Kapitel 10.
Nachdenklich betrete ich die Sportumkleide. Ich war froh, als wir endliche den Parkplatz erreicht hatten und ich der unangenehmen Atmosphäre entkommen konnte. In der Umkleide ist es bereits sehr voll und überall ziehen sich welche um. Ich suche mir einen freien Platz und schaue mir das Sportzeug an, welches in von der Schule gestellt war und in meinem Schließfach lag. Es besteht aus einem dunkelblauem Sportshirt und einer ebenfalls blauen Hose. Sie liegt relativ eng an, fällt ab den Knieen aber etwas weiter runter. An den Seiten befinden sich jeweils drei weiße Streifen. Dazu gibt es weißblaue Schuhe und eine weiße Trainingsjacke. Ich ziehe mich um, wobei ich mich so weit wie irgendwie möglich in die Ecke drücke. Ich will nicht, dass die anderen auf die feinen Narben auf meinem Rücken und besonders auf meinen Schultern aufmerksam werden. Ich ziehe den Reißverschluss der Trainingsjacke hoch und nehme meine Wasserflasche. Draußen strömt noch immer der Regen und dennoch müssen wir draußen Sport machen. Ich trete auf den Lehrer zu, welcher eindeutig Menschlich ist. „Name?" knurrt er ohne aufzuschauen und blickt auf seine Liste. „Alecta Thompson. Werwolf." Antworte ich und er nickt. „Alle zum Einlaufen zwei Runden laufen. Die Werwölfe laufen fünf." Schreit er und ich jogge los. Wenn ich Sport mache, brauche ich niemanden zum Reden und ich höre auch keine Musik. Ich laufe einfach in meinem Tempo und lausche nur dem Takt meiner Füße. Schatten tauchen neben mir auf und kurz darauf bin ich von Ames und seinen Freunden umringt. Alle, bis auf Ames, halten Abstand zu mir, bleiben aber dennoch in der Nähe. Ich unterdrücke ein genervtes Stöhnen. Kann ich nicht einfach in Ruhe meine Runden drehen? Ohne nervenaufreibende Mategespräche oder der Nähe irgendwelcher Wölfe, die ich noch immer für ihre Taten hasse? Ich breche meine fünfte Runde an und beginne zu sprinten. Überrascht ziehen die Jungs ihr Tempo ebenfalls an, doch ich bin lange nicht mehr das kleine lahme Entchen von damals. Ich bin eine verdammte Wächterin. Diese Worte im Kopf immer wieder widerholend werde ich noch schneller. Einzig Ames kann noch mit mir mithalten. Ich überquere die Linie und laufe locker aus. „Wow, du bist echt schnell." Keucht Ames. Auch ich versuche meinen Atem zu kontrollieren. „In den drei Jahren ist viel passiert." Erwidere ich bloß und trete neben unseren Sportlehrer, welcher sich tatsächlich dazu herablässt, mir zuzunicken. Langsam beenden auch die letzten ihre Runden, wobei ein etwas fülligeres Mädchen weit hinter den anderen zurückgefallen ist. Sie muss noch eine ganze Runde laufen und die ersten spöttische Kommentare prasseln auf sie nieder. Ich wende mich an Ames und hebe eine Augenbraue hoch. Doch Ames ist gar nicht mehr neben mir. Stattdessen knurrt er gerade einen Sportler an, welcher dem armen Mädchen Schmähungen hinterhergerufen hat. Anerkennend verziehe ich den Mund. Scheinbar hat Ames wirklich von damals gelernt. Ich laufe wieder los und geselle mich an die Seite des Mädchens. Ich weiß, wie traurig und schrecklich es ist, so alleine zu sein. Mit Mühe und unter Beleidigungen diese Schmach zu ertragen. Erstaunt blickt sie zu mir hoch und aufmunternd lächle ich sie an. „Ich laufe mit dir eine Runde. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Lauf einfach in deinem eigenen Tempo und ich passe mich an." Sage ich zu ihr und ihre Augen werden groß. Erleichtert wird sie etwas langsamer. „Danke. Das weiß ich sehr zu schätzen." Flüstert sie und ich nicke. „Das ist für mich selbstverständlich. Als ich jünger war, war ich ziemlich dick. Ich konnte eigentlich nicht wirklich was. Weder zeichnen, noch ein Instrument spielen und sportlich oder hübsch war ich erst recht nicht. Meine Eltern hat es einfach nicht gekümmert und so brachte mir niemand etwas bei. Zusätzlich wurde ich stark gemobbt. Ich hatte keine Freunde, keine Talente und keine Familie." Erkläre ich und blicke starr vor mich. Erinnerungen, wie meine Mutter mich mit leeren Augen anschaut, während mein Vater mir sagt, wie wertlos ich bin. Dennoch waren sie meine Eltern und ich habe sie geliebt. Bis sie mich mit zwölf schlugen. Mein Vater war zornig und hat es an meiner Mutter ausgelassen. Ich kam gerade mit der Wäsche aus dem Keller und stolperte. Ihr Nachthemd viel herunter und vor Zorn darüber verpasste sie mir eine Ohrfeige. Noch heute höre ich das schallende Geräusch durch das Haus hallen und spüre den brennenden Schmerz. Meine Mutter war die einzige aus der Familie, welche mich Schlug, doch dafür war sie umso härter. Am Tag, bevor ich das alles hinter mir ließ, schlug sie mich mit dem heißen Schürharken. Er brannte sich in meine Brust und noch heute trage ich die schmale Narbe vom Schlüsselbein über mein Brustbein herunter. Wir beenden unsere Runde und ich erwarte ein spöttisches oder herabwertendes Kommentar. Das Mädchen neben mir scheinbar genauso, denn sie hat bereits den Kopf zwischen ihre Schultern gezogen. Mein funkelnder Blick gleitet durch die Reihen, doch die meisten Blicken auf den Boden und wagen es nicht, mich anzuschauen. „Sehr schön Melanie. Die Hauptsache ist, dass du zu ende läufst." Lobt unser Lehrer und ich beginne, eine Gewisse Sympathie für ihn zu empfinden. „Wir spielen nun ein bisschen Völkerball und ich bitte euch, zwei gleichstarke Teams einzuteilen." Erklärt er und ernennt Ames und Ryder zu den Kapitänen. Abwechselnd wählen die beiden und versuchen in etwa gleichstarke Gegner zu wählen. Ryder ruft mich auf, doch ich bewege mich einfach nicht. Meine Augen sind unverwandt auf Ames gerichtet, welcher meinen Blick erwidert. Ryder blickt mich verblüfft an und ruft dann jemand anderen aus dem Rudel auf. Ich trete zu Ames und beuge mich über seine Schulter. „Ruf doch bitte das Mädchen auf." Murmle ich ihm zu und er nickt. „Das hatte ich vor. Du scheinst dich ja gut mit ihr zu verstehen." Tatsächlich holt er Melanie als nächste ins Team. Als ihr Name genannt wird, hebt sie überrascht den Kopf und läuft rot an. Schüchtern stellt sie sich zu uns und ich lächle sie aufmunternd an. „Schau nicht so, es ist doch nur ein Spiel. Ich bin Alecta." Stelle ich mich vor. Zögernd hebt sie den Kopf und blickt mich aus großen, dunklen Augen an. „Ich bin Melanie. Danke, dass du so freundlich zu mir bist." Spricht sie zögernd. „Immer gerne. Du hast nichts getan, dass ich nicht nett zu dir sein sollte." Sie grinst mich schief an und ich erwidere es. „Teams. Ins Feld." Ruft der Lehrer und ich stelle mich bereit hin. Völkerball ist ein toller Sport. Gespannt warte ich auf den Einwurf, doch Ames fängt den Ball vor mir ab. Sofort schmettert er ihn auf die andere Seite, welche erbarmungslos zurückschießt. Insgesamt sind fünf Bälle im Spiel und konzentriert drehe ich mich im Kreis, um den Standort von ihnen zu wissen. Ryder wirft einen hohen Ball rüber auf die Seite, doch ich nehme Anlauf und springe. Sicher packe ich den Ball und lande gekonnt in meinem Feld. Verärgert blickt mich mein Bruder an und ich strecke ihm die Zunge raus. Meine Augen fokussieren Sybilla, welche gerade mit dem Rücken zu mir steht. Schnell werfe ich und treffe sie an der Schulter. Böse funkelt sie mich an, ehe sie lachend den Kopf schüttelt. Plötzlich schmiegt sich ein warmer Körper an meinen Rücken und verwirrt drehe ich mich um. Ames steht Rücken an Rücken mit mir und hat einen Ball aufgefangen, welcher an mich gerichtet war. „Sei vorsichtig, mein Stern. Der hätte dich treffen könne." Er lächelt mich an und seine wunderbaren Augen glitzern unter seinen dunklen Haaren hervor. Er wendet sich wieder dem Spiel zu und auch ich konzentriere mich. Das Spiel zieht sich in die Länge und mein Team droht zu verlieren. Irgendwann stehen nur noch Ames, einer seiner Freunde und ich im Feld. Uns gegenüber stehen Ryder, Sybilla, Emiliano und Amelia. „Wir schaffen das nur, wenn wir zusammenarbeiten." Sage ich ernst, als würde es sich um die Entscheidende Schlacht um Hogwarts handeln. Ames nickt und sein Kumpel schenkt mir ein verschmitztes grinsen. „So spricht eine wahre Luna." Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu und versuche mich wieder auf das Spiel zu konzentrieren, doch meine Gedanken schweifen ab. Ich bin gerade mal ein paar Tage hier und schon verfalle ich meinem Mate. Seine Rudelmitglieder sehen in mir bereits ihre Luna und das alles sollte nicht passieren. Angestrengt kneife ich meine Augen zusammen. Ich muss zu meinem alten Rudel mehr Distanz waren. Niemals darf ich vergessen, was sie mir angetan haben. Die Narben auf meiner Haut lassen es mich nicht vergessen. Ich will es nicht vergessen, denn es hat mich verändert, mich stärker gemacht. Ich atme tief ein und springe geschmeidig hoch, um den ball zu fangen. Ich werde sie alle für ihre taten büßen lassen. Wenn Karma nicht von alleine eingreift, muss ich eben ein bisschen nachhelfen.
Hey ihr Lieben,
Erst einmal ein riesengroßes Sorry, dass so lange nichts mehr kam. irgendwie steckte ich in einer Schreibblockade fest und gemeinsam mit Schule, Sport und Familie ist das Leben bereits ziemlich voll :) Dank der überraschenden Corona-Ferien, habe ich aber jetzt die Zeit gefunden, dass nächste Kapitel zu schreiben und ich hoffe sehr, dass es euch gefällt. Ich bin eher mittelmäßig zufrieden, aber nicht alles kann immer nur toll sein ;) Ich versuche, noch dies Woche ein weiteres Kapitel zu schreiben. Jedenfalls wünsche ich euch viel Spaß beim lesen und hoffe, dass ihr alle die aktuelle Kriese gesund übersteht.
Bis demnächst,
Eure Calietha

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Karma kommt
WerewolfAls die junge Werwölfin und beliebtes Mobbingopfer Alecta von ihrem Mate abgelehnt wird, verschwindet sie aus dem Rudel. Einige Zeit irrt sie alleine durch die Gegend, ehe sie auf ein neues Rudel trifft, in welchem sie aufgenommen und ausgebildet wi...