29| ... das ist hier die Frage.

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"Komm schon." Flüsterte Kathi immer wieder nacheinander, als würde es um ihr Leben gehen. "Ich wäre dann Tante Kathi. Die coole Tante Kathi." Sagte sie aufgeregt. Sie wusste ja nicht, wie recht sie damit hatte. 
Ich jedoch flüsterte nur still. Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte! Wofür genau ich bat, wusste ich allerdings nicht so recht. Ich war nie die Sorte Frau gewesen, die es billigte, ein Kind oder eine Schwangerschaft als Druckmittel einzusetzen. Das war krank. Doch ich erwischte mich dabei den Gedanken zu haben, das ich allerdings immer einen Teil von ihm bei mir zu haben. Und mit jedem Tag der verging wollte ich sehnsüchtiger etwas von ihm haben. Nur ein kleines Ding. 
Ich hielt mich zusammen, tat so als wäre nichts los, doch es schmerzte und verdammt es schmerzte mehr als einfach nur ein bisschen. 
Er war weiter gezogen und ich musste das auch tun. Ich hatte die letzten Jahre keinen Mann gebraucht, dann würde ich die nächsten auch keinen brauchen. Ganz einfach. "Wir könnten sie wie eine kleine Prinzessin anziehen." Schwärmte Kathi, als hätte sie sich alles schon ausgemalt. "Erstmal, sollte ich tatsächlich schwanger sein, was macht dich so sicher, dass es ein Mädchen wird?" Hakte ich etwas genervt nach. In meinen absurden Gedanken, war es immer ein kleiner Junge gewesen. "Keine Ahnung. Ich hab da so ein Gefühl."
Sie hatte da so ein Gefühl? Ein beschissenes Gefühl? Gefühle hatten mich erst in diese dämliche Lage gebracht. Und Gefühle waren es auch, die mich seit drei Wochen runter zogen. Dabei lief alles so gut. Jakobs Reha lief großartig. Er war die meiste Zeit gut drauf. Auch wenn, wie die Ärzte es prophezeit hatten, er manchmal kleine Einbrüche hatte. 
Während ich wegen dem bisschen bescheuertem Liebeskummer heulte, hatte er andere Probleme. Seine Wortfindungsschwierigkeit machte ihm noch immer zu schaffen, dann war da die Sache mit seiner eingeschränkten Mobilität. Er hatte online einige seiner alten Freunde entdeckt und haderte mit sich den Kontakt aufzubauen. Er wusste nicht was er mit seinem Leben anfangen sollte. Auch wenn ich erstmal wollte, dass es ihm wieder besser ging, wollte er alles und das sofort. 
Er sagte es nicht, aber ich sah ihm an, dass er mich manchmal beneidete. Wenigstens einer der dachte mein Leben wäre das Nonplusultra. Natürlich verstand ich ihn und wusste, dass er es auch nicht so meinte, doch der Unfall hatte ihn zwei Jahre gekostet. Das schlimmste aber war, dass er, auch wenn er nie darüber sprach und sich nichts anmerken lies, ja gerade erst vom Tod unserer Eltern erfahren hat. Ich selbst hatte daran ziemlich lange geknabbert und ich vermisse sie fast jeden Tag. Vor allem aber wenn ich bei Kathi zuhause war. Es hatte sich so lange angefühlt, als wäre meine Familie mit einem Schlag einfach weg. 
"Scheiße." Ich hob den Blick und sah Kathi an, die mich mit bleichem Gesicht ansah. Panisch griff ich nach dem Stäbchen und starrte auf das kleine weiße Feld. Zwei rosafarbene Striche. "Heißt das...?" Fragte ich und starrte auf das Plastik in meiner Hand. "Ja, ich fürchte das heißt es." Sagte sie und reichte mir die anderen beiden, die wir vorsichtshalber ebenfalls gemacht hatten. "Und nun?" Fragte ich Kathi und sah sie mit Tränen in den Augen an. "Wir sollten zum Arzt gehen." Erklärte Kathi und zum ersten Mal seit ich sie kannte, strahlte sie etwas ruhiges aus. Etwas starkes und weises. "Und du solltest dir Gedanken machen, ob du es behalten willst." Ich erstarrte. Der Gedanke war mir nicht gekommen. Also es loszuwerden. "Und du solltest es dem Vater sagen." Lange sah ich sie an. Meine Gedanken waren leer. Mein Kopf eine einzige Wüste. "Du darfst das keinem sagen. Niemandem! Versprich es mir, Kathi." Sagte ich nur, denn ich musste erstmal Zeit gewinnen. Ich musste einen Termin beim Arzt machen. Vielleicht gehörte ich zu den Personen, die Krebs hatten und deswegen einen positiven Test. Ach bescheuert. Ich hatte mit ihm geschlafen und wir waren nicht in der Lage gewesen an Verhütung zu denken. Wir waren Idioten. "Sagst du mir von wem es ist?" Fragte Kathi vorsichtig. Noch immer hatte ich sie angestarrt ohne sie wirklich anzusehen. "Erstmal muss ich wissen, ob das stimmt. Die können doch Fehlerhaft sein. Die sind nicht 100 % sicher." Sagte ich fest, doch klang etwas weinerlich. Kathi nickte, doch auf ihrem Gesicht lag ein betroffener Ausdruck. "Die Wahrscheinlichkeit das alle drei Schwangerschaftstest falsch liegen ist gering. Aber möglich." Sagte sie sachlich. "Aber auch wenn sie recht haben, bin ich hier. Du bist meine beste Freundin. Und egal welche Entscheidung du triffst, werde ich dich unterstützen. Und meine Mutter liebt Kinder." Es waren ihre letzten Worte die mir die Tränen in die Augen trieben. 
Ich hatte so sehr gehofft das zu vergessen, gehofft einfach so zu tun, als wäre das mit uns nie passiert. Aber wieder mal stellte sich heraus, dass ich naiv war und dumm. 
"Hey, alles ist gut." Sie setzte sich neben mich auf den Wannenrand und legte ihre Arme um mich. "Du bist nicht alleine. Wir machen das zusammen." Erklärte sie leise und tatsächlich trösteten ihre Worte mich. Doch was wenn der Arzt das Ergebnis bestätigte? Ich konnte das Micha nicht erzählen. Ich konnte es Kathi nicht erzählen. Meine Heimlichtuerei hatte sich aufgestapelt und war nun zu einem großen Haufen verkommen. Aber ich hatte mich so tief rein geritten, dass Kathi sich jetzt erst recht hintergangen fühlen musste, sollte sie davon erfahren. Und ich wusste auch, dass es nicht besser werden würde. Nur ohne Kathi hatte ich keine Chance das halbwegs unbeschadet zu überstehen. "Zieh dich an. Bevor wir irgendwas anderes machen, fahren wir zum Arzt." Ich ließ mich von ihr hochziehen. Sie reichte mir meine Jacke und Schuhe die ich ohne ein Wort überstreifte und bugsierte mich aus meiner Wohnung. 
Warum war ich eigentlich so dämlich? Warum hatte ich, jetzt gerade, wo alles irgendwie okay lief, mich selbst wieder so reinreiten müssen? "Er wird mich hassen." Flüsterte ich leise, als wir im Auto saßen. "Wer? Der Vater?" Sie schnaubte. "Kinder machen ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr." Sagte sie zynisch und schüttelte den Kopf. "Wenn du das Kind behalten willst, wird er wenigstens finanziell dafür aufkommen." Sagte sie wütend. "Nur Männer ohne Erziehung und Ehrgefühl lassen ihre Kinder im Stich." Sie klang als hätte sie damit schon Erfahrung, dabei war ihr Leben doch nahezu perfekt. 
Aber ich war nur ein Spaß gewesen und ich würde ihm nicht aufbürden sich dafür immer an mich zu binden. Wobei Kathi natürlich recht hatte, doch ich... ich war verliebt und wollte das er alles erreichte, was er erreichen wollte. Ohne die Alte die er mal zum Spaß gefickt hatte, wobei leider ein Kind entstanden war. Er sollte es nicht bereuen. Er sollte mich nicht bereuen. 

Will you be my SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt