Kapitel 7.

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Unruhig trommeln meine Finger gegen die Fensterscheibe. Es ist mittlerweile dunkel und draußen prasselt der Regen gegen das Glas. In der Scheibe blickt mir mein Spiegelbild entgegen und ich unterdrücke den Drang, das Fenster zu zerschlagen. Seit gefühlten Stunden beraten wir unser weiteres Vorgehen gegen Arthur. Als ich mich vor Ames geworfen habe und er auf wundersamerweise meine Wunde geheilt hat, haben wir dem Vampirkönig unsere Verbindung offenbart. Um mich zu vernichten, hätte Arthur nun ein leichtes Spiel mit mir. Er hat mich zwar bisher verschont, aber das nicht aus Freundschaft oder Gewissensbissen. Hinter mir sitzen Ames Eltern, mein Mate mit seinen Freunden inklusive meines Bruders, mein Vater und die Werwölfe aus meinem Rudel. Sie unterhalten sich leise und werfen mir immer wieder Blicke zu, welche sich brennend in meinen Rücken bohren. Es ist ein Wunder, das mein Top noch nicht in Flammen steht. Ich lehne meinen Kopf an die kühle Fensterscheibe und starre stur in die Dunkelheit. Mit meinen wölfischen Sinnen kann ich trotz der Dunkelheit einiges Erkennen und so folgen meine Augen den stürmischen Bewegungen der Bäume. Sacht berührt mich jemand an der Schulter und ich wende meinen Kopf. Amelia schaut mich aus sanften Augen an, ehe sie mich einfach in die Arme schließt. Kurz zögere ich, ehe ich meine abwehrende Haltung aufgebe und mich an sie lehne. Meine Stirn ruht auf ihrer Schulter und ich atme ihren beruhigenden Geruch ein. Sanft schnurrt sie vor sich hin und ich beruhige mich. „Es tut mir alles so leid. Du hast was Besseres als das hier verdient." Haucht sie mir zu. Ich schweige einfach nur und drücke mich noch näher an sie. „Ich will das nicht mehr. Ich kann das nicht mehr. Mein ganzes Leben lang habe ich gelitten und nie die Liebe kennengelernt, bis ich auf Ryder traf. Bei den Thompsons hatte ich ein gutes Leben. Ich wurde respektiert und man hat etwas aus mir gemacht. Jetzt bin ich wieder hier und alle behandeln mich, als wäre ich ein neuer Mensch. Plötzlich interessieren sie sich für mich und wollen mich kennenlernen. Jedes Mal stelle ich mir die Frage, ob sie wirklich mich kennenlernen wollen und nicht einfach von meinem Aussehen beeindruckt sind. Ich bin nur hier, um dich zu beschützen und jetzt ist Ames in den Mittelpunkt der Feinde gerückt. Egal, wie sehr ich ihn verabscheue, er ist mein Mate. Wenn er stirbt, stirbt ein Teil meiner Seele mit und ich weiß nicht, ob ich das Überstehe. Wir sind zumindest noch nicht verbunden, aber trotzdem besteht die Gefahr des Verwilderns." Beichte ich in einem Strom aus Wörtern meiner Freundin. Darauf bedacht, dass mich die anderen Werwölfe nicht hören, welche gespannt die Ohren gespitzt haben. Ziemlich ungehörig, wenn ihr mich fragt. Ich löse mich mit gefasstem Gesichtsausdruck von Amelia und laufe langsam auf die anderen zu. Hinter Jack bleibe ich stehen und stütze mich auf seinen breiten Schultern ab. „Wie sieht der Plan aus?" frage ich und Blicke in die Runde. Aus den Gesichtern der Anwesenden kann ich die verschiedensten Emotionen Ablesen. Unsicherheit, Zorn, Verwunderung, Irritation und Kampfeslust überwiegen. Ich versuche nicht in die dunklen Augen von Ames zu blicken, welcher mich intensiv mustert. „Wir sind noch nicht wirklich bei einem Plan. Arthur hat nun ein erhöhtes Interesse an Ames, nachdem was heute geschehen ist. Wir müssen einen Weg finden, ihn zu schützen und Arthur loszuwerden." Erklärt Ryder und blickt mich ruhig an. „Arthur loszuwerden ist nicht so einfach. Erinnere dich, was das letzte Mal passiert ist." Erinnere ich ihn. Arthur hatte vor knapp einem Jahr versucht die Herrschaft über unsere Stadt und unser Revier an sich zu reißen. Gemeinsam mit den Kriegern unseres Rudels stoppte ich ihn, wobei ich jedoch beinahe gestorben bin. Noch heute trage ich die fatale Narbe über meinem Herzen. Unruhig beginne ich hin und her zulaufen. Diese ganze Situation macht mich nervös und raubt mir die Nerven. Warum konnte mich das Schicksal nicht einfach in Ruhe lassen. Ich könnte jetzt Zuhause auf dem Sofa sitzen, Pizza essen und mit Amelia und Sybilla einen Filmeabend veranstalten. „Was ist mit eurem Wächter?" wende ich mich an meinem ehemaligen Alpha. David schüttelt den Kopf. „Unser Wächter ist vor sieben Jahren gestorben und seitdem haben wir keinen mehr ausgebildet. Es fand sich niemand, der dafür geeignet war." Erklärt er mir und ich knurr leise und erbost. „Es fand sich niemand, oder ihr hattet zu hohe Ansprüche und habt nicht genau aufgepasst. Wie ihr seht habe ich ja das Potenzial und so selten sind Wächter auch nicht." Der Alpha schaut mich zornig an, doch ich wende mich einfach ab. „Nun gut, dass ist nicht mein Problem. Ryder, wir können gehen. Das Sullivan-Rudel geht uns nichts an." Sage ich kalt und wende mich zum Gehen. Ausnahmslos jeder Wolf blickt mich fassungslos an. „Was?!" fahre ich sie an. „Was erwartet ihr von mir? Verdammt noch mal, ihr habt mir das Leben zu Hölle gemacht. Noch heute trage ich Narben von meiner Zeit hier. Sowohl körperlich, als auch seelisch. Jetzt seid ihr am Arsch und erwartet von mir für euch in die Bresche zu springen? Vergesst es." Was denken die sich eigentlich? Das ich irgendein Spielzeug bin, dass man einfach aus der Kiste holt, wenn man es braucht? Schnurstracks laufe ich zur Tür, werde davor aber von Ryder aufgehalten. „Lass mich gehen. Ich schulde ihnen nichts." Knurre ich meinen Bruder an. Dieser bleckt ebenfalls die Zähne und verschränkt die Arme vor der Brust. „Niemals. Ich lasse nicht zu, dass du dich selbst zerstörst. Ames ist dein Mate und das kann niemand ändern. Ich weiß, was er dir angetan hat und verstehe dich, aber wenn du jetzt gehst, kann er sterben. Ich will nicht in deine Augen blicken, ohne einen Funken Menschlichkeit zu sehen. Du sollst kein Geifer werden. Das werde ich niemals zulassen." Bittend blicken seine braunen Augen mich an und vorsichtig legt er seine Hände auf meine Schultern. „Bitte, Alecta. Überlege dir das Gut, sonst bin ich gezwungen zu Handeln." Ich schlage seine Hände weg. „Geh zur Seite, Ryder. Ich will dich nicht verletzten." Versuche ich es ein letztes Mal. Stur blickt mein Bruder mich an und weigert sich zur Seite zugehen. Ich verdrehe die Augen und wage einen halbherzigen Schlag. Leichtfertig blockt er ihn und blickt mich mit funkelnden Augen an. „Du hast es nicht anders gewollt." Knurrt er mich an. Mit harten Schlägen treibt er mich zurück und von den Seiten kommen Emiliano und Jack dazu. Ich versuche mich an ihnen vorbeizudrängeln, ohne sie zu verletzten, doch sie lassen nicht nach. Die Sullivans beobachten das Spektakel. Einzig Ames ist unruhig und wird von seinen Freunden zurückgehalten. Sybilla und Amelia mischen sich nun ebenfalls ein und zu fünft bringen sie mich zu Fall. Jack und Sybilla fixieren mich, während Ryder mitleidig auf mich herabschaut. „Es tut mir sehr leid, kleine Schwester, aber ich will nur das Beste für dich." Er schließt die Augen und nimmt die Kette um meinen Hals in die Hand. Ich weiß was kommt und versuche mich aufzubäumen. Mit vereinten Kräften halten meine Freunde mich zu Boden und verzweifelt schreie ich auf. Ein tiefes Knurren ertönt und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Ames ebenfalls gegen seine Freunde ankämpft. Verzweifelt versuche ich Ryders Blick aufzufangen und ihn an seinem Vorhaben zu hindern, doch er beginnt bereits zu sprechen. „Hiermit entbinde ich, Ryder Thompson, dich, Alecta Thompson, von deinem bindenden Eid gegenüber Amelia Black. Der Eid wird nun neu auf Ames Sullivan gebunden. Mögest du deinem Ruf Folge leisten" Spricht mein sogenannter Bruder. Meine Kette schimmert auf und erhebt sich in die Luft. Ich stelle meine erfolglose Gegenwehr ein und bleibe erschöpft liegen. Ich spüre, wie sich meine Verbindung zu Amelia zurückzieht und sich stattdessen an Ames bindet. Die Kette sinkt zurück auf meine Brust und schimmert ein letztes Mal. Dann ist der Eid vollendet. Vorsichtig lässt man mich los, doch benommen bleibe ich liegen. Meine Freunde treten zurück und sofort werde ich in starke Arme gezogen. Ein unglaublicher Geruch umfängt mich und beruhigend schnurrt eine tiefe Stimme mir ins Ohr. Kurz verweile ich, bis ich wieder bei Kräften bin. Ich drücke mich von Ames weg und erhebe mich auf wackeligen Beinen. In meinem Herzen macht sich der Schmerz des Verrates breit. Als ich die Wächterin der Thompsons geworden bin, bekam ich die Kette von Ryder. Mit ihr habe ich mich auf die Familie eingeschworen. Mit der Kette lasse ich mich auf eine Person prägen, um sie zu beschützen. Der Eid hält an, bis die zu beschützende Person, oder der Wächter Tod ist. Ebenfalls kann der Eid von der Person, die ihn auferlegt hat, aufgehoben und auf eine neue Person übertragen werden. Um diese Kette loszuwerden, muss Ryder aus freiem Willen die Kette abmachen. Ich ließ ihn mich damals zu einer Endgültigen Wächterin machen, weil ich ihm bedingungslos vertraute und nun hat er dieses Vertrauen missbraucht. Er hat mich gegen meinen Willen auf eine Person geprägt und ich muss nun diesem Eid Folge leisten. Ich kann nichts dagegen machen. Es ist einfach ein Drang, dem man sich nicht widersetzten kann. Immer noch schwer atmend drücke ich mich an die Wand hinter mir. Mein Rudel blickt mich mitleidig und traurig an, doch der Verrat brennt in meinem Herzen. Sie haben mich auf Ames geprägt und nun bin ich dazu verpflichtet ihn zu beschützen. Ich werde automatisch seine Nähe suchen und ständig bei ihm sein. Er wird kein Messer mehr in die Hand nehmen können, ohne dass ich das mitbekomme. Ich starre auf den Boden vor mir und philosophiere mal wieder darüber, wie beschissen mein Leben verlaufen ist. Mein Gesicht schließt sich langsam wieder zu einer Maske zusammen. Den Verrat begrabe ich tief in mir. Ich habe ihn schon so oft einstecken müssen, da ist er fast wie ein alter Freund für mich. Meine Atemzüge werden tiefer und gelassener. Ich kann sowieso nichts an meiner Situation ändern. Da sollte ich einfach das Beste draus machen, aber eine Sache muss ich vorher erledigen. Ich stoße mich von der Wand ab und halte strikt auf Ryder zu. Dicht vor ihm bleibe ich stehen und traurig schaut er mich an. „Du hast mir keine..." Knack. Erschrocken schreit Amelia auf, als meine Faust vor fliegt und in Ryders Gesicht kracht. Blut strömt hervor und ich spüre eine gewisse Genugtuung. „Du hast mir damals etwas versprochen und ich habe dir Vertraut." Knurr ich ihm leise zu, ehe ich mich einfach abwende und das Haus verlasse. Dieses Mal hält mich keine rauf. Wieso auch? Ich muss sowieso zurückkehren. Ob ich will oder nicht, ich bin nun, bis Ryder etwas anderes Entscheidet, an Ames gebunden. Wie mich das Schicksal doch liebt.


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