Schrill klingelt mein Wecker. Unwillig schlage ich meine Augen auf und suche das nervige Teil auf meinem Nachttisch. Doch müde wie ich bin, fege ich ihn auf den Boden und er verstummt kurz, um dann nur noch lauter zu klingeln. Ich halte mir die Ohren zu und rolle aus dem Bett. Schnell mache ich das Mistding aus und stelle ihn zurück auf meinen Nachttisch. Leichtfüßig schleiche ich zum Fenster und ziehe die Vorhänge zurück. Draußen ist es dunkel und es regnet extrem und am liebsten würde ich zurück in mein Bett kriechen. Stattdessen hole ich mir eine schwarze Jeans und einen dunkelblauen Pullover. Ich hole noch ein Handtuch und gehe Duschen. Das kalte Wasser spült den Rest der Müdigkeit von mir und die Musik aus dem Radio trägt zu meiner guten Laune bei. Ich steige aus der Dusche und summe leise mit, während ich mich abtrockne. Ich ziehe mich an und verlasse das Bad, ohne einen Blick in den Spiegel zuwerfen. Schnell mache ich mein Bett, ehe ich beschwingt in die Küche laufe. „Morgen." Begrüße ich die anderen fröhlich und setzte Wasser auf. Lächelnd starre ich auf die Herdplatte. Ich habe Ames einen Monat gegeben, sich zu beweisen und ich bin schon gespannt, was kommen mag. Es piept, als mein Wasser kocht und ich gieße das Wasser in eine Tasse mit frischer Minze. Schwungvoll drehe ich mich um und erblicke die fassungslosen Gesichter der restlichen Werwölfe. „Ist was?" frage ich lächelnd und hole mir den Honig. „Naja, wir dachten, dass du wütend wärst, uns ignorierst und verabscheust, stattdessen bis du ein grinsender Sonnenschein und trinkst Tee. Natürlich sind wir verwirrt und auch ein bisschen Verstört." Sagt Sybilla und schaut mich skeptisch an. „Ich habe beschlossen, nicht mehr alles so negativ zu sehen. Solltest du auch mal versuchen." Gebe ich von mir und empört schnappt sie nach Luft. „Ich bin ein total fröhlicher Mensch." Nun blicke ich sie skeptisch an und ziehe eine Augenbraue hoch. „Sicher doch." Sage ich sarkastisch und trinke etwas Tee. „Ich an deiner Stelle würde erst einmal den Knutschfleck abdecken." Knurrt Sybilla und ich verschlucke mich. Auch die Jungs blicken nun verstört auf meinen Hals. „Wer war das?" meldet sich Ryder das erste Mal seit gestern zu Wort. Ich zucke bloß abweisend mit den Schultern und mein Bruder verdreht die Augen. „Alecta, wenn Ames dich mit dem Knutschfleck irgendeines anderen Jungen sieht, wird er den Rest seiner Beherrschung verlieren und dich augenblicklich markieren." Er hebt die Stimme etwas und steht sogar auf. Ich blicke ihn an, als wäre er ein Alien. „Erstens, hast du mir gar nichts mehr zu sagen. Ich will nichts von dir hören. Zweitens lasse ich mich bestimmt nicht einfach so markieren. Von niemanden. Außerdem stammt der Knutschfleck von ihm, also wird das nicht so problematisch." Erkläre ich und trinke meinen Tee aus. Ryder öffnet seinen Mund und schließt ihn wieder, ohne etwas zu sagen. „Auf dich bin ich auch immer noch wütend, mach dir da mal keine Hoffnungen." Unterbreche ich ihn, als er etwas sagen möchte. Ich drehe mich um und eile ins Badezimmer tatsächlich prangt knapp über meinem Schlüsselbein und etwas nach rechts versetzt ein großer Knutschfleck. Ich schaue in das Regal, aber finde kein Make up. Wir Wölfe benutzen es so gut wie nie, weil der Geruch für uns so unerträglich ist. Wir besitzen auch kein Parfüm, beziehungsweise gibt es mittlerweile spezialangefertigte, aber man muss damit sehr vorsichtig sein. Nach einer erfolglosen Suche, gebe ich einfach auf. Sollen die Menschen den Fleck halt sehen. Das interessiert mich jetzt auch nicht wirklich. Ich binde meine noch feuchten Haare zusammen und trockne sie noch etwas mit dem Föhn. Aus meinem Zimmer nehme ich meine Tasche und meinen dunkelgrauen Regenmantel. Ich rutsche die Treppe auf dem Geländer herunter und ziehe mir schuhe an. „Ich fahre schon." Lass ich die anderen Wissen und verlasse das Haus. Zu meiner Überraschung steht direkt Ames vor mir, welcher gerade klingeln wollte. „So freudig, mich zu sehen?" fragt er belustigt nach und nimmt mir die Tasche ab. Perplex lasse ich ihn gewähren. Was macht er hier? „Haha. Du hast mir gestern ein tolles Geschenk gemacht." Grummle ich und weise auf den Fleck an meinem Hals. Ames prustet los und beleidigt verschränke ich die Arme vor der Brust. Hier stehe ich, im Regen, vor meinem Mate, welcher mich einfach auslacht. „Jaaaa, total lustig." Grummle ich und der Werwolf beruhigt sich wieder. „Ich bin eigentlich hier, um dich abzuholen." Sagt er und weist auf den Mercedes hinter sich. Er steigt die Treppe herunter und verstaut meinen Rucksack im Kofferraum. Kommst du?" Fragt er mich und ich meine etwas Nervosität herauszuhören. Ich setzte mir meine Kapuze auf und steige die wenigen Treppen herunter. Ames hält mir die Tür auf und ich lasse mich auf dem Beifahrersitz sinken. Ames schließt die Tür hinter mir und joggt um das Auto herum, auf die Fahrerseite. Ich schaue mich in dem geräumigen Auto um, doch wir sind alleine. Aus dem Radio kommt etwas Musik, sonst würde hier eine peinliche Stille herrschen. „Was hast du jetzt?" Unterbricht Ames das unbehagliche Schweigen. Ich hole mein Handy aus der Tasche und öffne meinen Stundenplan. Unwillig verziehe ich das Gesicht. „Sport bei Herrn Stumpid." Sage ich und Ames beginnt zu lachen. „Ich auch. Die Sportkurse wurden teilweise zusammengelegt, weil wir nur noch zwei Sportlehrer haben. Die anderen Beiden haben überraschend geheiratet und sind nach Kanada ausgewandert." Erklärt er mir und ich verziehe belustigt das Gesicht. „Das ist mal eine Story. Mein größtes Trauma, wenn ich denselben Beruf wie mein Mann hätte." Spreche ich und unbewusst führt das erneut zu einer angespannten Atmosphäre. Still blicke ich nach draußen und beobachtet die Regentropfen an der Scheibe. Ames hat einen Umweg gemacht, erkenn ich erst jetzt. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es erst halb acht ist. Plötzlich werde ich unsanft in meinen Gurt gerissen. Ames hat scharf abgebremst und blickt starr nach vorne. Ich schaue ebenfalls dorthin, doch die Straße ist leer. Einzig der Regen prasselt auf den Asphalt. „Ames?" frage ich vorsichtig, doch er reagiert nicht. Seine Brust hebt und senkt sich unter schweren Atemzügen, als wäre er gerade einen Marathon gelaufen. Statt mir zu antworten oder zu reagieren, steigt er einfach aus. Wie ein gefangenes Tier beginnt er auf dem schmalen Grasstreifen zwischen Wald und Straße auf und ab zu gehen. Seufzend öffne ich ebenfalls eine Tür und steige aus. Der Wind zehrt an meinem langen Mantel und fährt Kalt über meine Haut. Fröstelnd schlinge ich meine Arme um mich und trete in den Regen, welcher mir die Sicht vernebelt. „Ames?" frage ich noch einmal, deutlich sanfter. Zaghaft trete ich auf ihn zu und bleibe dicht vor ihm stehen. „Was ist los?" Hauche ich besorgt. Ames blauen Augen nehmen einen dunklen, fast schwarzen Ton an. Seine mächtige Aura umspült mich und ein tiefes Knurren vibriert in seiner Brust. Ehe ich mich versehe, packt er mich an den Schultern und dreht mich mit Schwung herum. Hart drückt sich die Rinde einer Eiche in meinen Rücken. Seine heißen Lippen beginnen meinen Hals zu liebkosen und ungewollt genieße ich es. Er hebt seinen Kopf und blickt mit seinen dunklen Augen tief in meine. Eng aneinander geschmiegt stehen wir mitten im Regen an diesem Baum. Ich spüre seinen Warmen Atem auf meinem Gesicht und seinen Warmen Körper um mich. Die Kälte ist komplett verschwunden. „Du fragst mich, was los ist?" Flüstert er mit rauer Stimme und umfasst meine Taille fester. „Dein Geruch. Deine Anwesenheit. Dein Lachen und deine Stimme. Es macht mich ganz verrückt, dich so dicht bei mir zu haben und doch so weit weg. Weißt du eigentlich, was das für eine Beherrschung für mich ist, dich nicht augenblicklich zu markieren? Noch nie habe ich von jemandem so die Nähe gebraucht, wie von dir." Er vergräbt seinen Kopf wieder in meiner Halsbeuge und verziert eben dies mit heißen Küssen. Ich stöhne leise auf und meine Knie werden weich. Haltsuchend verschränke ich meine Arme in seinem Nacken. Der Mate Verbindung gegenüber bin ich Machtlos. Meine Muskeln entspannen sich und ich fühle mich geborgen. Ames hebt seinen Kopf und lehnt seine Stirn gegen mein. „Es tut mir leid, dass ich gerade so ausgerastet bin, aber ich brauche deine Nähe. Du musst mich noch nicht als Mate akzeptieren, aber bitte, ein bisschen Nähe. Nur ein paar Umarmungen, sonst kann ich für nichts garantieren." Sagt er und noch immer benommen nicke ich. „Schon Okay." Flüstre ich. Er löst sich von mir und augenblicklich vermisse ich seine Wärme. Verärgert über meine Gedanken steige ich zurück in das Auto und blicke in den Spiegel. Passend zu dem einen Knutschfleck, hat sich ein zweiter auf der anderen Seite gebildet. „Du kannst es auch echt nicht lassen." Murmle ich und zupfe meinen Pullover zurecht. Ames schenkt mir ein schiefes grinsen. „Ich finde es gut. So erkennt jeder, dass du bereits vergeben bist." „Spinner." Grummle ich, doch mit einem leichten Lächeln. Verdammt, warum fällt es mir so unfassbar schwer, ihm zu wiederstehen. Er hat mitgeholfen mein Leben zu ruinieren und ich lasse mich einfach irgendwo im Wald Knutschflecken von ihm verpassen. Ich erinnere mich an Ryders Worte heute Morgen. Dass Ames mich sofort markieren würde. Ich habe ihn ausgelacht und ihm gesagt, dass ich mich niemals einfach so markieren lassen würde, aber vorhin im Wald habe ich jegliche Kontrolle über mich verloren. Ames hätte einfach seine Zähne in meinen Hals rammen können und alles wäre vorbei gewesen. Nachdenklich blicke ich nach draußen. Es ist zehn vor Acht und die Schule erscheint bereits in meinem Blickfeld. Ryder hat mir mal erzählt, dass man eine tödliche Eifersucht jedem gegenüber entwickelt, der sich zu nah an seine Mate wagt. Als er Amelia getroffen hat, war er sogar auf ihren vier Jährigen Bruder eifersüchtig. Unwohl rutsche ich auf meinem Sitz nach vorne und greife nach der Tür. Wir haben die Schule erreicht und ich sehe mein Rudel über den Hof Richtung Sporthalle gehen. Unsicher blicke ich meinen Mate an, welcher mich vergnügt angrinst. Ob er wohl noch so grinsen würde, wenn er wüsste, dass ich keine Jungfrau mehr bin? Das ich bereits mit einem anderen Mann vereint gewesen bin, der er nicht war?
Willkommen zurück, meine fleißigen Leser und Leserinnen,
Wie versprochen ist hier das nächste Kapitel vor Sylvester und wie immer hoffe ich, dass es euch gefällt ;)
Bis Sylvester,
Calietha
PS. Dieses Kapitel widme ich meiner besten Freundin Mar_la24, um ihr die Feiertage mit der Familie zu erleichtern.
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Karma kommt
WerewolfAls die junge Werwölfin und beliebtes Mobbingopfer Alecta von ihrem Mate abgelehnt wird, verschwindet sie aus dem Rudel. Einige Zeit irrt sie alleine durch die Gegend, ehe sie auf ein neues Rudel trifft, in welchem sie aufgenommen und ausgebildet wi...