Kapitel 16.

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Ames

„Warum?" Das Wort hängt zwischen uns in der Luft. Ich blicke ihr in die wunderschönen Augen und suche nach einer Antwort, nach eine Rechtfertigung. Doch ihr Blick nimmt mir jeglichen Wind aus den Segeln. Sie schaut mich so verletzt, so traurig an, dass ich kein Wort herausbekomme und mein Herz sich schmerzhaft zusammenzieht. 

Noch immer spüre ich ihre weiche Wange an meiner Hand und ihr Geruch bringt mich um meinen Verstand. Warum? Ich weiß es nicht. Ich schlucke und blicke in ihre silbergrünen Augen. In ihnen erkenne ich keinen Vorwurf, nur Schmerz und Verzweiflung und das tut mir weh. „Ich weiß es nicht." Hauche ich beschämt und schlage meine Augen nieder. Noch nie habe ich mich jemanden gebeugt, doch diese zierliche Gestalt schafft es mit einem einzigen Wort, mich zum Schweigen zu bringen. 

Ich sehe in ihren Auge Enttäuschung aufflackern. Wie ein Fisch windet sie sich in den silbergrünen Tiefen. „Ich wusste damals nicht, was ich tat und habe uns beide so sehr verletzt. Es tut mir wirklich leid, das ist ein Fehler, welchen ich nie wieder begehen werde." Sage ich, in der Hoffnung, sie etwas besänftigen zu können, doch das Gegenteil ist der Fall. 

Die Silbergrünen Augen verschließen ihre Emotionen vor mir und blicken mich kalt an. „Wenn du nur eine schwache Entschuldigung hast, dann bin ich hier wohl falsch. Ich weiß gar nicht, warum ich überhaupt in das Auto gestiegen bin." Knurrt sie und ehe ich sie stoppen kann, öffnet sie die Tür und gleitet in den Regen. Kurz bleibe ich erstarrt sitzen und beobachte, wie ihre schlanke Gestalt sich entfernt. 

Doch dann reiße ich die Tür auf und renne ihr hinter her. Sie darf nicht gehen. Ich kann sie nicht gehen lassen. Der Regen durchnässt mein gerade trocken gewordenes T-Shirt, doch ich habe nur Augen für meine Mate. Für meine tapfere, kleine Mate, welcher ich so viel Schmerz bereitet habe. „Alecta." Rufe ich, doch sie stapft einfach weiter. Ich rufe immer weiter ihren Namen, bis sie sich unvermittelt umdreht und mich anfunkelt. 

„Was?!" Knurrt sie und überrascht bleibe ich stehen. Verlegen fahre ich mir durch die Haare. „Ähmm, ich weiß nicht. Eigentlich habe ich die ganze Zeit deinen Namen gerufen und du hast mich ignoriert. Was jetzt kommt, habe ich nicht durchdacht." Gestehe ich und kurz blitzt etwas in den grünen Tiefen amüsiert auf, doch dann funkeln sie nur noch voller Zorn. 

„Wenn nichts ist, kann ich ja gehen." Knurrt sie und dreht sich um. Ich schnelle vor und fasse ihr Handgelenk. Mit Schwung drehe ich sie zu mir zurück, sodass sie gegen meine Brust knallt. Sie sträubt sich, doch ich halte sie eisern fest. Ernst blicke ich ihr in die Augen, welche überrascht geweitet sind. „Nein." Knurre ich besitzergreifend und halte sie weiterhin fest. „Ich lasse dich nicht gehen. Nicht noch einmal." Ich schlinge meine Arme um sie und drücke sie gegen mich. 

Tief atme ich ihren beruhigenden Geruch ein und schließe die Augen. „Ich brauch dich doch." Huscht es über meine Lippen, ehe ich die Worte zurückhalten kann. Langsam entspannt sich ihr angespannter Körper und ihre kleinen Hände fahren zu meiner Brust, um mich etwas wegzustoßen. Angst steigt in mir auf. Eine solche Angst, wie ich sie noch nie verspürt habe. „Schlag mich, schrei mich an, aber bitte, bitte verlass mich nicht." Hauche ich mit rauer Stimme und die Wut weicht einer Sanftheit, welche mir Hoffnung gibt. 

„Du hast mich so verletzt." Mein Herz krampft sich zusammen, als ich die ehrliche Trauer in ihren Augen erkenne. Sie tritt ein Schritt zurück und dreht sich um. „Alecta." Hauche ich und spüre etwas, was ich seit ich ein kleines Kind war, nicht mehr gespürt habe. Tränen. Meine Augen brennen und mein Sichtfeld verschwimmt. Ich keuche auf, als ein so heftiger Schmerz meinen Körper durchdringt. Er breitet sich in jeder Faser meines Körpers aus, als würde ich in Flammen stehen. 

Keuchend versuche ich Luft zu bekommen, doch es gelingt mir nicht. Mein Sichtfeld beginnt zu flimmern und ich krümme mich zusammen. Doch genauso plötzlich, wie der Schmerz gekommen ist, so schnell ist er wieder weg. Ich spüre eine angenehme Wärme. Zarte Hände haben sich auf meine Schultern gelegt und ein paar vorwitzige Strähnen kitzeln mich am Hals. Überall wo sie mich berührt, verschwinden die Schmerzen und haltsuchend klammere ich mich an sie. 

Ich kann ohne sie nicht mehr leben. Ich will ohne sie nicht mehr leben. „Bitte geh nicht." Hauche ich in ihr Ohr. Ihre Augen blicken mich unergründlich an und ich beginne die Hoffnung aufzugeben, als ein kleines Lächeln auf ihren Lippen erscheint. Ihre Hand fährt dorthin, wo mein Herz pocht. 

„Du hast die Schmerzen gespürt, nicht wahr?" Sagt sie mit einem Hauch Befriedigung und ich nicke. „Diese Schmerzen musste ich damals auch ertragen. Nur bist du nicht gekommen, um mir zu helfen." Ihre Stimme ist leise und geht beinahe in dem prasselnden Regen unter, welcher noch immer auf uns niederfällt. Eine Welle der Reue steigt in mir auf, bei dem Gedanken, was ich ihr angetan habe. Ich habe sie von mir gewiesen. Sie verletzt. 

Dabei hätte ich sie auf den Händen tragen sollen, als wäre sie das kostbarste auf der Welt. „Ich verstehe." Murmle ich und streiche ihr eine nasse Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich habe es wirklich begriffen. Davor habe ich mich dafür gehasst, sie fertig zu machen und sie abgelehnt zu haben. Doch jetzt verstehe ich erst, was für Schmerzen sie meinetwegen ertragen musste. Wie stark sie war, um das durchzustehen. 

Meine Hand fährt über ihre weiche Wange und kommt dort zur Ruhe. „Ich kann dich nicht bitten, mir zu verzeihen. Was ich dir angetan habe, ist unbeschreiblich. Aber ich kann dir zeigen, dass ich mich geändert habe und es wirklich aufrichtig bereue, dich abgewiesen und verletzt zu haben." Meine Stimme ist ernst und fest blicke ich in ihre Augen. Ich erkenne, wie sie zögert und mit sich kämpft, also lege ich auch meine zweite Hand an ihre Wange. „Bitte." Brumme ich und weiß, dass ich gewonnen habe. 

Ihre Schultern sacken nach unten und sie gibt sich geschlagen. „Na gut. Aber wir sollten dringend rein gehen, mir ist kalt." Sagt sie endlich und sofort machen sich Sorgen in mir breit. Ihre Lippen wirken tatsächlich leicht bläulich und ich verfluche mich, sie so lange in der Kälte gelassen zu haben. Eilig lege ich meinen Arm um sie und schiebe sie zu unserem Rudelhaus, um sie schnell ins Warme zubringen. 

Im Haus lege ich lauschend den Kopf zur Seite, doch es scheint niemand anderes da zu sein. Etwas verloren steht Alecta hinter mir und blickt sich mit großen Augen um. Doch sie scheint relativ entspannt zu sein, als sie sich an mir vorbeidrückt und durch die Zimmer schleicht. Ich lehne mich in den Türrahmen und beobachte meine Mate, wie sie gedankenverloren über die Sofalehne streicht. 

Abwesend streicht sie sich eine nasse Strähne aus dem Gesicht, als sie sich zu mir umdreht. „Es sieht noch genauso aus, wie vor drei Jahren." Murmelt sie und ich bin mir nicht sicher, ob sie glücklich oder traurig darüber ist. Das Schweigen dehnt sich zwischen uns aus. Ich betrachte sie und erst jetzt fällt mir auf, wie nass ihre Klamotten sind. 

Schon stehe ich neben ihr und fahre sanft über ihre Wange, welche erschreckend kalt ist. „Komm mit. Du solltest warm duschen und dir etwas Trockenes anziehen. Nicht das du noch krank wirst." Murmle ich besorgt und diese verwirrenden, silbergrünen Augen blicken zu mir hoch. 

Ich liebe diese Augen. Manchmal sind sie so voller Wut, dass ich am liebsten den Kopf einziehen würde, aber im nächsten Moment sind sie wiederum so unendlich sanft. „Du hast recht." Murmelt meine kleine Mate und wendet mit erröteten Wangen den Kopf ab. 

Ich schmunzle bei diesem niedlichen Anblick und mein Herz schlägt schneller. Ich werde meiner Mate beweisen, dass ich es wirklich und aufrichtig bereue, was ich ihr angetan habe. Ich werde ihr einen Grund geben, bei mir zu bleiben. Gehen lassen, werde ich sie nie wieder. 

Hey ihr Lieben,

in letzter Zeit habe ich immer mehr Votes und Follower erhalten, was mich mega freut :)

Schreibt mir  doch bitte, wenn ihr Kritik, Wünsche etc. habt, oder sagt einfach mal eure Meinung zu meinem Buch. Das würde mich mega freuen ;)

Bis zum nächsten Kapitel,

Calietha



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