Kapitel 12

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Ich habe meine Klamotten gegen meinen flauschigen Schlafanzug getauscht und schleiche nun auf Socken nach unten. Die Anderen höre ich im Wohnzimmer und langsam schleiche ich über den spiegelnden Marmor zu ihnen herüber. Im Türrahmen lehnend beobachte ich sie, wie sie Monopoly spielen. Scheinbar ist Amelia wieder dabei zu gewinnen, denn Sybilla beschuldigt sie mal wieder des Schummelns. „Meine Luna würde niemals mogeln. Sie ist einfach umwerfend." Ruft Ryder lachend und zieht seine Gefährtin dichter an sich. Vertraut lehnt Amelia sich gegen seine breite Schulter und beobachtet Emiliano, welcher mit würfeln dran ist. In mir drängt sich der Wunsch auf, mich umzudrehen und zu gehen. Ich will diese entspannte Atmosphäre nicht stören, doch mit meinen dunklen Erinnerungen alleine zu sein, verschafft mir eine Gänsehaut. Wiederwillig löse ich mich von dem Türrahmen und geselle mich zu den andern. Die Überraschung auf ihren Gesichtern ist klar erkennbar, auch wenn sie sie zu verbergen versuchen. „Komm, setzt dich zu uns. Ich habe für dich mitgespielt." Sagt Amelia mit einem warmen Lächeln und ich setzte mich zu ihr und Ryder auf das Sofa. „Du bist das Auto." Erklärt mir meine Luna und schiebt das Spielgeld und die Hauskarten zu mir. „Dankeschön." Sage ich ehrlich und lächle sie an. Mir ist bewusst, dass sie nicht für mich mitgespielt hat, sondern jetzt einfach gemeinsam mit Ryder spielt. Doch ihre Geste wärmt mir das Herz und ich fühle mich in ihrer Runde willkommen. „Verdammt." Schreit Sybilla und blickt wutentbrannt auf das Spielfeld. Sie ist auf einer meiner teuersten Straßen mit Hotels gelandet und muss sehr viel Geld bezahlen. „Nein, du kriegst mein Geld nicht." Empört sich die Schwarzhaarige und beginnt sich das Geld, welches zum Glück aus Esspapier besteht, in den Mund zu stopfen. Verzweifelt versucht Emiliano seine Gefährtin davon abzuhalten, während wir anderen in lautes Gelächter ausbrechen. „Nicht Liebling. Du verträgst das doch nicht so gut." Ruft er verzweifelt, doch kassiert er nur einen bösen Blick von seiner Gefährtin. „Und doch werde ich jetzt alles aufessen." Schnaubt sie und greift nach meinem Geld. Panisch versuche ich sie zu stoppen und stopfe nun meinerseits das Geld in mich herein. „Darauf warte ich schon so lange." Ruft Jack und beginnt begeistert, sich Emilianos Geld anzueignen. Schon entbrennt eine heftige Schlacht, wobei das meiste Esspapier zerbröselt und gar nicht die Chance erhält, gegessen zu werden. Irgendwann fällt Ryder nach hinten und keucht. „Das war genug Esspapier bis zum Ende meines Lebens." Sagt er und wir anderen stimmen ihm murmelnd zu. Zusammen liegen wir in den bröseligen Resten unseres Spielgeldes und sind einfach glücklich. Ich liege halb auf Amelia, welche mir ein zufriedenes Lächeln schenkt. Ich grinse und blicke über meine Rudelmitglieder, meine Freunde. Ich habe so ein Glück, sie zu haben und sollte es endlich zu lassen, dass sie über meine Vergangenheit Bescheid wissen. Ich richte mich auf und wische die Krümel von meinen Klamotten. „Ich bin eigentlich herunter gekommen, um mit euch zu reden." Gestehe ich und spiele nervös mit meinen Fingern. Aufmerksam setzten sich die Anderen auf und befreien sich von den Resten unseres Snacks. „Na endlich." Grummelt Sybilla und erhält einen Rippenstoß von ihrem Gefährten. Ich setzte mich auf das Sofa und ziehe die Füße an mich heran. Amelia setzt sich neben mich und legt einen Arm um meine Schultern. Stumpf blicke ich in die flackernden Flammen in unserem Kamin. Zaghaft lasse ich die dunklen Erinnerungen zu und atme tief ein, ehe ich beginne zu erzählen. „Es war ein wirklich schrecklicher Tag in der Schule. Ich hatte mich im Sekretariat krank gemeldet, um nach Hause gehen zu können..."

+++++++Flashback+++++++

Mit gesenktem Kopf schleiche ich durch die Stadt. Es ist ein heißer Tag und ich schwitze unerträglich. Wie gerne würde ich jetzt in meinem Bett liege und einen spannenden Krimi lesen. Meine rippen stechen und ich weiß, dass sich dort wieder blaue flecken gebildet haben, doch traue ich mich nicht, hier in der Öffentlichkeit nachzuschauen. Die kühleren Schatten unseres Waldes empfangen mich und ich wende mich von der Straße ab, um einen kleinen, schmalen Trampelpfad zu benutzen. Er ist eindeutig kürzer, als der lange Weg über die Straße. Stumpf blicke ich vor mich auf den Boden des Waldes. Wenn ich mich auf den Weg konzentriere, kann ich die Worte der anderen zurückdrängen. Endlich erreiche ich unser Haus und stoße das kleine Gartentor auf. Niemand ist zusehen und angestrengt krame ich nach meinem Schlüssel, um endlich in das Innere des Hauses und dann weiter in mein Zimmer zu gelangen. Nur dort bin ich sicher, vor den Monstern dieser Welt. Endlich kriege ich die Tür auf und trete ein. Meine Schuhe stelle ich ordentlich ins Regal und meinen Rucksack hänge ich an die Garderobe. Geräusche kommen aus der Küche. Es muss meine Mutter sein, da mein Vater für ein paar Tage mit dem Alpha verreist ist und mein Bruder ist mit unserem zukünftigen Alpha auf einem Ausflug. Ich hoffe, einfach an der Küche vorbeischleichen zu können, doch meine Mutter macht mir einen Strich durch die Richtung. „Alecta." Keift sie und ich zucke zusammen. Zaghaft trete ich zu ihr in die Küche, den Blick beschämt zu Boden gerichtet. Meine Mutter sieht aus, als wäre sie aus einer Zeitschrift für glückliche Familien entsprungen. Das goldblonde Haar ist zu einem eleganten Knoten nach oben gesteckt und ihre schlanke Gestalt steckt in einem hellgrünen Sommerkleid, welches ihre Kurven wunderbar betont. Sie ist um die vierzig und dennoch lässt sich kaum eine Falte erkennen. Nur ein paar kleinere Vertiefungen um ihre strahlendgrünen Augen, welche von ihrem vielen lachen herrühren. Doch nun steht sie mit verkniffenem Gesicht und dunklen Augen vor mir. Mich hat sie nie angelacht, oder war die perfekte Mutter aus der Zeitschrift. „Sieh mich an, wenn ich mit dir rede." herrscht sie mich an und zaghaft hebe ich den Blick. Abwertend schnalzt sie mit der Zunge. „Wie dreckig und furchtbar du mal wieder aussiehst. Warum kannst du nicht ein bisschen mehr wie ich sein?" Fragt sie verächtlich und wischt etwas über meine Wange, wahrscheinlich um den Dreck weg zu machen. Beschämt blicke ich wieder zu Boden. Meine Mutter wollte kein zweites Kind und hat dennoch mich bekommen. Doch entgegen ihrer Erwartung bin ich kein schlankes Supermodel von überirdische Schönheit, sondern ein dickes Kind, welches sich lieber mit einem Krimi in die Ecke verzieht und sich nichts aus irgendwelchen beauty-Sachen macht. „Warum bist du hier?" Fragt meine Mutter und wendet sich wieder ihrem Gebäck zu. Sie ist eine ausgezeichnete Bäckerin und ihre Kekse sind einfach himmlisch. Jeden Tag ist sie dabei irgendetwas zu backen, was nicht gerade zu einer Gewichtsabnahme meinerseits führt. „Mir ging es nicht gut." Murmle ich leise und sie verpasst mir einen schlag mit ihrem Kochlöffel. Schockiert über den Schmerz weiche ich zurück und fasse mir an den Hinterkopf, wo es unangenehm pocht. „Ich mag es nicht, wenn du brabbelst." Fährt sie mich an, ohne mich eines Blickes zu würdigen. „Es ist mir aber auch egal. Dein Vater hat heute Morgen Asche vor dem Kamin verstreut und ich kam noch nicht dazu, sie wegzufegen." Ich nicke und gehe los, um mir einen Besen aus der Kammer zu holen. Das gesamte Haus wird von einem großen Kamin gewärmt, welcher immer an ist. Egal ob Sommer oder Winter, das Feuer brennt. Mit gesenktem Kopf beginne ich, die verstreute Asche wegzufegen. Dabei stößt mein Schienbein gegen einen goldenen Schürhaken, welcher aus dem Feuer ragt. Mein Vater muss ihn dort wohl vergesse haben. Ich weiß, wie sehr meine Mutter diesen Schürhaken liebt. Er ist scheinbar schon länger im Familienbesitz und sollte sie ihn hier so im Feuer sehen, wird sie ausrasten. Ohne nachzudenken greife ich nach dem Eisen und hebe es hoch. Der Schmerz kommt erst viel zu spät in meinem Gehirn an und mit einem Aufschrei lasse ich den goldenen Haken fallen. Eilig puste ich auf meiner Hand, auf welcher sich ein breiter, roter Striemen abbildet. „Was ist passiert?" Ruft meine Mutter erschrocken und stürmt herein. Für einen kurzen Moment meine ich mütterliche Sorge in ihren Augen zu entdecken, doch die ist sofort wieder verschwunden, als sie ihren goldenen Schürhaken neben dem großen Brandloch im Teppich sieht. „Du dumme Göre." Knurrt sie und kommt drohend auf mich zu. Ängstlich drücke ich mich nach hinten. „Wie kannst du es wagen, diesen Schürhaken anzufassen und ihn auch noch fallen zu lassen?" bedrohlich steht sie vor mir und ich drücke meine Hand noch fester gegen meine Brust. „Er war schon im Feuer und ich wollte ihn rausholen. Aber er war so heiß." Bringe ich hervor und spüre die Tränen, welcher erneut ihren Weg über meine Wange suchen. Das ich überhaupt noch Tränen zum Vergießen habe, wundert mich. Ich schließe die Augen, um sie zurückzuhalten, als ein flammender Schmerz über meine Brust zieht. Schreiend reiße ich die Augen auf und weiche zurück, unfähig das Geschehene zu begreifen. In meinem Oberteil prangt ein Loch und der brennende Abdruck des Schürhakens macht sich auf meinem Brustbein sichtbar. Ich brauche kur, um zu begreifen, dass meine Mutter mich soeben mit dem Schürhaken gebrandmarkt hat. Sie trägt einen Ofenhandschuh und konnte so das heiße Eisen hochheben, um damit meine Haut zu versengen. Fassungslos blicke ich ihr in die leeren Augen. Tief in dem dunklen grün meine ich einen Funken Mitleid zu erkennen, welcher aber auch einfach eine Spiegelung meiner Selbst sein kann. Wortlos steckt meine Mutter das Eisen weg und dreht sich einfach um. Weinend halte ich meine Hand umklammert, mit dem Brandmal auf der Brust.

+++++++Flashback Ende+++++++

Ich merke, wie etwas Nasses auf meine Hand tropft. „Wenige Tage danach bin ich weggelaufen." Bringe ich hervor. Meine Stimme ist kalt und leer, doch fallen mir die Tränen auf die Hände. Mitfühlend schlingt Amelia ihre Arme um mich. „Es tut mir sehr leid." Murmelt sie und ich nicke nur leicht. „Sorge als Luna einfach dafür, dass niemand in unserem Rudel dieses Schicksal erdulden muss." Erwidere ich und sie nickt. „ich gehe dann mal nach oben. Mehr kann ich vorerst nicht erzählen. Ihr müsst mir etwas Zeit geben." Bitte ich meine Freunde, welche eilig nicken. „Ich habe drei Jahre gewartet, da kann ich noch etwas länger warten." Meint Ryder und ich schenke ihm ein dankbares Lächeln. Ihnen von diesem Ereignis zu erzählen, hat mich erleichtert. Es hat mir geholfen, diese Narben zu akzeptieren und zu überwinden. Mit etwas Zeit werde ich auch die Restlichen überwinden und meine Vergangenheit endgültig hinter mir lassen können. 

Hallo ihr Lieben,

da die Zahlen meiner Leser in den letzten Tagen stark zugenommen hat, habe ich beschlossen ein weiteres Kapitel hochzuladen. Wie immer hoffe ich sehr, dass es euch gefällt und freue mich über ein Feedback.

Bis zum nächsten Kapitel, Calietha



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