Ich stöhnte. Mein Körper vibrierte. Alles tat weh und war gleichzeitig schwerelos. Seine Berührungen fühlten sich an als wäre sie tonnenschwer und waren gleichzeitig federleicht. Und seine Zunge. Davon wollte ich gar nicht erst anfangen.
Micha legte sich neben mich, noch immer hatte er seine Boxershorts an und wenn ich nicht völlig fertig gewesen wäre, hätte ich ihn gefragt, warum. Doch meine Gedanken waren noch immer am kreiseln.
Er leckte sich über die Lippen und schob sich an mich. Seine Nähe fühlte sich so gut an. Doch auf seinem Gesicht verblasste das sanfte Lächeln immer mehr. Ich sträubte mich dagegen aber auch mich holte die Realität ein und das was wir gerade getan hatten. Was er mit mir getan hatte. "Hör auf." Flüsterte ich leise, wollte nur noch ein paar Minuten so tun, als wäre das hier nicht die bescheuerte Situation, die sie nun mal war.
"Womit?" Fragte er und fuhr sich über die Augen. "Gib mir noch ein paar Minuten, um das zu genießen, bitte!" Bat ich ihn. Ich war noch nicht bereit. Wollte auch gar nicht bereit sein.
"Und danach?" Hakte er nach. Er setzte sich auf und drehte sich von mir weg. Schnappte sich seine Jeans, stand auf und zog sie über. Dann würden wir wohl jetzt darüber sprechen.
"Okay, dann also jetzt." Er sah mich an und runzelte die Stirn. "Jetzt was?" Er klang wütend. "Bist du wütend auf mich?" Fragte ich perplex. Ich bereute es nicht. Doch er schon. Offensichtlich. "Ich... Nein. Ich bin nicht wütend auf dich. Ich bin wütend auf mich selbst." Auch ich setzte mich auf. Drückte mir die Decke auf die Brust. "Du bereust es." Flüsterte ich leise. Es war keine Frage, es war eine Feststellung. Er bereute es. Er bereute es. Er bereute es. Scheiße. Scheiße. Scheiße.
Tränen schossen in meine Augen, doch ich drängte sie zurück. Erstickte sie mit Wut. Er hatte doch damit angefangen. Warum hatte er mich geküsst? Warum hatte er mich berührt? Warum hatte er mich so angesehen? Warum hatte er mir genau das gegeben, was ich so gewollt hatte?
"Ja. Also nein. Ich..." Er brach ab, fuhr sich durchs Haar und kratzte sich am Hinterkopf. Er ließ sich mit dem Rücken zu mir aufs Bett fallen. Stemmte die Ellenbogen auf die Knie und rieb sich das Gesicht. Dann drehte er sich zu mir. "Du bist Kathis beste Freundin." Ich schnaubte. "Und weil Kathi deine Schwester ist, bin ich auch sowas wie deine Schwester. Macht man sowas mit seiner Schwester?" Fragte ich ihn und lachte verbittert. Verzweifelt schloss er die Augen. "Ich denke ich habe sehr klar gemacht das du nicht meine Schwester bist. Aber sie wird mich hassen." Sagte er mehr zu sich selbst als zu mir.
Doch egal was er tat er war ihr Bruder. Sie würde ihn vielleicht hassen, doch irgendwann musste sie ihm vergeben. Doch bei mir war das etwas anderes. Ich schluckte.
"Vergessen wir das einfach. Tun wir so als wäre das niemals passiert." Schlug ich vor, doch die Wörter brannten in meinem Hals wie Säure. Lange sah er mich an. Musterte mein Gesicht. Aber ich wollte mir nichts anmerken lassen. Das hier war nicht mal Sex gewesen.
"Das wäre vielleicht die beste Idee." Sagte er leise und stand auf. Doch er wirkte rastlos und seltsam unstet. Er sah sich um, als würde er etwas suchen, das nicht da war. Dann schloss er wieder die Augen, bevor er aus dem Raum ging. Kurze Zeit später hörte ich, wie die Haustür zuschlug. Wie aufs Stichwort begann ich zu weinen. Ich weinte, weil ich enttäuscht war. Weil ich etwas bekommen hatte ohne zu wissen das ich es wollte und jetzt, wo es weg war, tat es weh. Ich weinte mich in den Schlaf.In meinem Leben gab es schon einige nutzlose Dinge. Doch sei neuestem zählte ich die Uni dazu. Jede Vorlesung die ich besuchte, war gefüllt mit absolutem Nichts. Ich erinnerte mich an keinen Inhalt und es fiel mir schwer alles aus den Folien herauszulesen, sobald ich zuhause war. Genervt ließ ich mich zurück in den Stuhl sinken. Ich war absolut nicht in der Laune zu lernen. Aber genauso war ich in der Laune weg zu gehen oder irgendwas zu tun. Das Kreischen den Telefons weckte mich auf. Beine rabiat schmetterte ich das Telefon gegen meinen Kopf und verzog schmerzerfüllt mein Gesicht. Sowas bescheuertes. "Hallo?" Schnell warf ich einen Blick auf den Display. Die Nummer kannte ich nicht. "Sind Sie die Kontaktperson von Jakob Reinold?" Ich erstarrte. Kontaktperson? "Ja. Was ist passiert?" Wollte ich wissen. Panik kroch mein Rückgrat hinauf. "Er ist wach." Ich erstarrte. Mein Kopf war leer. So leer, dass ich nicht mal merkte, dass er leer war. Tränen schossen mir in die Augen, als hätten sie etwas begriffen, was ich noch nicht begriffen hatte. "Wie..." Ich räusperte mich. "Wie bitte?" Wiederholte ich mich. "Er ist aufgewacht." Sie sagte es so ruhig, als wäre es nichts anderes, als eine Telefonumfrage. Doch das hier war nah an einem Wunder. Er war wach. Die drei Wörter hatte ich nie geglaubt je zu hören. "Er ist wach?" Flüsterte ich, als wäre ich nicht ganz beisammen. "Ja. Er ist vor einer Stunde aufgewacht. Er ist noch etwas benommen, doch er fragt nach seiner Schwester." Erklärte sie. "Ich bin auf dem Weg." Ich hatte schon aufgelegt, bevor sie mich verabschieden konnte. Schnell packte ich meine Tasche, schmiss ein paar Dinge hinein, die ich vermutlich nicht brauchen würde, zog mich an und rannte aus der Wohnung. Erst hier realisierte ich, dass ich keinen Wagen hatte. "Scheiße." Ohne zögern schnappte ich mir mein Telefon und wählte Kathis Nummer. Sie nahm gelangweilt ab. "Hey. Sag mir bloß nicht ab. Ich lackiere mir seit einer Stunde die Nägel und kann mich für keine Farbe entscheiden, also nehme ich alle." Sie kicherte. "Ich muss mir deinen Wagen ausleihen." Sagte ich schroff. "Was ist los?" Wollte sie wissen, doch ich konnte nicht denken. "Ich brauche ein Auto. Aber meins ist kaputt und ich muss dringend nach München. Bitte, Kathi. Ich mache alles was du sagst nur bitte..." Ich flehte sie an. Meine Stimme klang so verzweifelt, dass sie mir selbst das Herz brach. "Ich mache mich gleich auf den Weg. Sobald meine Fußnägel... Oh. Warte Mal." Es hörte sich an, als würde sie mit jemandem reden. "Micha fährt los und holt dich her, dann kannst du mein Auto nehmen. Und er meint du sollst deinen Autoschlüssel mitbringen. Dann kümmert er sich drum." Ich nickte und legte auf. Scherte mich nicht, dass sie mein Nicken nicht gesehen hatte. Sondern stürmte hinunter und verfluchte Micha für jede Minute die er noch immer nicht kam. Die Angst ich würde aus einem Traum aufwachen machte mich ganz benommen. Er war aufgewacht.
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Will you be my Secret
RomanceMarie dachte immer sowas passiert einem nicht. Nicht ihr jedenfalls. Wie soll man darüber schon hinwegkommen? Gar nicht, oder? Naja jedenfalls nicht wenn man dauernd darüber redet und darüber nachdenkt. Ein Jahr später läuft ihr Leben recht gut. Si...