Kapitel 14

389 18 0
                                    

Liv P.o.v.
Es ist schon spät abends und Angel und ich sind eben erst zurück zum Hauptquartier gekommen, da wir noch ein paar Aufträge zu erledigen hatten. Wegen dieser Aufträge muss ich nun auch das Blut von meinem Motorrad wischen. Der Typ hat echt gedacht, er könnte meine Maschine klauen und abhauen! Ich hab ihm mehrere Kugeln in den Körper gejagt und Angel hat ihm, obwohl er so auch gestorben wäre, nochmal die Kehle durchgeschnitten und so kam dann das Blut an mein Motorrad.
Auf jeden Fall muss ich das jetzt wegwischen, da es wirklich nicht schön aussieht und das schwarz von meinem Baby wieder sauber glänzen soll.
Energisch schrubbe ich mit einem Lappen das getrocknete Blut ab, während 'Black Death' langsam von hinten an mich herantritt.
Natürlich weiß ich, dass er kommt, ich bemerke alles um mich herum, egal ob ich es sehen kann oder nicht. Darauf bin ich trainiert worden im letzten Monat. Und ich denke, dass er genau weiß, dass ich ihn bemerke. Und vielleicht will er das auch gerade. Jedoch lasse ich ihn unbeachtet und schrubbe weiter.
Ich weiß nicht, was er in letzter Zeit hat, dass er mich so oft alleine aufsucht, aber ich ahne, was das zu bedeuten haben könnte. Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt. Vor allem, da Fynn und meine Freunde in mir etwas ausgelöst haben, was mich ein wenig verwirrt, da ich es nicht einordnen kann.
Er bleibt dicht hinter mir stehen, weshalb ich mich aufrichte und über die Schulter schaue. Dabei bemerke ich, dass er noch dichter steht, als ich gedacht habe. Ein wenig zu dicht vielleicht, doch, wenn man nichts fühlt, stört es einen relativ wenig.
"Ein neuer Auftrag?", will ich wissen. Auf seinen relativ vollen Lippen zeichnet sich ein Lächeln ab, während er mit leiser und rauher, aber dennoch fester Stimme antwortet: "Nein, kein neuer Auftrag für heute! Ich wollte dir lediglich sagen, dass ich stolz auf dich bin. Du bist eine sehr gute Kämpferin. Du lernst sehr schnell und bist durchaus diszipliniert. Das ist gut."
"Ich weiß.", erwidere ich nur neutral, "Das musst du mir nicht sagen." Er lacht nur und, als ich mein Motorrad weiter polieren will, hält er meinen Arm fest und dreht mich zu sich herum. "Liv, hast du heute bei deinen 'Freunden' irgendetwas gefühlt? Haben sie in dir irgendeine Reaktion ausgelöst?", fragt er und sieht mich forschend an. Ich halte seinem Blick fest stand und starre ihn kalt an: "Nein, ich habe nichts gefühlt. Wozu sollte ich auch was fühlen? Gefühle sind nur Hindernisse für den Verstand."
Schneller als ich es registriere greift er mit seiner Hand nach meiner Wange und legt seine Lippen auf meine. Erschrocken bin ich nicht, nur ein wenig überrascht, doch ich tue auch nichts dagegen. Er bewegt seinen Mund auf meinem und ich tue es ihm gleich. Mir ist es gleichgültig, dass ich mitmache, allerdings ist da etwas, ein ganz winziger Teil, in mir, der mir sagt, dass das hier nicht richtig ist, doch ich verleihe ihm keine Bedeutung.
Nach einer Weile löst er sich von mir und lächelt schief: "Ich bin beeindruckt! Meine Arbeit war wohl ein voller Erfolg! Schlaf gut, Liebes, morgen brauchst du wieder all deine Kräfte!" Mit diesen Worten geht er davon und ich fahre einfach so mit meiner unterbrochenen Tätigkeit fort, als wäre nichts gewesen.

Angel P.o.v.
Ich bin gerade auf dem Weg in die Garage, um zu sehen, wie weit Liv ist, als ich plötzlich Stimmen höre. Mike und Liv unterhalten sich anscheinend und ich weiß auch schon, was gleich passieren wird. Genau dieses Gespräch hatte ich vor 2 Jahren mit Mike und ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern gewesen.
Leise schleiche ich mich zum Eingang und lehne mich an den Türrahmen, um das Schauspiel nicht zu verpassen.
Mike ist gerade dabei sie zu küssen und ich muss grinsen.
Nachdem Mike dann mit einem kurzen Zwinkern zu mir die Garage verlassen hat, gehe ich auf Liv zu. "Da wird der arme Fynni aber sauer werden, wenn er das erfährt, was?", spielerisch sehe ich sie an und lehne mich auf ihr Motorrad, das nun wieder auf Hochglanz poliert ist. Sie räumt die Lappen beiseite und meint nur, ohne auf meine Provokation einzugehen: "Ich bin fertig, haben wir noch irgendwas vor heut Abend oder kann ich mich hinlegen?"
Ich lache: "Okay, okay, ich hab kapiert, dass ich dich nicht provozieren kann! Ich wollte dir nur sagen, dass du jetzt frei hast."

Dom P.o.v.
Ein weiterer Abend, an dem wir zusammen im Wohnzimmer sitzen und Livs Fehlen schmerzlich bemerken. Es fehlt immer irgendetwas, wenn unsere Familie nicht vollständig ist. Brian und Mia besprechen gerade, wann Mia morgen mit ihren Kindern zurückkehrt, weil es für sie hier viel zu gefährlich ist. Letty ist nebenand und redet mit Shaw, wie wir Liv und die schwarze Armee aufspüren können, um sie zu retten und wieder nach Hause zu bringen.
Fynn hat sich erstaunlicherweise zu uns gesetzt, doch er sitzt Sessel wie leblos, mit glasigen Augen auf den Boden starrend. Je länger ich ihn in diesem Zustand seh, desto mehr wird mir klar, dass er Liv wirklich schon aufgegeben hat, was eigentlich nicht passieren darf! Wir müssen Liv nicht nur so schnell wie möglich zurückholen, damit unsere Familie wieser vollständig ist, wir müssen sie zurückholen, um Fynn zu retten, sonst stürzt er so tief ab, dass er aus dem Loch, in dem er festhängt nicht mehr rauskommt.
Ich sitze gerade auf der Couch, nippe lustlos an meinem Bier und versuche wenigstens für kurze Zeit einen klaren Kopf zu bekommen. Die ganze Zeit strengen wir uns an, Liv zu finden, sodass ich mehr als ausgelaugt bin. Schlaf findet im Moment niemand von uns wirklich viel. Wir alle denken viel zu viel an Liv und die schwarze Armee und die Gefahr, in der sie schwebt. Und natürlich an Fynn, dessen Zustand von Minute zu Minute schlechter scheint. Er hat aufgehört zu essen und hortet nun Vodka-Flaschen in seinem Zimmer, um irgendwie mit der aussichtslosen Situation fertig zu werden.
Wir haben ihm schon oft genug gesagt, dass er sich nicht selbst zerstören darf deswegen, doch was kann man tun, wenn ein Mensch keinen anderen Ausweg aus dem Schmerz mehr sieht und er nichts, was man ihm sagt, aufnehmen kann? Gar nichts. Man kann nur versuchen, die Ursache des Schmerzes zu beseitigen, aber das erweist sich als sehr schwierig. Vor allem stellt sich die Frage: Selbst wenn wir Liv morgen schon nach Hause bringen könnten, wie könnten wir sie dann dazu bringen, wieder etwas zu fühlen? Wieder sie selbst zu sein?

Prison-Limitless Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt