher fern hielt, über ihn hereinbrach und seine Hände zitterten. So viele Dummheiten hatte er begannen, seit er von dieser verfluchten Insel runter war. Diese Demütigung, sie zerfraß ihn ... sie machte ihn ganz Irre!

Es knirschte, als Sesshōmaru auf Schneeresten landete. Inuyasha sah sofort die roten Äderchen, die sich durch seine Augen zogen. Sein Yōki schlug ihm entgegen und Inuyasha vermeinte, es drücke ihm einen Moment die Kehle zu, wenngleich das unmöglich war.

»Du hast dein eigenes Blut verraten.« Sesshōmarus Stimme klang so frostig, wie der Schneesturm, in dem Inuyasha sich vor ein paar Wochen in den Bergen verloren hatte und wie die Kälte, die er in seinem Körper fühlte.

»Du willst Chichi-hues[Vater] Ehre retten?« Sesshōmarus Augen färbten sie dunkelrot und sein weißes Haar schwebte um ihn. »Wie willst du das machen, wenn du selbst keine besitzt!«

Inuyasha legte die Ohren an.

»Du bist eine Schande!«, fuhr Sesshōmaru schonungslos fort. »Ich habe dir die Türen zu meinem Haus geöffnet und dann ...Du greifst meinen Welpen an!«

Inuyasha presste die Zähne zusammen. »Du hast den Kampf einfach abgebrochen!«, verteidigte er sich. »Sesshōmaru, du, du–«

»DAMARE!« [Halt den Mund!]

Inuyasha verstummte. Er blinzelte die Tränen weg, die sich in den Augenwinkeln sammelten und ihn zornig machten. Wieso war er so schwach? Seit Kagome nicht mehr da war, lief in seinem Leben alles schief.

Sesshōmaru zog Bakusaiga und näherte sich ihm. Dabei schlug Sesshōmarus Yōki unermüdlich auf seines ein und drängte es zurück. Tessaiga lag auf dem Waldboden, griffbereit. Er könnte sich verteidigen, aber wollte er das überhaupt noch? Er wollte nicht sterben, er musste auf Kagome warten. Er hatte nur keine Kraft mehr, er fühlte sich so ausgelaugt.

»Sesshōmaru-sama?« Der Krähendämon schien Sesshōmaru eine wortlose Frage zu stellen. Zügig schritt er an Sesshōmaru vorbei auf Inuyasha zu.

Inuyasha fauchte ihn an und wollte ihm den Arm wegschlagen, doch er war schnell, verdammt schnell! Er zischte, als er die Hand des Dämons in seinem Nacken spürte, nur um im nächsten Moment vor Sesshōmaru zu knien und den Kopf nach unten gedrückt zu bekommen.

»Teme!« Er krallte den Arm, der ihn in diese erniedrigende Haltung drückte. Bald schon roch er den metallischen Geruch von Blut. Geschah diesem Bastard recht! Um ihm noch mehr Schmerzen zuzufügen, bohrte Inuyasha seine Krallen tiefer in dessen Arm. Verdutzt sah er auf, als Sesshōmaru Bakusaiga wegsteckte und das Rot aus seinen Augen verschwand. Sesshōmaru griff nach dem Tuch, das er sich fest um den Kopf gewickelt hatte, und riss es ihm runter. Eine lange Stille folgte.

Inuyasha biss sich auf die Lippen und betrachtet beschämt den Boden, sah ein paar Waldarmeisen dabei zu, wie sie einen toten Käfer fortschleppten. Er knurrte, denn er spürte die Hand seines Bruders, die durch sein kurzgeschorenes Haar fuhr. Musste er ihn noch mehr demütigen? Und dann zu seinem Entsetzen, rann ihm noch ein wohliger Schauer den Rücken hinunter und er schüttelte sich leicht, gleichzeitig sah er eine Träne, gefolgt von einer zweiten und dritten, die auf dem feuchten Boden verschwanden. Nun blamierte er sich völlig. Inuyasha blinzelte schnell, um weitere zu verhindern.

»Ist es im Kampf passiert?«, fragte Sesshōmaru, fast schon mit sanfter Stimme. Seine Wut schien vergessen.

Inuyasha schüttelte den Kopf. »Danach.« Er machte eine Pause, sammelte sich, und sagte: »I-ich bin nur am Leben, weil der Yōkai gegen dich kämpfen möchte. E-er denkt, dass wenn du siehst, dass er mein Haar besitzt, du auf die Insel kommen wirst.«

»Hn.«

Der Krähendämon ließ ihn los und Inuyasha sprang sofort auf die Füße

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Der Krähendämon ließ ihn los und Inuyasha sprang sofort auf die Füße.

Sesshōmaru warf ihm einen Seitenblick zu. Härte lag in seinen Augen. »Wir gehen morgen bei Sonnenaufgang.« Er stieß sich vom Boden ab.

»Sesshōmaru, mate!«

»Was ist noch, Inuyasha?«

Inuyasha rieb sich den Arm. »Yashimaru, geht es ihm gut? Hat ihn Tessaiga ...« Er konnte den Satz nicht einmal aussprechen.

Sesshōmaru hob eine Augenbraue. »Sei nicht albern«, war alles, was er sagte, dann tauchte er in die Baumkronen ein und flog davon.

Inuyasha hob Tessaiga auf und steckte es in die Scheide. Das Yōki des Krähendämons leuchtete immer noch hinter ihm. »Was wollt Ihr noch hier?«, brummte er ihn an. Es folgte keine Erwiderung. »Ich kann auf Eure Anwesenheit getrost verzichten. Lasst mich allein!«, spie er.

»Kommt.«

»Und warum sollte ich Euch folgen?« Dieser Bastard hatte ihn dominiert, ihn vor seinem Bruder in eine kniende Position gezwängt, als wäre er ihm oder Sesshōmaru unterwürfig.

»Im Schloss kann jemand Eure Wunden versorgen.«

Inuyasha blaffte: »Als bräuchte ich die Hilfe von Sesshōmarus Heilern!«

»Hai, Ihr braucht sie nicht.« Der Krähendämon musterte ihn.

Inuyasha mochte die Augen des Krähendämons nicht. Seine Iris war fast so schwarz wie die Pupille, sie wirkten dadurch groß, als ob sie alles sahen und ihnen nichts entginge.

»Ihr werdet jedoch mit ausgewaschenen Wunden und mit den richtigen Kräutern schneller heilen. Manche von ihnen sind entzündet, ich kann den Eiter riechen.«

»Und wenn schon. Ich werde keinen Fuß mehr in diese Schloss setzen«, raunte Inuyasha.

Der Krähendämon trat vor ihn. Inuyashas Hand legte sich auf Tessaigas Schwertgriff.

»Ich bin Sesshōmaru-samas General und Beta.«

»Schön für Euch, aber es interessiert mich nicht. Ich gehöre nicht Sesshōmarus Clan an. Ihr seid nicht mein Beta!«

Der Krähendämon lachte kurz amüsiert auf, dann meinte er mit tiefer Stimme: »Sesshōmaru-sama wird nicht auf Euch warten, solltet Ihr wegen Euren Verletzungen zurückfallen. Wenn Ihr gemeinsam gegen den Yōkai kämpfen wollt, dann kommt zum Schloss, damit sich die Heiler Euch ansehen können.«

»Hmpf! Warum erzählt Ihr mir das alles? Es kann Euch doch egal sein.«

Der General betrachtet das Tessaiga. »Ihr seid in dem Besitz einer sehr interessanten Waffe. Ich möchte gegen Euer Tessaiga kämpfen. Aber momentan ist es zu früh. Werdet stärker, dann werde ich Euch herausfordern.«

»Keh!«, war alles, was Inuyasha erwiderte, doch die Krähe hatte ihn überzeugt. Er folgte Sesshōmarus Beta zum Schloss.

Alpha Sesshoumaru/Sesshomaru x Gefährte LightYagami | Das weiße Feuer des HundesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt