⁵ / ᴅᴜɴᴋʟᴇ ᴡᴏʟᴋᴇɴ

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𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝


Die gesamte Nacht über habe ich nicht wirklich schlafen können. Nicht einmal Gisela konnte zur Ruhe kommen. Immer wieder hat sie Tics abgelassen, die meistens sogar mit Tim zu tun hatten.

Wir haben gestern nicht ein einziges Mal miteinander geschrieben oder sonst was voneinander gehört, was ziemlich ungewöhnlich war. Wenn wir uns am Tag nicht sehen, schreibt er mir mindestens abends, auch, wenn er nur fragt, ob es mir gut ginge oder ich meine Medikamente genommen hätte. Ich wollte ihn aber auch nicht anschreiben, da ich ihn nicht stören wollte. Er hat seine Ruhe mit Emilia verdient.

Müde sitze ich an meinem Wohnzimmertisch mit einem Kaffee und einem Käsetoast vor der Nase. Ich will gerade einen Schluck von dem heißen Getränk nehmen, als mein Handy klingelt. Nach einem kurzen Blick auf den Bildschirm sehe ich, dass es Tim ist, der mich anruft.

„Hey, Tim", begrüße ich ihn. „Samma, haste mal auf die Uhr geguckt? Was gibt's?"

„Jan, ich bin so glücklich. Es war so unbeschreiblich toll gestern", schwärmt er Gisela ignorierend. „Und ich möchte, dass ihr euch so schnell wie möglich kennenlernt. Am besten heute."

Fast hätte ich mich an meinem Kaffee verschluckt. „Heute? Ist das nicht ein bisschen voreilig? Ich meine, du-"

„Nein, überhaupt nicht, es ist genau richtig. Ich will, dass mein bester Freund meine Freundin kennenlernt."

Diesmal verschlucke ich mich wirklich an meinem Getränk. Freundin? Das ging jetzt aber verdächtig schnell. Eigentlich sollte es mir auch egal sein, es ist schließlich Tims Leben. Reicht es nicht, dass ich weiß, dass ich nie so schnell eine Beziehung mit jemanden eingehen würde? Wahrscheinlich will ich einfach nur nicht, dass er wieder verletzt wird. Ja, das wird es sein.

„Okay", krächze ich.

„Prima, also wir wollten Sushi bei diesem Asiaten im Park essen gehen. 16 Uhr? Was meinst du?"

„Klingt gut."

„Wirklich? Danke Jan, das bedeutet mir echt viel. Ich hatte erst Angst, dass–" „Timmy, komm zurück ins Bett", unterbricht ihn eine schrille Stimme. Das muss Emilia sein.

Plötzlich wird mir warm und kalt zur gleichen Zeit. Habe ich wirklich damit gerechnet, dass Emilia und Tim die Nacht nicht zusammen verbringen? Ich habe es mir jedenfalls erhofft, irgendwie.

„Okay Jan, ich muss jetzt auflegen, wir sehen uns später, ciao", ist alles, was er sagt, bevor er auflegt.

Missmutig esse ich meinen Käsetoast und starre den Fernseher an, der nicht einmal eingeschaltet ist. Ich bin viel zu geschockt von Tims Anruf. Und auf heute Nachmittag habe ich auch keine Lust. Ich will Emilia nicht kennenlernen.
Ich frage mich, warum ich sie eigentlich nicht mag. Ich kenne sie nicht und was getan hat sie mir auch noch nicht. Ich sollte mich einfach für ihn freuen und mich später von meiner besten Seite zeigen. Nichts ist schlimmer als die Tatsache, dass der beste Freund und der Beziehungspartner nicht miteinander klarkommen. Das will ich Tim nicht antun.
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Um Punkt 16 Uhr stehe ich vor dem kleinen asiatischen Laden, der fast ausschließlich Sushi verkauft. Ich war noch nie mit Tim hier, da er immer meinte, er möge Sushi und allgemein Asiatisch nicht so wirklich. Umso verwunderter bin ich, dass wir heute hierher gehen.
Emilia und Tim sind natürlich noch nicht hier, was ich aber auch erwartet habe, mit Tim kann man gar nicht pünktlich sein.
Ich will es ungerne zugeben, aber ich bin aufgeregt. Normalerweise bin ich nicht so schnell aus der Ruhe zu bringen, aber dass ich gleich die feste Freundin meines besten Freundes kennenlerne, ist dann doch irgendwie eine Hausnummer.

Da kommt ja die rote Schlampe", ist das erste, was Emilia von mir zu hören bekommt, als die beiden vor mir stehen. „Sorry, das war mein Tourette."

Emilia lacht nur - meines Erachtens etwas gekünstelt - und sagt „ich weiß, hab schon viel davon gehört", während sie mich zur Begrüßung umarmt.
Nachdem auch Tim mich gegrüßt hat, gehen wir rein.

Ich muss sagen, meine Aufregung war vollkommen umsonst. Emilia ist super sympathisch, akzeptiert mein Tourette, man kann sich mit ihr unterhalten, was will man mehr? Eigentlich habe ich gar keinen Grund, sie nicht zu mögen, aber trotzdem mag ich sie nicht. Irgendwie wirkt sie zu perfekt auf mich.
Gisela hat auch so ziemlich die gleiche Meinung wie ich, denn sie beleidigt Emilia am laufenden Band. Sie bekommt alles ab, Tim wurde noch gar nicht beleidigt oder berührt, auch nicht beachtet. Zum Glück können wir aber alle darüber lachen.
Immer wieder schiele ich zu den beiden und sehe, wir verleibt sie sich ansehen, was mich traurig stimmt.

„Ich muss mal auf die Toilette, ich kann euch doch bestimmt mal kurz alleine lassen, oder?", kommt es von Tim.

„Klar", erwidert Emilia.

He, lass mich nicht mit dem Flittchen alleine!" Wir lachen.

„Sag mal, was ist eigentlich dein verdammtes Problem?", fragt Emilia auf einmal harsch, als Tim nicht mehr zu sehen ist.

Ich muss sie ziemlich unglaubwürdig ansehen, denn sie schiebt noch „ich weiß nicht, was ich dir getan habe, dass dein scheiß Tourette mich hier so in jeder freien Sekunde beleidigt. Das fuckt extrem ab, kannst du nicht mal für ein paar Minuten die Klappe halten?" hinterher.

Was ist denn jetzt los?

„Ich weiß nicht, inwiefern du bereits Kontakt mit Tourette hattest, aber ich kann nicht kontrollieren wann und was ich sage. Dazu spiegelt es auch nicht das wieder, was ich denke oder am liebsten sagen würde."

Emilia verdreht die Augen. „Ich check echt nicht, wie Tim das mit dir aushält, mich nervt es jetzt schon."

Ob Tim das wirklich manchmal zu viel wird, mir aber nichts sagt, um mich nicht zu verletzen? Ich habe mir ehrlicherweise noch nie Gedanken drüber gemacht, aber es klingt plausibel.

„Sorry, aber du bist echt nicht ganz- ach Timmy, bist du schon wieder da? Wir haben uns gerade so gut unterhalten", sagt sie überheblich, nervös und lacht etwas zu sehr.

Bitte?

He, du fickst die doch nur, weil die rote Haare hat." Vorsichtig schaue ich in Emilias Gesicht, was jedoch in keinsterweise wütend oder traurig aussieht. Nein. Sie grinst. Auch Tim schaut sie an und versucht, ein Lachen zu unterdrücken.

Während des Essens sagt keiner auch nur ein einziges Wort. An der unangenehmen angespannten Stimmung merkt man, dass es nicht daran liegt, dass wir ins Essen vertieft sind.

Die ganze Zeit fühle ich mich von Emilia beobachtet, sodass ich mich nicht traue, richtig zu essen. Wenn ich hochgucke schaut sie aber nur auf ihr eigenes Essen. Ich weiß, dass es nur Einbildung ist, aber ich fühle mich trotzdem unwohl.
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„Wir beiden wollten noch bisschen spazieren, kommst du mit?", fragt Tim mich, als wir das Restaurant verlassen haben.

Ein Blick zu Emilia, die etwas hinter meinem besten Freund steht, und ich weiß, welche Antwort ich geben soll. „Danke, aber ich gehe lieber nach Hause."

Aber selbst, wenn Emilia mir nicht diesen Blick geschenkt hätte oder wenn das Wetter gut wäre, denn das ist es schon lange nicht mehr, heute Morgen waren zwar nur ein paar Wolken am Himmel, aber mittlerweile hat es sich komplett zugezogen, es sind nur noch dunkle Wolken zusehen, hätte ich nicht zugesagt.

„Okay, dann schreib mir aber bitte, wenn du Zuhause bist."

„Mach ich", flüstere ich etwas niedergeschlagen, bevor ich den Heimweg antrete. Ich höre nur noch Emilias überhebliches Lachen.







{ frohe Ostern 🐣 :) }

𝔽𝕣𝕦̈𝕙𝕝𝕚𝕟𝕘𝕤𝕖𝕣𝕨𝕒𝕔𝕙𝕖𝕟 | Gewitter im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt