Stellte sich heraus, das Kathi recht hatte. Wie so oft. Denn ich trug den Jumpsuit. Ich fühlte mich nackt und verletzlich, doch sie hatte mir erlaubt eine bordeauxrote Jacke über zuziehen, die ich mit einem schwarzen Gürtel in der Taille fixierte. Die große, glitzernde Gürtelschnalle passte perfekt zu meinem Outfit und die schwarzen Stiefeletten komplettierten es nur.
Kathi hatte es sich auch nicht nehmen lassen, mir die volle Dröhnung Locken zu verpassen und mich zu Schminken. Der rote Lippenstift hatte die gleiche Farbe wie die Jacke. Ich sah gut aus. Aber irgendwie wie jemand anderes. Ich fühlte mich verkleidet. Doch ich glaubte das dies Kathis Versuch war es wieder gut zu machen, was auf der Party passiert war. Wobei es für mich da nichts gab, was sie hätte gut machen müssen.
Ich stieg aus meinem Wagen und folgte Kathi, verschränkte aber die Arme vor der Brust, um wenigstens ein wenig das Gefühl zu haben mich zu bedecken.
Der Kies knirschte unter unseren Füßen und es überraschte mich nicht, dass ich schon hier draußen einigen Leuten vorgestellt wurde. Eine Gruppe kannte Kathi aus der Grundschule, eine weitere kam vom Fußballverein ihres Bruders. Die nächste Gruppe aus der Oberschule. Schnell verlor ich den Überblick, doch ich lächelte freundlich. Ich erwartete schon fast, dass wir uns an eine der Gruppen hängen würden und ich war an sich okay damit. Aber es fiel mir schwer mit neuen Leuten klar zu kommen. Ich war aufgeschlossen aber es machte mich nervös.
Doch Kathi begrüßte alle freundlich und zog mit mir weiter, bis wir den Eingang erreicht hatten. Selbst den Türsteher kannte sie und begrüßte ihn mit einem sanften Kuss auf die Wange. Dann betraten wir das Lupo. Es war dunkel und schummrig, wie jeder Club es wohl war. Die Musik war laut und der Bass vibrierte. Die Luft war stickig und wurde von Nebel durchzogen der ein seltsam künstlichen Geruch hatte. Bunte Lichtblitze zuckten durch mein Sichtfeld.
Kathi hielt meine Hand, drehte sich zu mir herum und lächelte so herzlich, dass ich nichts dagegen tun konnte auch zu Lächeln. Bereitwillig folgte ich ihr zur Bar. Doch wir hatten schon abgeklärt, dass ich nicht trinken würde. Mein Auto stand immerhin vor der Tür und ich würde erst sie dann mich nach Hause fahren. Nüchtern natürlich.
Sie reichte mir eine kleine Flasche Wasser, die sie vom Barkeeper bekommen hatte und kippte sich selbst erst einen Tequila und dann einen Vodka Lemon runter.
Wenn sie so anfing würde sie wohl heute bei mir schlafen. Nun dann müsste ich immerhin nicht noch zu ihr fahren. Kathi zerrte mich auf die Tanzfläche und begann wild zu tanzen. Ich lachte über die Musik. Es waren Lieder aus den 80er und 90er die zusammen mit hämmernden Beats aufwarteten. Alle Menschen hier drin grölten die Lieder mit und schon bald stieg ich mit ein. Es war lange her seitdem ich mich so frei gefühlt hatte. Etwa gegen halb eins kamen die ersten Männer an und begannen heftig mit Kathi zu flirten. Was weder sie noch mich störte. Denn ich tanzte und behielt sie dabei im Auge. Doch sie mochte die Aufmerksamkeit und ich lachte jedes Mal auf, wenn sie ihre Haare über die Schulter strich.
Um kurz nach zwei hatte sie sich von den Männern gelöst und kam wieder auf mich zu. Griff nach meiner Hand und tanzte mit mir zu She's like the wind. Dramatisch performte Kathi ihre Darbietung mit all dem Herzschmerz der in ihr steckte und Lachte dann als das Lied zu ende war. Es folgten einige ähnliche Darbietungen bevor Kathi so betrunken war, dass sie kaum noch laufen konnte.
Gerade als wir das Lupo verließen sang Kathi noch aus vollem Halse. "I had the time oft my life. I never felt this way befoooore." Wir stolperten zum Wagen. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bevor ich sie endlich im Auto hatte. Eine weitere Ewigkeit braucht ich um sie anzuschnallen. Denn das Geräusch fand Kathi so lustig, dass sie sich immer wieder abschnallte.
Ich sank erleichtert in den Sitz als ich endlich auf der Fahrerseite einstieg, den Zündschlüssel einsteckte und drehte. Kathi kicherte laut, dann brabbelte sie etwas und kicherte wieder.
Ich drehte den Schlüssel nochmal. "Scheiße." Fluchte ich leise, drehte den Schlüssel aber nochmal. "Scheiße sagt man nicht. Scheiße macht man." Rief Kathi und lachte los.
Es war kurz vor vier. Ich würde Kathi hier niemals alleine wegbekommen können. Und mit ihr zu laufen, würde nicht funktionieren. Sie hasste es zu laufen. Sie würde sich irgendwann einfach auf den Boden setzen und anfangen zu weinen, das kannte ich schon.
"Wie viel Geld hast du noch?" Fragte ich und rechnete aus, was ein Taxi kosten würde. Sie zuckte mit den Schultern. Dann reichte sie mir ihre Tasche und lehnte sich zurück. In den nächsten zehn Minuten wäre sie eingeschlafen. Auch das kannte ich. "Weißt du, Marie, du bist die beste Freundin die ich je hatte. Nicht so wie Nathalie. Du bist viel besser." Flüsterte sie, bevor sie wegdämmerte. Belustigt griff ich nach ihrem kleinen Portemonnaie, doch sie hatte genauso viel Bargeld wie ich. Nämlich nichts. "Ach Mist."
Ich würde laufen können. Es waren nur vier oder fünf Kilometer. Doch Kathi würde ich nicht mitschleppen können. Und bis zur ihr waren es mehr als zehn Kilometer. Gerade als mir die Ideen ausgingen klingelte ihr Handy. Micha.
Ohne Zögern hob ich ab. "Hey, Trine." Begrüßte er mich, oder Kathie, wie auch immer. "Hey, Micha." Sagte ich und hoffte er würde meine Stimme erkennen. "Ich bin es..." Er unterbrach mich. "Hab ich gemerkt. Wo ist meine Schwester? Knutscht die wieder mit irgendeinem Typen?" Wollte er resigniert wissen. Ich schnaubte. Das war etwas gemein. "Nein, sie sitzt neben mir." Sagte ich schroff, als müsste ich sie verteidigen. "Und warum kann sie nicht selbst an ihr Telefon gehen?" Fragte er mich und ich verzog das Gesicht. "Sie ist eingeschlafen." Zerknautscht legte ich mir meine nächsten Worte zurecht. "Sie ist betrunken auf meinem Beifahrersitz eingeschlafen und meine Karre springt nicht an." Er machte ein knurrendes Geräusch. "Wo bist du jetzt?" Hakte er nach und ich verzog wieder das Gesicht. Warum musste ich immer ihn um Hilfe fragen? "Vorm Lupo." Gab ich zähneknirschend zu. Es nervte mich. Das alles nervte mich gewaltig. "Ich würde einfach nach Hause laufen, aber Kathi packt das nicht." Fügte ich hinzu. Es war nicht fair Kathi irgendwie die Schuld zuzuschieben. Doch ganz ehrlich es war ja die Wahrheit. "Ich mach mich gleich auf den Weg." Erklärte er und ich lächelte geschlagen. "Bewege dich nicht vom Fleck." Fügte er hinzu, bevor er auflegte. Ich hasste das wirklich. Blödes Auto. Blödes Lupo. Blödes Mariechen.
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Will you be my Secret
RomanceMarie dachte immer sowas passiert einem nicht. Nicht ihr jedenfalls. Wie soll man darüber schon hinwegkommen? Gar nicht, oder? Naja jedenfalls nicht wenn man dauernd darüber redet und darüber nachdenkt. Ein Jahr später läuft ihr Leben recht gut. Si...