Ich habe die gesamte Nacht kein Auge zugetan und dementsprechend energielos bin ich auch, als ich nach einem anstrengenden Tag in der Schule im Tanzstudio 2 zum zweiten Treffen für das Musikvideo ankomme.
Philipp hat sich nicht bei mir gemeldet, was ich auch nicht erwartet hatte und was ich ihm auch erst recht nicht übelnehme. Er hat jedes Recht der Welt, sauer auf mich zu sein.
„Guten Tag, Lucy", begrüßt Jenna mich freundlich und kommt zu mir, um mir die Hand zu geben, aber sie erschrickt etwas, als sie mein wahrscheinlich komplett fahles und glanzloses Gesicht sieht. „Ist alles okay? Bist du krank geworden?"
„Nein. Mir geht's gut. Hatte nur Schlafprobleme. Am Samstag bin ich wieder fit." Ich versuche, ein Lächeln aufzubauen, scheitere aber und lasse die Mühen.
Jenna mustert mich prüfend, entscheidet dann aber, dass es nicht ihre Aufgabe sei, sich um meine Gesundheit zu kümmern. Also lässt sie mich gehen, damit ich mich fertig mache.
Mr. Bringston kommt einige Minuten zu spät und beschäftigt sich die gesamte Zeit über mit seinem Computer, was sich eigentlich positiv auf meine Leistung auswirken müsste. Aber der Streit mit Philipp sitzt mir so tief in den Knochen, dass ich mich weder konzentrieren noch zusammenreißen kann. Dadurch kann ich mir die Schritte nicht merken, führe sie nicht sauber aus und ruiniere einfach alles.
„Stopp, Stopp, Stopp", ruft die Choreografin irgendwann aus und schüttelt den Kopf heftig. „Das ist ja grauenvoll. Wir lassen das Training heute sein. Ich weiß, dass du das draufhast, aber was auch immer heute mit dir los ist, du musst das vergessen. Das ist keine Professionalität. Wir sehen uns morgen um die gleiche Zeit wieder und dann erwarte ich von dir, dass du mit dem Kopf hier bist und dich ganz auf deine Arbeit konzentrierst."
Ich spüre, wie sich schon wieder ein Kloß in meinem Hals bildet und nicke. „Es tut mir leid. Ich verspreche, morgen mein Bestes zu zeigen. Entschuldigung."
„Wir erwarten es von dir." Damit lässt Jenna mich stehen und geht zu ihrer Tasche.
Ich habe meinen ersten größeren Job an der Angel und bin direkt 100% unprofessionell.
Ich gehe zu meiner Tasche, ziehe die Spitzenschuhe aus, meine Turnschuhe an und verlasse nach einer Verabschiedung wieder das Studio.
In meinen Gedanken versunken bemerke ich die Gruppe Mädels erst, als ich beinahe in sie hineinlaufe. Die drei stehen am Straßenrand und plappern ganz aufgeregt durcheinander, was mich dazu bringt, den Kopf zu heben und zu schauen, was ihre Aufmerksamkeit so erregt.
In dem Moment läuft die eine los über die Straße auf einen jungen Mann zu, den ich natürlich sofort erkenne.
Niall lächelt, als er seine Fans auf sich zukommen sieht und begrüßt alle mit einer freundlichen Umarmung, bevor er sich mit ihnen fotografieren lässt.
Ich stehe wie angewurzelt immer noch auf der anderen Straßenseite und beobachte das Geschehen. Beim Anblick des Glücks der Mädchen muss ich auch lächeln und verschränke die Arme entspannt vor der Brust. Nialls Blick fliegt zu mir und er will schon wieder wegschauen, erkennt mich dann aber scheinbar und hebt grüßend die Hand.
Die Gesichter der Fans fliegen sofort zu mir rüber und sie mustern mich prüfend. Sie scheinen zu überlegen, ob ich Niall persönlich kenne oder auch nur ein Fan bin. Als Fan würde ich zu ihnen hinübergehen, aber ich scheue mich irgendwie davor. Ich möchte nicht als Fangirl abgestempelt werden...
Aber Niall winkt mich in der Sekunde zu sich rüber, weshalb ich dazu gezwungen bin, mich in Bewegung zu setzen. Alles woran ich denken kann, als mich meine Beine über die Straße tragen, ist, wie schön sich seine Hände anfühlen. Wieso denke ich über seine Hände nach?

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Put A Little Love On Me
FanfictionLucys Leben besteht aus Musik. Sie wacht damit auf, richtet ihren Alltag danach, baut ihre Zukunft darauf auf. Sie ist Tänzerin. Und sie bekommt ein Jobangebot für ein Musikvideo - eine Möglichkeit, ihre Karriere in Fahrt zu bringen, denkt sie. Aber...