¹ / ᴜɴᴇɴᴅʟɪᴄʜ ᴋᴀʟᴛ

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𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝


Tim und ich sind auf dem Weg zum Eingang des Bootshauses, wo wir gleich mit unseren besten Freunden auf die neuerreichten 1,9 Millionen Abonnenten anstoßen wollen.

Draußen ist es noch relativ hell und sogar so warm, dass wir nicht einmal mit Jacke hier her gekommen sind. Der Frühling scheint langsam aber sicher zu beginnen.
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„Da sind ja unsere Stars", werden wir lachend von Patrick begrüßt, welcher uns jeweils einen Shot in die Hand drückt.

Patrick der Seestern." Ich merke, wie mein Tourette auch am liebsten das Gläschen über Tims Kopf ausgeschüttet hätte, was ich aber zum Glück noch rechtzeitig unterdrücken kann.

Nachdem wir angestoßen haben, meint Tim, er gehe auf die Tanzfläche, woraufhin wir ihm folgen.
Schon nach den ersten Takten merke ich, dass ich an der Bar hätte bleiben sollen, da ich absolut nicht tanzen kann. Unwohl versuche ich, mich irgendwie zu dem Lied, welches ich nicht kenne, zu bewegen.
Auch durch Gisela fällt es mir nicht leicht, zu tanzen, da diese ihren eigenen Kopf hat und immer mit den Armen ungleich zur Musik über meinem Kopf wedelt, gleichzeitig bewegt sie meine Beine dazu.

Mit der Zeit wird es immer voller, wodurch ich immer mehr hin und her geschupst werde. Auch mein Tourette wird immer mehr getriggert, sodass fast jeder angegriffen wird. Einige verstörte, aber auch wütende Blicke habe ich dafür bereits geerntet.

„Ich gehe lieber wieder an die Bar he, euer rumgehampel kann ich mir nicht geben", teile ich meinen Freunden mit.

Tim kommt sofort auf mich zu, zieht mich sanft zur Seite und schreit mir besorgt ins Ohr: „Ist alles in Ordnung? Willst du nach Hause?" Währenddessen ruhen seine warmen Hände an meinen Oberarmen.

Ich schüttle meinen Kopf und meine nur, dass Gisela in der großen Menge ziemlich fehl am Platz sei.
Natürlich war ich schon öfter mal mit den Jungs feiern, aber heute ist Gisela sehr aktiv und gut drauf. Eigentlich würde ich auch lieber nach Hause, aber ich will Tim nicht den Abend vermiesen.

Wieder kommt er meinem Ohr näher und sagt diesmal leise, aber trotzdem so, dass ich ihn gut verstehe „Nur damit du's weißt: Gisela wird für mich niemals fehl am Platz sein, hörst du? Niemals", bevor er von mir ablässt.

Hab ich mich gerade verhört oder hat Tim das wirklich zu mir gesagt?
Er sagt öfter zu mir, ich solle mich nicht immer für Gisela entschuldigen, wenn sie ihn an einer intimen Stelle berührt, wenn sie ihn beißt oder etwas Unangebrachtes sagt, aber das eben... es klang so gefühlvoll. Und es war echt süß von ihm. Wahrscheinlich hat er einfach schon bisschen zu viel getrunken, wodurch alles aus ihm heraus sprudelt, ohne, dass er vorher darüber nachdenkt.
In einer Sache bin ich mir auf jeden Fall ziemlich sicher: ich habe Gänsehaut am ganzen Körper. Sowas hat noch nie jemand zu mir gesagt.

Als der Braunhaarige wieder in der Menge verschwindet, suche ich den Weg zur Bar und bestelle mir prompt eine Cola. Ich habe Angst, dass ich mich nicht mehr kontrollieren kann, wenn ich jetzt noch mehr trinke. Gerade, weil die anderen, besser gesagt Tim, nicht bei mir sind und hier wohl niemand sonst eine Ahnung hat, was man im Notfall tun muss.. außer den Rettungswagen zu rufen.
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„Was macht denn so ein hübscher Mann wie du ganz alleine an der Bar?", höre ich auf einmal eine männliche Stimme neben mir.

Ich schaue nach links, wo ich einen blonden Mann mit stechend grünen Augen sehe.

He, ich geb' mir die Kante." Danke Gisela, nicht sehr hilfreich.

„Mit Cola?" Er setzt sich neben mich auf einen Hocker. „Ich glaub's auch." Er lächelt mich an.

„Sorry, ich hab das Tourette-Syndrom. Ich kann nicht kontrollieren, was ich da manchmal von mir gebe. Und das entspricht auch nicht dem, was ich denke oder so", versuche ich, so seriös wie möglich, zu erklären. „Ich bin übrigens Jan."

„Lasse", stellt er sich grinsend vor, sagt aber nichts weiter zu meiner Krankheit.

Lasse, hol das Lasso raus. Entschuldigung, das war unangenehm." Aber statt einer folgenden Beleidigung, lacht er nur.

„Und? Was machst du nun hier? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du alleine hier bist." Nach seinem letzten Satz zwinkert er mich an.

„Nein, ich äh, bin mit ein paar Freunden hier", ich schaue zur Tanzfläche.
Sofort schießt Tim in mein Auge, wir er ziemlich eng und intim mit einer rothaarigen Frau tanzt. Schlagartig wird mir flau im Magen und ich will am liebsten jetzt Zuhause sein, was aber wahrscheinlich daran liegt, dass ich schon zu viel getrunken habe. Mein Blick ist wie versteinert auf das tanzende Paar gerichtet.

„Hey", zieht mich eine ruhige Stimme aus meiner Starre. Gleichzeitig nehme ich eine Hand wahr, die mich wieder Lasse angucken lässt. „Alles okay?"

Ich nicke und nehme einen Schluck meiner Cola. Die Situation ist mehr als unangenehm, aber insgesamt bin ich froh, dass Lasse mich nicht beleidigt hat. Ich habe schon ganz andere Szenarien in Clubs erlebt.

„Magst du vielleicht was anderes als Cola trinken?", fragt Lasse mich.

Ein Glas Wodka pur. Äh, nein danke, ich darf und möchte auch nicht so viel trinken. Cola ist schon ganz gut." Zu meinem Erstaunen macht er sich weder lustig darüber, noch drängt er mich.

Wir unterhalten uns noch ziemlich lange, tauschen auch Nummern aus und ich verschwende kaum mehr einen Gedanken an Tim mit der Frau. Lasse ist wirklich ein korrekter Typ, der tolerant gegenüber dem Tourette ist, es akzeptiert. Er teilt sogar den gleichen Humor wie ich bzw. Gisela, sonst würde er nicht so viel lachen und mir weiterhin Gesellschaft leisten.

Insgeheim erinnert er mich ziemlich an Tim, eigentlich in Allem, was ich aber natürlich verschweige. Er ist zwar nur mein bester Freund, aber ich glaube trotzdem, dass das nicht gut angekommen wäre.

Nach einer Weile kommen auf einmal Patrick und Quentin an. „Hey Jan, was geht ab?", lallt Quentin durch den ganzen Raum und legt einen Arm um meine Schulter. „Einmal Wodka-E, bitte."

Beide haben anscheinend schon sehr viel getrunken. Ich hoffe inständig, dass Tim noch einigermaßen nüchtern ist, da ich keine große Lust hab, mit drei Besoffenen in einem Taxi zu fahren.

„Ich glaube, ich gehe dann mal, ist schon ziemlich spät", verabschiedet Lasse sich von mir. „Ruf mich an." Schon ist er aus meinen Augen verschwunden.
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„Wisst ihr, wo Tim ist?", frage ich nach einiger Zeit die anderen, da ich allmählich nach Hause möchte und ihn nirgends entdecken kann.
Auch die anderen zwei schauen zur Tanzfläche, scheinen aber genauso verloren zu sein wie ich. „Der muss irgendwo mit dieser Frau sein", gibt Patrick schulterzuckend von sich und dreht sich wieder zum Tresen, als würde es ihn nicht interessieren, als sei es etwas vollkommen Normales.

„Okay, ich kann mir schon denken, was da abgeht." Irgendwie klingt meine Stimme verletzter als gedacht. „Sagt ihm einfach, dass ich bereits ein Taxi nach Hause genommen hab."

Mit diesen Worten verlasse ich das Gebäude.

So schön das Wetter noch am Abend war, so düster ist es jetzt.
Es regnet und ist unendlich kalt.





{ falls irgendwelche Fehler vorhanden sind, bitte anmerken :)
hoffe, es war einigermaßen gut hehe }

𝔽𝕣𝕦̈𝕙𝕝𝕚𝕟𝕘𝕤𝕖𝕣𝕨𝕒𝕔𝕙𝕖𝕟 | Gewitter im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt