41. Kapitel

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Die folgenden zwei Tage sind mit Interviews vollgestopft. Tatsächlich darf ich bei jedem anwesend sein und neben Charlie Niall beim Sprechen bewundern.

Es ist unglaublich, wie schnell man sich an gewisse Dinge gewöhnen kann. Nialls Stimme, seine Art, sich zu bewegen, die Grimassen, die er regelmäßig zieht – all das ist mir am Ende unseres Trips so vertraut wie mein eigenes Spiegelbild.

Da wir den Großteil der Tage in der Öffentlichkeit verbringen, behandeln wir uns gegenseitig nicht anders als sonst. Kein unnötiger Körperkontakt. Abends im Hotel liegen wir gute 30 Minuten nebeneinander im Bett, bis einer von uns beim Fernsehen einschläft. Kurzum: Wir sind uns so nah, dass wir die ganze Zeit die Wärme des anderen fühlen, können aber die Finger nicht danach ausstrecken.

Dazu kommt, dass wir, wenn wir in Amerika aus dem Flieger steigen, wieder auf Abstand gehen müssen und ich keine Ahnung habe, wie lange diese Distanz anhalten wird. Vielleicht ist Niall erst in einem Monat wieder in LA. Oder in fünf. Wer weiß?

Und außerdem beginnt in einem Monat seine Tour und dann kann ich ihn für eine Weile sowieso nicht sehen.

Mittlerweile beschleicht mich die Vermutung, dass ich mir die Zuneigung, die ich von Nialli bekomme, nur einbilde. Ich weiß, dass er arbeitet und wir keine frisch verliebten Teenager sind. Ich kann meine Beziehung mit Philipp nicht mal im Ansatz mit der ungeklärten Verbindung zu Niall vergleichen.

Erstens bin ich nicht mehr 18, zweitens ist Niall vielen Arten reifer als Philipp (kann man sich kaum vorstellen, aber er ist, auch wenn er sich wie ein Kleinkind verhält, bedachter, erwachsener). Wenn ich ihn beim Sprechen mit dem Interviewer beobachte, bin ich regelrecht eingeschüchtert von seiner Tiefgründigkeit, auch wenn er Scherze über die banalsten Dinge macht.

Ich fühle mich ihm nicht würdig.

Als wir am späten Nachmittag unseres letzten Tages im Auto zum Hotel sitzen, berührt mich Niall zum ersten Mal seit fast zehn Stunden ganz bewusst. Wir sitzen auf der Rückbank und er streckt die Hand nach mir aus, um sie federleicht an der Seite meines Beines entlangstreifen zu lassen.

Aus Reflex ziehe ich das Bein zurück, lege aber meine Hand auf seine.

Stumm fahren wir so zum Hotel. Niall legt mir die Hand in den Rücken, als wir den Fahrstuhl betreten und schaut mir dann durch den Spiegel grinsend in die Augen. Ich hebe nur fragend eine Augenbraue.

Er grinst schon den ganzen Tag so, wenn er mich anguckt. Er führt etwas im Schilde.

„Denkst du, wir können nachher ein bisschen durch die Stadt spazieren? Ich kann mir auch einen Fake-Bart aufkleben, damit es zu keinen Gerüchten kommt." Ich erwidere den Blick im Spiegel.

„Mal gucken. Zuallererst möchte ich dir unbedingt etwas zeigen."

Misstrauisch ziehe ich die Augenbrauen zusammen, als wir auf unserem Stockwerk ankommen und sich die Fahrstuhltüren öffnen.

„Ihr kommt allein zurecht?", fragt Bringston und verschwindet nach einer Bestätigung von Nialler in Richtung seines Zimmers. Auch Charlie verabschiedet sich – aber nicht ohne ein mysteriöses Augenbrauenzucken in meine Richtung.

Was passiert hier?

Mit der Hand immer noch in meinem Rücken führt Niall mich zu seinem Zimmer und öffnet mir sogar ganz galant die Tür.

„Okay, was-"

Vor Schreck beiße ich mir auf die Zunge und vergesse, was ich fragen wollte, als der junge Mann mich an der Hüfte herumdreht und gegen die Tür drückt.

Ohne etwas zu sagen, sieht er mich eine Weile einfach nur an, wobei ich selbst meinen Mund ebenfalls nicht öffnen kann. Das ist wieder so eine Situation, in der er mich einschüchtert, weil ich ihn nicht einschätzen kann. Was hat er vor? Mich küssen? Mich als Rammbock benutzen, um die Tür aufzuschlagen? Ich habe keine Ahnung.

Put A Little Love On MeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt