Kapitel 17.

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Verloren sitze ich auf dem Sofa und starre auf meine Socken. Es ist still im Raum. Nur die große Wanduhr tickt leise vor sich hin. Sekunden verstreichen, dann Minuten und schließlich bin ich schon zwei Stunden hier, ohne ein Wort zu sagen. 

Ames sitzt mir gegenüber auf dem Sessel und blickt mich einfach still an. Zuerst hat er mir was zu trinken angeboten, oder was zu essen, doch als ich einfach weiterhin geschwiegen habe, hat er es aufgegeben. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen, doch habe ich nicht die Kraft dazu, ihn zu erwidern. 

Meine Finger verknoten sich ineinander, als mein Herz sich schmerzhaft zusammenzieht. Ich fühle mich innerlich so zerrissen. Einerseits spüre ich deutlich die Bindung zu Ames, das Verlangen, in seiner Nähe zu sein, den Wunsch, mich in seine Arme zu werfen. Ich will seine Lippen auf meinen Spüren, oder mich einfach an ihn lehnen. 

Doch da ist auch mein Argwohn, meine Angst verletzt zu werden, meine Wut über unsere gemeinsame Vergangenheit. Plötzlich komme ich mir selbst lächerlich vor. Wieso bin ich eigentlich hier? Mein Plan war es schließlich, das Jahr hier zu überstehen und nach Hause zurückzukehren. Ruckartig erhebe ich mich und erschrecke somit Ames, welcher ebenfalls augenblicklich neben mir steht. Erschrocken über die Reaktion des Anderen starren wir uns in die Augen und ich beginne mich in den blauen Tiefen zu verlieren. 

„Alecta. Was tun wir eigentlich hier?" Fragt er leise, mit schmerzerfüllter Stimme. Ein Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich öffne meinen Mund und schließe ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Was tun wir hier eigentlich. Ein wütendes Knurren ertönt von meinem Mate, als er sich frustriert abwendet und sich mit der Hand durch die dunklen Haare fällt. 

„Rede mit mir, Alecta. Sag was, irgendwas!" Fährt er mich an und als hätte er einen Schalter umgelegt, verschwindet meine Unsicherheit und macht Wut Platz. „Was soll ich denn sagen, Ames? Was soll ich deiner Meinung nach Sagen? Ich verzeihe dir und alles, was du mir angetan hast? Lass uns heiraten und viele kleine Kinder in die Welt setzten? Was verlangst du von mir, Ames?" Schreie ich zurück und mit lodernden Augen dreht er sich zu mir um. 

„Die wichtigere Frage ist doch, was du von mir verlangst? Würdest du mich fragen, würde ich ja sagen. Lass und heiraten und kleine Kinder in die Welt setzten, aber du bist doch so stur, also liegt es an dir." Empört keuche ich auf und trete einen Schritt auf ihn zu. „Ich bin so stur? Was soll ich denn machen, nachdem ich so lange unter dir gelitten habe? Das nennt man nicht Sturheit, sondern verlorenes Vertrauen." Auch er tritt einen Schritt auf mich zu und seien Augen bohren sich in meine. 

„Jetzt komm mir nicht wieder mit vertrauen. Ich habe dir in letzter Zeit gezeigt, dass ich mich geändert habe. Ich habe meine Lektion gelernt und versuche mich zu bessern, doch das willst du einfach nicht sehen. In deinen Augen bist du das einzige Opfer, welches alles verloren hat..." „Weil ich auch alles verloren habe." Tränen treten mir in die Augen, doch unerbittlich halte ich seinem Blick stand. 

„Ich habe alles verloren, Ames." Hauche ich und sehe den Zorn aus seinen Augen weichen. „Ich weiß, verzeih mir meine Worte. Ich weiß, dass du viel durchgemacht hast und ich an vielem nicht unschuldig bin, doch du willst einfach nicht sehen, dass auch andere verloren haben. Du bist nicht die Einzige, die Schmerzen erlitten hat." Seine Stimme ist rau und verletzlich. 

Ich blicke in seine Augen und erkennen einen Ozean in ihnen. Ein Ozean, dessen stürmischen Wellen sich gelegt haben und trügerischer Ruhe platz machen. Bin ich wirklich so egozentrisch, wie er mich darstellt? Habe ich durch meinen eigenen Schmerz nicht den Schmerz der Anderen gesehen? 

Plötzlich komme ich mir lächerlich vor. Was erwarte ich von Ames? Das er sich verändert? Das hat er getan. Das er sich entschuldigt? Das hat er ebenfalls mehr als einmal getan. Dass er die Schmerzen spürt, die ich gespürt habe, als er mich verließ? Das hat er ebenfalls. Warum also mache ich es uns beiden so schwer. 

Karma kommtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt