Der Brief

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Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war die Welt immer noch dunkel. Benni hatte sich nicht mehr gemeldet. Die neue Situation in unsere Beziehung zog mich runter. Zuvor hatten wir noch nie gestritten und dann noch so ein heftiger, wo wir uns angeschrien hatten. Bisher war alles perfekt gewesen. Selbstverständlich gehörte sowas dazu, aber ich konnte nicht einfach zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen. Benedikt war weit weg in Östersund und ich würde ihn nur per Mobiltelefon erreichen können. So heftig ich auch mit ihm reden wollte, blieb ich stur. Benni hatte meine Hilfe nicht annehmen wollen. Vielleicht hatte ich auch falsch angefangen und ihn nicht richtig erwischt. Jedoch war das noch lange kein Grund mich so anzumachen und noch anschreien zu müssen. Im Gegenteil ich interessierte mich für seinen Sport und wollte vollkommen daran teilhaben. Alle Seiten an ihm waren mir wichtig und das unterschied mich von Anna. Wahrscheinlich hatte ihn das einfach überfordert, dass sich aufeinmal jemand neben seiner Familie so für ihn und seinen Sport interessierte. All das hatte er nie mit seiner Ex-Freundin teilen können. Gerade deshalb hätte er auch etwas freundlicher reagieren können.


Anders als zuvor in meiner Beziehung mit Lucas redete ich mit meiner Mama und Jana über den ersten Streit mit meiner besseren Hälfte. Beide waren sich einig, dass er den ersten Schritt machen müsse. Sie sahen aber auch, dass es wichtig sei nicht ungeduldig zu werden und ihn in Ruhe nachdenken zu lassen. Ich hatte aber auch keine Quelle im Herren-Team, um mal nachzuhorchen, was er selber dachte. Nun musste ich geduldig sein, auch wenn ich Benni und unsere Gespräche sehr vermisste.

Die folgenden Tage bis zum Wochenende vergingen ohne jegliche Regung aus Schweden. Den Sprint am Samstag sah ich trotz allem gelassen entgehen. Er würde es schaffen zurückzufinden. Aber wie lange würde unsere Funkstille noch anhalten? Nach wie vor fiel mir das Einschlafen schwer und ich erwachte immer mit Bennis Namen auf meinen Lippen. Er war schon zu sehr Bestandteil meines Lebens geworden. Ohne ihn konnte ich es mir nicht mehr vorstellen!

Früh am Samstag wollte ich mit Penny eine Runde arbeiten, damit ich die Biathlon-Rennen verfolgen konnte. Gerade als ich mich in Pennys Sattel schwingen wollte, kam Mama in den Stall geeilt.

"Mama, was ist passiert?", fragte ich besorgt.

"Schatz, dieser große rote Strauß roter Rosen und dieser Brief worden eben für dich abgegeben..." Sie lächelte wissend.

"Glaubst du, dass er von Benni ist..." Ich war mir nicht ganz sicher.

"Öffne ihn.. dann wissen wir es", forderte sie mich auf.

Voller Neugierde öffnete ich den Umschlag vorsichtig. Bennis Handschrift fiel mir ins Auge. Nun war es um mich geschehen. Ich musste einfach wissen, was er geschrieben hatte.

"Mein Kleines,

ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Bei unserem Telefonat war ich nicht, ich selber. Es tut mir so unendlich Leid. Ich wollte dich nie so verletzen. Du wolltest mir helfen und mich aufbauen. Jedoch ist mir nichts besseres eingefallen und ich habe dich ausgeschlossen. Noch schlimmer habe ich mich vergessen und dich angeschrien. Bitte verzeih mir mein Verhalten! Ich gelobe Besserung und möchte einfach nur, dass wir miteinander reden. Caro, ich liebe dich. Leider kann ich nicht selber zu dir kommen und dich persönlich um Verzeihung bitten. Du stehst immer hinter mir und das habe ich nach dem Rennen nicht zu lassen wollen.

Ich vermisse dich sehr, Kleines. Meine Gedanken sind nur bei dir.

Bitte lass uns reden.

Dein sehr reumütiger Benni, der dich sehr liebt"

Er vermisste mich und wollte mit mir reden... Ich musste ihm schreiben. Freudentränen waren mir in die Augen getreten. Benedikt hatte einen süßen Brief geschrieben und wieder mal mein Herz berührt.

"Wie spät ist es?", fragte ich voller Aufregung. Ich musste Benni schreiben und ihn erlösen.

"Gleich halb elf."

Es war noch etwas Zeit ihn zu schreiben, bevor um halb eins das Rennen losgehen würde.

"Dann kann ich noch Benni schreiben und ihn erlösen. Mama, er hat sich so  entschuldigt und er vermisst mich sehr."

Voller Freude umarmte ich meine Mama. Benni und ich würden wieder miteinander reden!

Danach schnappte ich mir sofort mein Handy und öffnete Whats-App. Vor fünf Minuten war Benni zuletzt online gewesen.

"Benni, vielen lieben Dank für die Blumen und deinen Brief. Es ist alles gut. Es gibt nichts zu verzeihen. Ich liebe dich und ich vermisse dich auch sehr. Meine Gedanken waren die ganze Zeit bei dir! Nie werde ich an deinen Fähigkeiten als Biathlet zweifeln. Wir alle machen Fehler. Sie gehören zu uns und wir beiden zusammen schaffen alles. Gleich werde ich vor dem Fernseher sitzen und dich wieder anfeuern. Du kannst es, Benni... Lass uns heute nach dem Rennen in Ruhe reden. Du hast jetzt genug zu tun, bevor du zum Anschießen musst. Ich liebe dich, bitte vergiss das nicht! Egal, was auch immer kommen wird, mein Kämpfer", verfasste ich schnell eine Sprachnachricht.

Keine Minute später hörte sich Benni meine Nachricht an. Zu meiner großen Freude sah ich, dass er anfing eine Aufnahme zu starten.

"Bitte schön... es erschien mir besser als eine Nachricht per Whats-App. Ich bin sehr glücklich, dass du mir mein Verhalten verzeihst. So eine Behandlung hast du nicht verdient. In Zukunft wird alles besser werden. Du gibst mir so viel. Ja, es ist besser nach dem Rennen zu reden. Dann haben wir alle Zeit der Welt. Mein Kleines, ich liebe dich!!!!!!!!"

Jubelnd schwang ich mich auf Penny und begann umgehend mit der Arbeit. Benni und ich würden nachher endlich wieder telefonieren. Die Welt war wieder wunderschön!

Pünktlich zum Start war ich mit allem fertig und konnte das Rennen in vollen Zügen genießen. Anders wie am Mittwoch schaffte es Benni sich besser zu konzentrieren und seine Zweifel hinten anzustellen. Platz 5 am Ende mit 3 Schießfehlern war mehr als in Ordnung. Er hatte sich unter den Besten zurückgemeldet. Arnd war sogar Zweiter geworden.

Kurz vor vier Uhr ging das Telefon. Benni war gerade aus dem Stadion ins Hotel zurückgekommen. Dies hatte er mir noch geschrieben.

Nach dieser quälend langen Zeit sah ich endlich wieder seine wunderschönen blauen Augen. Benni strahlte mir entgangen und ich tat es ihm gleich.

"Benni..."

"Caro...."

Beide hatten wir gleichzeitig angefangen zu reden und musste nun schmunzeln.

"Ich freue mich sehr dich wiederzusehen... danke, dass du mir verzeihst..." Benni war kaum zu stoppen.

"Es ist alles gut... ich freue mich so sehr dir wieder in die Augen sehen zu können. Ich habe dich sehr vermisst", sagte ich.

Ich hatte meine Hand auf den Bildschirm gelegt und mein Freund legte seine darüber.

"Wie gerne würde ich dich jetzt in meine Arme schließen und dich sehr fest an mich drücken", sprach Benni sehnsüchtig.

"Wie gerne würde ich dich jetzt küssen und dein Gesicht berühren." Meine Sehnsucht war ebenso spürbar für ihn.

"Bald sind wir wiedervereint. Leider ist nach Östersund keine Zeit, um zu kommen. Wenn Hochfilzen nicht wäre..."

"Diese Wochen schaffen wir auch noch, weil wir jetzt noch mehr wissen, wie sehr wir aneinander hängen...", erwiderte ich.

"Das ist wahr... Ich liebe dich, Caro..."

Benni hatte mit seinen Händen ein Herz geformt und ich folgte ihm.

"Ich liebe dich auch, Benni."

Die erste kleine Krise in unserer Beziehung hatten wir hinter uns gebracht. Wir würden die letzten Wochen bis zu unserem Wiedersehen auch überstehen. Weihnachten war zum Glück nicht mehr weit.





Liebe auf der ÜberholspurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt