32| Wunschkonzert.

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Erschöpft lehnte ich den Kopf zurück an die kalten Fliesen. Mein Magen rebellierte. Es fühlte sich an, als würde ich anfangen mich selbst zu verdauen. Irgendwas stimmte nicht. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht. Ich fühlte es einfach. 
Langsam kämpfte ich mich auf und blickte angewidert in die Toilette. Doch obwohl ich nur Wasser ausgespuckt hatte, war die rötliche Farbe besorgniserregend. Ich hatte gestern kaum etwas gegessen und heute war ich noch nicht dazu gekommen. 
Mein Körper fühlte sich seltsam schwach an. Seltsam ausgelaugt. Panik baute sich auf und ich holte nur flach Luft. Immer wieder schnappte ich nach Luft, weil der Sauerstoff mir nicht zu reichen schien. 
Ich kämpfte mich von  den Knien auf die Beine und stolperte schwankend zur Tür, die ich nicht einmal geschlossen hatte, als ich hereingestürzt war. Verzweifelt krallte ich mich an den Türrahmen und blickte in den Flur. Michas Zimmer lag mir gegenüber und ich hoffte er wäre dort, denn ich würde es nicht weiter schaffen. Die Treppe war eine Hürde, die kaum zu überwinden wäre. Noch einmal holte ich Luft, atmete ein und ging zu seinem Zimmer. Doch es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Als ich endlich die Tür erreichte und die Klinke herunterdrückte, sah ich die ersten schwarzen Flecke vor meinen Augen. Tränen quollen aus ihnen und verschwammen das bisschen was ich noch sah. 
"Micha..." Sagte ich, kurz bevor ich auf die Knie fiel und begann wieder zu würgen. Doch ich erbrach nicht. Es fühlte sich an, als würde mein Körper auseinander reißen. Erst als ich spürte, wie seine Finger sich um mein Gesicht legten und meinen Blick hoben, sackte ich erleichtert zusammen. 
"Hey, Baby." Flüsterte er und zog mich an sich. "Was ist los?" Wollte er sofort wissen. "Ich... kann nicht..." Spuckte ich schmerzverzerrt aus. "Würmchen..." Flüsterte ich. Er half mir auf, legte dann seine Arme unter meine Beine und meinen Rücken und hob mich an. Ich dachte nicht daran, ob ich zu schwer war, oder ob er mich für zu dick hielt. Ich dachte nur an das kleine Würmchen. Ich wusste nicht viel über Kinder und Schwangerschaften, doch ich wusste, dass in den ersten drei Monaten alles dazu führen konnte es zu verlieren und die Angst die daraus entstand brachte mich fast um. 
"Mama?" Rief er als wir gerade die Treppe herunterkamen. Doch ich schloss die Augen und versuchte den Schmerz zu ignorieren. Ebenso versuchte ich einfach so zu tun, als wäre das alles kein Problem. Als wäre alles gut, doch das funktionierte nicht. "Mama!" Rief er wieder. Laut und so verzweifelt, dass ich zusammenzuckte. 
Die schwarzen Flecken wurden größer und begannen zu einem Kopfschmerz anzuschwellen. Und es erschien so einfach nur die Augen zu schließen und einzuschlafen, doch das wollte ich nicht. Ich hatte das Gefühl als würde ich nicht einschlafen dürfen. Ich musste wach bleiben für das Würmchen. Mein Würmchen. Unser Würmchen.
"Was ist...?" Hörte ich Erika. "Ich brauche die Autoschlüssel." Unterbrach er seine Mutter panisch und in nächsten Moment spürte ich Wind um meine nackten Arme. Doch ich bekam nicht mehr mit, dass ich im Auto war. Ich bekam nur mit, wie er sachte über meinen Kopf strich und seine Mutter bat schneller zu fahren. Dann war ich weg. 
Als ich aufwachte, schaffte ich es nicht meine Augen zu öffnen. Mein Körper fühlte sich taub und schwer an, als wäre ich unter Wasser. Selbst das bewegen meines kleinen Fingers kostete mich so viel Kraft. 
Ich wollte etwas sagen, doch auch meine Lippen gehorchten mir nicht. Nur ein seltsamer Laut drang aus meinem Hals. "Moppelchen." Erleichtert seufzte ich. Jakob! Seine Stimme beruhigte mich sofort. "Baby." Es war nur ein Wort, leise, erleichtert und so schwer, dass es mir durch den ganzen Körper fuhr. Dabei war ich mir fast sicher, dass er es nicht hatte sagen wollen. 
Ich hörte das Klappen einer Tür. "Ist sie wach?" Das war Kathi. Sie waren alle hier, bei mir und ich fühlte mich so sicher, wie seit Jahren nicht mehr. Und das trotz meines seltsamen Zustands. Hat Jakob sich auch so gefühlt? 

Dann fühlte ich eine weiche Hand an meiner. Angestrengt konzentrierte ich mich darauf, sie zu drücken und war erstaunt, als Kathi nach Luft schnappte. Im nächsten Moment, strich sie mir übers Gesicht. Alles war gut. Alles war...
Das Würmchen? Was war los? Ging es ihm gut? Unruhig riss ich die Augen auf, sah mich um. Sah Kathis zerzausten Schopf. Hinter ihr stand Micha. Lange sah ich in seine besorgte Miene. In seinen besorgten Blick. Er sah müde aus. Ich versuchte meinen Kopf zu drehen und erkannte Jakob, der mich sanft anlächelte. Ich versuchte ihn ebenfalls anzulächeln, doch ich war mir ziemlich sicher, dass ich nur eine Grimasse schnitt.
Langsam kam das Gefühl zurück und meine Finger ließen sich sanft bewegen. Kathi und Jakob hielten meine Hände und ich liebte sie, doch ich wollte nichts mehr als mich an Micha zu schmiegen. Ich musste wissen was mit dem Würmchen war. Mit seinem Baby. Ich musste es wissen. Jetzt! 
"Was...?" Begann ich leise. "Du bist zusammengeklappt. Micha und Mama haben dich hergebracht." Erklärte Kathi. Meine Atmung beschleunigte sich, weil es nicht das war, was ich wissen wollte. Undamenhaft pfiff meine Nase, als ich schnell ein und aus atmete. "Würmchen?" Brachte ich raus und blickte zwischen den dreien umher. Sie wechselten einen Blick. Rohe Angst schoss durch mich hindurch und ich spürte schon die Tränen, als Micha an Kathi vorbeiging und leise sagte: "Dem Baby geht es gut. Du hast eine Magenblutung. Du hast eine Transfusion bekommen. Zum Glück hast du dich schnell wieder stabilisieren lassen. Damit ist nicht zu spaßen." Erklärte er kalt, doch in seinem Blick lag ein warmer, sorgenvoller Ausdruck. "Du musst noch ein paar Tage hier bleiben. Es sieht aus, als würde das gröbste vorbei sein aber die Ärzte wollen auf Nummer sicher gehen." Fügte er hinzu. Dann trat er zurück und mein Blick folgte ihm. 
"Ich muss dann auch los." Nuschelte er hinterher, wandte sich ab und verließ ohne ein Wort den Raum. Ich hatte nicht mal reagieren können. Perplex sah ich Jakob an. Ich wollte nicht das er geht. ich wollte das er blieb. Aber natürlich war das nur eine Wunschvorstellung. Das Leben war eben kein Ponyhof und erst recht kein Wunschkonzert. 

Will you be my SecretWo Geschichten leben. Entdecke jetzt