Die Frau an seiner Seite

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„Alles in allem", analysierte Jana. „klingt das nach keiner glücklichen Beziehung. Du hättest ihn ruhig mehr löchern können."

„Nein, hätte ich nicht. Ich kenne Benedikt Doll kein wenig und dann soll ich ihn wegen seiner Beziehung ausfragen und ihm womöglich auch noch Tipps geben", erwiderte ich etwas brüsk.

„Das verstehe ich ja auch, aber es hätte keine günstigere Gelegenheit geben können. Diese Harmonie und dieses Verstehen zwischen euch beiden... du hättest ihn und dich mal sehen sollen. Keine Sekunde hat euer Gespräch gestockt", versuchte sie die Situation zu entspannen.

Das Gleiche hatte ich gestern auch so empfunden. Aber er war vergeben, so schlecht seine Beziehung auch immer sein mochte.

Jana und ich machten uns gerade fertig für einen weiteren Tag im Stadion.

„Ich weiß, dass du es nur gut mit mir meinst." Ich nahm Jana in den Arm. „Du warst immer für dich da und willst nur mein bestes. Ich wollte nicht so schroff zu dir sein."

„Ach, alles halb so wild. Du solltest das nicht so eng sehen. Genieß einfach mal die Aufmerksamkeit. Wer weiß, was entstehen kann." Sie erwiderte die Umarmung.

„Heute ist der letzte Tag, danach werde ich ihn bestimmt nie wiedersehen." Bei dem Gedanken daran wurde mir etwas schwer.

„Sieh nicht zu schwarz. Im Leben sieht man sich immer mehrmals." Ihr Aufbauversuch half und ich versuchte ein wenig zu lächeln.

Einige Minuten später machten wir uns auf den Weg ins Stadion. Luise hatte uns unter ihrer Fittiche genommen. Im Massenstart würde die Thüringerin nicht antreten.

„Na ihr beiden, schön euch hier wiederzusehen." Erik kam grinsend auf uns zu. „Heute mal Frau Kunmer als Begleitung."

„Ja, Luise macht das gut." Wir drei fingen alle an zu lachen.

„Das hoffe ich doch mal", sagte Luise.

„Bei euch geht es ja voll ab."

Benni war zu uns getreten. Sein Lächeln war breit. Mein Herz schlug wieder schneller. Neben ihm her ging eine blonde, hochgewachsene Frau mit blauen Augen. Das musste seine Freundin sein. Sie gingen aber nicht in Hand in Hand.

„Ja, bei uns geht immer die Post ab." Jana hatte meinen Gesichtsausdruck gesehen.

„Ihr seid auch Biathlon-Fans." Die Blonde musterte Jana und mich von oben bis unten. Ich war so anders wie sie. Mindestens 15 cm kleiner war ich. Dann noch meine Brille und meine grün/braunen Augen. Ich war nicht dick, aber Benins Freundin hatte Modelmaße. Da konnte ich mich mit meinem 53 Kilogramm nur dick gegen fühlen.

„Ja, das wir." Ich hatte meine Stimme wiedergefunden.

„Caro, Jana, das ist meine Freundin Anna."

Ich streckte ihr meine Hand entgegen. Nachsagen lassen wollte ich mir nicht.

„Anna, das sind Caro und Jana. Meine Freundin ist gestern Abend erst angekommen."

Den letzten Satz hatte Benni an mich gerichtet.

„Ja, es ließ sich leider nicht vorher einrichten. Die Werbeagentur meines Vaters hatte gestern noch ein wichtiges Meeting in Berlin. Da habe ich mir gedacht, ich schaue mal beim Biathlon vorbei. Normalerweise bin ich nicht oft an der Strecke..."

Anna strich sich durch ihr Haar. Was für eine aufgeblasene Ziege?

„Bist du kein Anhänger von Biathlon?", fragte Jana geradeheraus.

„Nein, ich kann dem nicht viel abgewinnen. Aber ewig wird Benedikt bestimmt nicht laufen", sagte Blondie.

Du meine Güte! Bennis Freundin war ein Drachen. Was fand er nur an ihr?!

„Ich werde noch ein paar Jahre laufen und die Entscheidung treffe immer noch ich", konterte Benni.

„Papa sagt, du könntest jederzeit in der Agentur anfangen."

„Anna, ich laufe solange ich es körperlich kann und ich meine mithalten zu können. Ich stehe erst am Anfang im Weltcup." Benni wurde leicht wütend.

„Schatz, wir werden es bei Gelegenheit noch mal besprechen.." Anna ließ nicht nach.

„Ja, aber nicht heute.. ich muss zum Wachser. Bis nachher, Ladies. Erik...", sprach er und verschwand mit Erik Richtung Wachstruck.

Anna ging auch weg. Jana, Luise und ich blickten uns schockiert an.

„Das ist ja eine Nette", sprach ich es aus.

„Anna ist sehr von sich eingenommen. Benni sollte sich besser von ihr trennen. Aber er schätzt Treue über alles. Vielleicht ist bald der Punkt gekommen, wo er sie endlich abschließen wird", sagte Luise.

„Seit wann sind die beiden zusammen?", fragte Jana.

„Seit gut anderthalb Jahren. Sie wohnen nicht zusammen." Luise ging weiter. Jana und ich folgten ihr.

„Wie kommt Benni denn an so eine?", fragte ich.

„Es war eine Veranstaltung an Bennis Hochschule. Annas Vater hat die beiden bekannt gemacht. Sie übernimmt die Agentur eines Tages", erzählte Luise.

Na super, eine wirklich nette Persönlichkeit diese Anna. Benedikt hatte eine bessere Freundin verdient. Sie musste doch hinter ihm stehen! Liebe war das für mich nicht!

Nach dem wir wieder auf unseren Plätzen in der Loge saßen, kam Jana direkt zum Thema: „So eine schlimme Person."

„Schlimmer geht gar nicht mehr..." Ich hätte mich in Rage reden können, aber nicht hier vor allem Leuten. Nachher tauchte Madame auch noch auf und bekam mit, wie ich über sie dachte. Ich hatte kein Anrecht über diese Beziehung zu urteilen. Es war Benedikts Leben, aber er verdiente so viel mehr als das!

„Benni war kurz vorm Platzen..." Jana grinste in sich hinein.

„Will die über sein Leben bestimmen. Meine Güte..sie soll zu ihm und seinem Sport stehen... das hat doch keine Zukunft." Ich schüttelte heftig mit dem Kopf.

„Mal schauen, was sich noch so entwickeln wird. Aber wir sitzen in der ersten Reihe und verfolgen das Schauspiel." Das Grinsen ging ihr nicht aus dem Gesicht.

„Vielleicht wird er eines Tages wach. Ich wünsche ihm nur das Allerbeste."

„Ach bitte, Caro....Benni und du..Liebe auf den ersten Blick für mich." Sie kniff mich in die Seite.

„Jana, hör auf mich mit Benni verkuppeln zu wollen. Er hat nichts getan..", setzte ich an.

„Doch das mit deiner Hand und die Blicke zwischen euch beiden..oh... ein gewaltiges Knistern.."

Ich versuchte sie unter ihrem Arm zu kitzeln.

„Nein, Caro, ignoriere nicht die Zeichen der Zeit", erwiderte sie hartnäckig.

„Nach dem Rennen fahren viele schon nach Ruhpolding....", sprach ich meine Zweifel aus.

„Wer hat gesagt, dass Benni das macht?", fragte Jana.

„Keiner, aber seine Freundin ist hier. Ich werde mich nicht von ihm verabschieden können."

„Wenn man will, kann man alles erreichen. Warte mal nach dem Rennen ab." Sie sprach mir Mut zu. „Er wollte eben noch was sagen, aber dann ging Anna so ab...."

„Zu mir?"unterbrach ich sie.

„Sein Blick war eindeutig auf dich gerichtet, du Schaf. Caro, das wird nicht das Ende gewesen sein." Jana strich über meinen Rücken.

„Warum muss alles im Leben immer nur so kompliziert sein?", murmelte ich.

„Damit es spannend bleibt", ergriff meine beste Freundin meinen Gedanken.

Es nützte nichts, ich würde mich überraschen lassen müssen und durfte nicht alles zu schwarz sehen. Genug Möglichkeiten zum Tschüs sagen würden sich ergeben können.

Liebe auf der ÜberholspurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt