Schrecksekunden am Birx

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"Da habe ich meine Motivatorin wieder mit dabei. Du hast schon was gefehlt an der Strecke." Andreas Stitzl grinste mich von der Seite an. "Wir sind froh, dass du da bist...nein, im Ernst. Das tut Benni unheimlich gut. Auch wenn es gestern im Sprint nicht so geklappt hat. Mark und ich glauben an ihn. Er wird wieder zurück zu seiner alten Stärke finden."

Andi und ich standen beim Anstieg vom Birx. Hier ging es sehr hart zu und man konnte die Athleten sehr gut beim Anstieg beobachten.

"Ich fand ihn gestern trotz der fünf Fehler aus dem Sprint sehr entspannt. Zum Glück kann er noch den Verfolger heute laufen. Benni hat ja nichts zu verlieren", gab ich zurück.

"Das ist richtig. Er kann nur gewinnen. Von 44 kann man noch weit nach vorne kommen. 2,13 nach vorne ist zwar viel, aber Top 20 ist noch drin." Andi sah mich aufmunternd an.

Es tat mehr als gut diese Worte vom deutschen Co-Trainer der Männer zu hören.

"Gleich kommen sie zum ersten Mal hoch...", unterbrach ich unsere Analyse.

Unten im Stadion war schon der Startschuss gefallen. Keine drei Minuten später waren die ersten Biathleten schon bei uns unter ihnen Erik, Arnd und Simon zusammen mit Fourcade. Zusamen mit Andreas gab ich ordentlich Gas bei den Jungs. Noch mehr natürlich als Benni zwei Minuten später den Berg erklomm. In seiner unnachahmlichen Art zu laufen war es ein leichtes ihn unter allen anderen Läufern auszumachen.

"Carolin, ihr werdet es hinbekommen. Sei dir gewiss... wir als Team stehen geschlossen hinter euch." Ein Blick in die Augen des Bayern genügten, um zu sehen, dass er es ernst meinte.

"Ich danke euch unheimlich, vor allem Mark und dir...", wollte ich ansetzen.

"Warte mal kurz.. ich bekomme gerade einen Funk vom Reiter Tobi..."Er wandte sich kurz ab und sprach hastig in sein Funkgerät. "Ja, Tobi... ich höre dich... was sagst du da? Benedikt ist gestürzt..."

"Oh nein..." Ich bekam Panik. War Lucas an der Strecke? Hatte sich Benedikt verletzt?

"Caro, bitte warte..." Andreas hielt mich zurück. "Tobi, was ist genau passiert..."

Ich wartete voll angespannt neben Andi. Leider war ich am falschen Ende von dem Funkgerät.

Meine Angst stieg ins unermessliche.

"Ok, das hört sich gut an... er steht und er fährt wieder.. Gewehr nicht beschädigt... Werde das an Mark weiterfunken. Zuerst möchte ich aber die junge Dame neben mir beruhigen. Bis nachher, Tobi... weiterhin Hals - und Beinbruch..."

Benedikt stand - was für ein Glück. Eine ganz schwere Last fiel von mir ab.

Andi unterbrach die Verbindung.

"Caro, Benni steht. Er hat in einer Kurve nicht den Schwung rechtszeitig rausgenommen, ist dann auf dem Po gelandet und ein paar Meter gerutscht. Am Ende der Abfahrt ist er wieder aufgestanden und ist ein bisschen durchs Gelände gefahren. Er läuft normal und hat Tobi ein Zeichen gegegben, dass alles in Ordnung ist. Wahrscheinlich wird er nur einen kleinen Schrecken haben, aber sonst geht es unserer Rennsemmel mehr als gut."

"Ich bin so erleichtert." Ich konnte wieder lächeln. Andreas nahm mich kurz in den Arm.

"Benni und du... warte, gleich kommt er rauf und dann kannst du ihn anfeuern. Er hat null Fehler geschhossen. Aufholjagd kann also weitergehen." Andreas schüttelte lächelnd seinen Kopf.

Zwei Minuten später kam mein Verlobter kerngesund den Birx-Stieg hochgelaufen.

"Komm Benni, weiter geht es ... du machst das super. Weiter so. Zeig es ihnen, Rennsemmel", schrie ich ihn an.

Kurz vor Ende des Verfolgers machte ich mich auf dem Weg in den Zielbereich, um Benni dort in Empfang zu nehmen.

Maren und Vanessa hatten sich zu mir gesellt und wir standen gemeinsam an der Bande. Im Anschluss würden die Damen ihren Verfolger in Angriff nehmen.

Als erster deutscher Mann traf Arnd im Ziel als Zweiter hinter Martin Fourcade ein. Der Franzose hatte wieder einmal gewonnen.

Knapp zwei Minuen später kam Benedikt als 24. ins Ziel. Er hatte zwanzig Plätze im Vergleich zum Sprint gut gemacht. Sein unmittelbar erster Weg, nachdem er seine Skier ausgezogen hatte, führte hinter die Bande. Er lief normal und humpelte kein bisschen. Nun hielt mich nichts mehr bei den Mädels und ich rannte zu Benni. Dieser sah mich lächelnd an und gab seine Skier kurz einem deutschen Betreuer, ehe er mich fest an sich drückte.

"Kleines..."

"Benni, geht es dir gut?", fragte ich unmittelbar.

"Ja, Caro, ich habe nichts bei dem Sturz abbekommen." Er grinste mich an.

"Du hast mir einen Riesenschrecken eingejagt", gab ich unumwunden zu.

"Das dachte ich mir schon. Zum Glück war Andi bei dir und konnte dich direkt beruhigen.."

Ich konnte jetzt einfach nicht anders und gab Benni einen langen zärtliche Kuss.

"Das ist ja deine geheimnisvolle Verlobte", sagte eine Stimme auf Englisch.

Benni und ich sahen uns beide gleichzeitig um. Martin Fourcade beobachtete uns von der Seite und streckte mir seine Hand entgegen.

"Hallo Martin", erwiderte ich perplex auf Englisch. "Ich heiße Carolin.."

Wir schüttelten uns kurz die Hände.

"Carolin  ist ein schöner Name...Benni schwärmt immer von dir... man bekommt ja einiges mit auch bei uns Athleten.. gute Wahl, Benedikt. Eine kleine Schönheit", sagte Martin unvermittelt.

Ich lief ein wenig rot an. Ein Kompliment von Martin Fourcade.

"Danke schön, Martin", erwiderte ich auf Englisch zu Fourcade.

"Tja Martin, jetzt kennst du sie...Ich bin sehr froh sie zu  haben und ich werde sie nie wieder hergeben", sagte Benni. Mein Verlobter hatte seinen Arm um meine Schulter gelegt.

"Ich wünsche euch alles Gute und bleibt so wie jetzt miteinander. Das ist unheimlich wichtig. Kenne ich von meiner Freundin und mir auch nicht anders." Martin nickte uns nochmal zu, bevor er ging, um seinen Interview-Marathon zu starten.

Benedikt und ich sahen uns verwundert an und grinsten uns dann einen ab. Der große Martin Fourcade hatte uns gratuliert. Der Franzose hatte einen symphatischen Eindruck hinterlassen. Ganz anders als wie er sonst manchmal im Fernsehen gewirkt hatte.

Das Wochenende von Oberhof endete sehr positiv. Im Massenstart schlugen Simon und Erik Martin Fourcade im Zielsprint. Simon gewann das Rennen. Zu meiner großen Freude konnte Benedikt Platz sechs erringen. Am Abend gab es noch eine kleiner Feier im Kreise der Mannschaft. Am Montag fuhr ich über Köln, wo ich Penny bei meinen Eltern abholte wieder nach Furtwangen. Benni würde noch zwei Wochen unterwegs sein, ehe ich ihn wiedersah. Die letzten Wochen hatten wir sehr intensiv für uns beide nutzen können. Benni war wieder vollkommen der Alte und wir beide waren voll bereit für alles, was nun auf uns zukommen sollte.


Liebe auf der ÜberholspurWo Geschichten leben. Entdecke jetzt