26| "Beschissen..."

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Wund. Ich war wund. Aber dieses seltsame ziehen war das beste Gefühl, dass ich seit Ewigkeiten hatte. Ich fühlte mich so versaut, als ich nach dem längsten und besten Wochenende neben Kathi in dem kleinen Cafe saß. Immer wieder öffnete ich den Mund, um es ihr zusagen. Ihr zu gestehen, was passiert war. Doch sie ließ mich kaum zu Wort kommen. 
Die erste Stunde war es um Leon gegangen, dann war es über eine Stunde um Alex gegangen. Zwischenzeitlich war es um Jakob gegangen, wobei ich kaum zum Gespräch beigetragen hatte und jetzt, wo sie über Micha sprach, glaubte ich meine Zeit gekommen.
"Nathalie hat sich bei mir gemeldet." Ich runzelte die Stirn. Ich konnte mich an keine Nathalie erinnern. "Michas Ex-Freundin. Meine Ex-Beste-Freundin." Ich erstarrte. "Sie will sich mit mir treffen. Ich meine mal im Ernst, sie will doch nur wieder was von meinem Bruder." Schnaubte sie genervt. "Dabei wollte er sie damals nicht und heute auch nicht." Ich atmete aus, versuchte das kleine grüne Monster zu ignorieren, dass wütend in meinen Eingeweiden rumorte, dass sie aber zu beruhigen begann.
"Ich meine ja sie haben einmal gevögelt, aber da war Micha ein Arschloch." Unbeteiligt zuckte sie mit den Schultern. Ich schluckte. "Sie haben..." Begann ich, versuchte möglichst gelassen zu klingen, doch das gelang mir nicht sehr gut. Ich war eine Idiotin.
"Sie hat sich voll an ihn rangemacht, aber so war sie halt. Und er hat auch mit ihr geflirtet. Er war echt ein Arschloch. Hat sich ständig besoffen, geprügelt und Scheiße gebaut. Und er fand das total lustig, als er merkte, dass sie voll in ihn verknallt war, mit ihr zu schlafen, um mich zu ärgern." Ich stutzte. War es das was er mit mir machte? Fand er das lustig? Wollte er Kathi ärgern? Wieder schoss die Panik durch mich hindurch. 
"Danach hat sie mir echt wochenlang die Ohren vollgeheult, hat sich nur mit mir getroffen wegen ihm. Sie hat mich richtig ausgenutzt. Und jetzt will sie sich treffen? Ich glaube nicht." Kurz blickte ich in den Himmel, um die Tränen wegzublinzeln. 
"Hey, ist alles in Ordnung?" Fragte Kathi plötzlich. Sofort nickte ich. "Ich hab nur vergessen das ich noch mit Jakob verabredet war." Sagte ich schnell. 
"Oh. Dann solltest du gehen." Ich nickte. Es war eine Ausrede und ich war mir ziemlich sicher, dass Kathi mich sofort durchschaute. Doch ich musste die Informationen erstmal verdauen. Er fand das lustig. Er fand es bestimmt auch lustig das kleine, dicke Mädchen zu ärgern. Die kleine Zicke die ihn am ersten Tag schon so angezickt hatte und die ihm gesagt hatte, das sie nie mit ihm schlafen würde. 
Ich schnappte meine Sachen, legte zwanzig Euro auf den Tisch und erhob mich. Schnell verabschiedete ich mich und küsste Kathi auf die Wange, bevor ich fluchtartig Richtung Parkplatz ging. 
Dumm, dumm, so dumm! Ich war naiv und bescheuert. Den gesamten Weg bis nach Hause schalte ich mich selbst. Als hätte er es geahnt klingelte mein Handy. Genervt feuerte ich es auf den Beifahrersitz und irgendwo in die Türverkleidung. Dabei meldete sich ein kleiner Teil, ein kleiner hoffnungsvoller Teil, in meinem Kopf sich und beharrte darauf, dass ich ihm die Chance geben musste sich zu erklären. Ihm die Chance geben musste mir zu sagen, dass ich nicht wie Nathalie war. Das er es ernst meinte. Doch der große Teil, der mit Komplexen behaftete Teil war sich sicher und glaubte nicht daran, dass er wirklich etwas von mir wollen könnte.
Ich musste auf dem Weg von der Uni nach Hause zwei Mal anhalten. Beim ersten Mall heulte ich mir die Augen aus dem Laib, beim zweiten Mal verfluchte ich ihn und alle Männer auf der Welt. Als ich zuhause war, war ich so wütend, dass ich fast überkochte. 
Der einzige Weg mich abzulenken war Hausarbeit. Ich wusch meine Wäsche, auch die, die nicht so dreckig war, putzte das Bad, die Küche und staubte jedes Regal ab... zwei Mal. Ich hängte die Wäsche auf und seifte den Kühlschrank aus. Saugte und wischte durch. Doch als es draußen Dunkel war und ich den ganzen Tag absolut verschenkt hatte, war ich noch immer wütend, den Tränen nach und absolut von meiner Dummheit überzeugt. Ich gab mir selbst die Schuld, ich war naiv gewesen. Als es an der Tür klingelte erstarrte ich. 
"Marie?" Wut peitschte durch meine Adern. Das war gut, so konnte ich ihn zum Teufel schicken. "Verschwinde!" Bellte ich kalt. "Was ist denn los? Ich versuche seit Stunden dich zu erreichen? Hast du mit Kathi gesprochen? Moment, hat sie was gesagt?" Seine Stimme klang besorgt. "Sie hat mir tatsächlich was erzählt. Also geh einfach." Sagte ich und lehnte mich an die Wand neben der Tür. "Lass mich rein. Lass uns reden, egal was sie dir erzählt hat." Ich schnaubte. "Ich will nicht mit dir reden. Ich will dich nicht sehen, nicht hören und nicht an dich denken." Schnauzte ich wütend. "Und wie läuft das für dich so?" Fragte er. Ich konnte seine Wut förmlich durch die Tür spüren. 
"Beschissen. Also bitte..." Flehte ich und schluckte die Tränen runter. Ich wollte nicht heulen. Aber ich konnte nichts dagegen tun. "Dieses Gespräch ist noch nicht vorbei." Rief er. "Ich komme Morgen wieder. Bitte sprich mit mir. Ich kann dir alles erklären." Ich konnte hören, wie seine Schritte sich entfernten. Dann brachen alle Dämme. Ich sackte in mich zusammen und rollte mich auf dem kalten Fliesenboden zusammen. Er wusste bescheid. Er wusste was Kathi mir erzählt hatte und er hatte es nicht abgestritten. Er wollte es mir erklären. Es gab nichts zu erklären. Er war ein Arschloch und ich war auf ihn reingefallen. Aber ich würde ihm die Genugtuung nicht geben. Er war eiskalt. Ich konnte auch eiskalt sein. Ich konnte es jedenfalls versuchen. Ich würde es ihm nicht so leicht machen.
Ich schnappte mir mein Handy, dass ich ohne es zu beachten, aus der Verkleidung gezerrt hatte, ignorierte die vierzehn verpassten Anrufe und rief Kathi an. Sofort meldete sie sich, doch ich ließ sie kaum ausreden. "Wie wäre es wenn wir die Tage mal wieder richtig feiern gehen? Ein paar Leute kennen lernen? Was hältst du davon?" 

Will you be my SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt