¹⁵ / ʟᴇɪᴄʜᴛᴇ sᴏɴɴᴇɴsᴛʀᴀʜʟᴇɴ

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𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝


„Ist das in Ordnung für dich, wenn ich jetzt nach Hause fahre? Dann kann ich schon das Video schneiden", fragt Tim, nachdem wir uns aus unserer viel zu kurzen Umarmung gelöst haben.

An sich bin ich nicht sonderlich begeistert davon. Er zeigt die gleichen Indizien auf wie beim letzten Mal, als seine Beziehung zu Ende ging. Ich merke, dass er sich wieder in die Arbeit stürzen und sich abspalten will.
Früher ist er nie direkt nach dem Dreh nach Hause gefahren. Entweder wir haben einen Livestream gestartet, eine Pizza bestellt und einen Film geschaut oder wir sind einfach nur noch mit Henry spazieren gewesen.

„Aber nur, wenn wir später noch telefonieren."

Verwirrt schaut er mich an.

„Tim, ich spüre doch, dass du dich schon wieder distanzieren willst."

„Hä, mir geht es gut, ich will einfach nur das Video schneiden, damit wir es so schnell wie möglich hochladen können. Wir haben schon viel zu lange nichts mehr hochgeladen."

In Gedanken gebe ich ihm Recht, aber dennoch ist das nicht seine Art. Ich kenne ihn zu gut, um zu wissen, was in den nächsten Tagen auf mich zukommen wird, wenn ich jetzt nachgebe: Ein Tim, der mich anpampen wird, da er nicht glauben will, dass es ihm nicht so gut geht, wie er behauptet.
Ein Tim, der sich Zuhause in seinem Zimmer einsperren wird und niemanden zu sich lassen wird, nicht einmal seinen treuen Hund.
Widerwillen stimme ich aber trotzdem zu.

𝚃𝚒𝚖𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝


Ich will mir nicht eingestehen, dass Jan Recht hat, dass ich mich distanzieren will.
Ich brauche jetzt einfach Zeit für mich, ganz alleine. Irgendwie muss ich meine Trauer versuchen, zu überwinden, mit der ganzen Situation klarkommen.
Ich kann nicht die ganze Zeit wir ein trauernder Klotz als Belastung an Jans Beinen hängen, er hat schon genug, womit er fertig werden muss, da muss er sich nicht auch noch um mich kümmern.

Durch ein Klopfen schaue ich vom Laptop auf. Meine Mutter kommt durch die Tür.

„Hey mein Großer." Sie kommt auf mein Bett zu und setzt sich auf die Bettkante. „Alles okay bei dir? Du wirkst nur noch wie ein Schatten deiner Selbst."

Sie weiß noch gar nichts davon, dass ich nicht mehr mit Emilia zusammen bin, ich bin gestern direkt hochgegangen, habe meine Eltern weder begrüßt noch irgendwie wahrgenommen. Wie hypnotisiert habe ich den Weg zur Treppe gesucht und oben habe ich mich direkt ins Bett geschmissen, welches ich bis jetzt auch nicht wieder verlassen habe.

Sollte ich mit ihr darüber reden?

„Emilia und ich haben uns getrennt", flüstere ich auf den Bildschirm starrend, bedacht darauf, nicht zu weinen.

Mir fällt gerade auf, dass ich das noch nie so ausgesprochen habe, es ist unglaublich schlimm. Ich habe diese Worte noch nie gehört, bis jetzt.

„Was ist passiert?", fragt sie einfühlsam.

„Sorry Mama, aber ich will nicht darüber reden."

„Och Timmy, du gefällst mir gar nicht."

Vorsichtig streicht sie über meine Kopf.
Ich bin so niedergeschlagen, dass ich sie noch nicht einmal auf meinen Spitznamen anspreche, den ich überhaupt nicht leiden kann. Normalerweise hätte ich ihr jetzt schon gesagt, dass sie mich bitte nie wieder so nennen soll. In einem nicht freundlichen Ton.

Ich zucke nur mit den Schultern, weiß nicht, was ich noch sagen soll. Meine Mutter ignorierend tue ich so, als würde ich das Video weiterschneiden.

„Warum triffst du dich nicht mit Jan", schlägt sie vor. „Danach hast du dich schon immer besser gefühlt."

Ich schüttle den Kopf. Ich kann nicht.

„Habt ihr Streit?", fragt sie direkt alarmiert.

Haben wir noch Streit? Eigentlich ist doch soweit wieder alles gut zwischen uns, oder? Naja, so richtig hat er nicht gesagt, dass er mir verziehen hat, und so richtig entschuldigt habe ich mich auch noch nicht. Falls er mir überhaupt verzeihen kann, denn das, was ich abgezogen habe, ist so gut wie unverzeihbar.

„Nein, ich glaube nicht", erwidere ich bedenklich.

Meine Mutter ist so ein Engel und im Moment tut es mir unglaublich Leid, dass ich so abweisend zu ihr bin.

„Soll ich Henry hochholen?", erkundigt sie sich, statt sauer auf mich zu sein.

Ich nicke überschwänglich. Mit Henry spielen könnte mir jetzt wirklich guttun.
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Eine Weile spiele ich mit dem Vierbeiner in meinem Zimmer, was mich tatsächlich für kurze Zeit ablenkt, aber dann kommt die Trauer auch schon wieder.
Ich fühle mich, als wäre es nicht richtig, so schnell wieder etwas Freude zu fassen, als wäre es Emilia gegenüber nicht fair. Ich sollte nicht glücklich mit Henry spielen, sondern weinend im Bett liegen. Schließlich ist die Beziehung mit einer Person, die ich sehr geliebt habe nun vorbei.
Kaum bin ich mit den Gedanken erneut vollständig bei ihr angekommen, fließend auch wieder die Tränen.

Mit meinem Gesicht im Kopfkissen liegend lasse ich einfach alles raus, während Henry neben mir auf dem Boden sitzt und winselt. Er versteht mich. Ein gekonnter Sprung und schon halt er sich neben mich gelegt. Seine nasse Nase berührt sanft mein Gesicht, meine Hand streichelt über sein dickes Fell.

Nach geraumer Zeit höre ich, wie mein Handy klingelt und ich schrecke auf. Draußen geht die Sonne schon langsam unter, es fallen nur noch ein paar leichte Sonnenstahlen in mein Zimmer. Ich muss geschlafen haben. Schnell stütze ich mich auf meine Ellenbogen, um, ohne auf das Display zu gucken, anzuheben.

„Hallo?"

„Tim? Okay, Gott sei Dank, du lebst."

„Jan, warum rufst du mich an? Ist alles in Ordnung?"

„Bei mir schon, aber bei dir nicht. Ich komme jetzt gleich zu dir, ich weiß genau, was du vor hast und das lasse ich nicht zu."

„Jan, du brauchst nicht vorbeikommen, mir geht's gut wirklich, ich musste einfach nur mal in Ruhe schlafen."
Natürlich entspricht das nicht vollkommen der Wahrheit und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als jetzt in seiner Nähe zu sein, bei einer Person, mit der ich reden kann.

„Keine Wiederrede. Ich bin gleich da und dann gehen wir mal mit Henry raus."

„Warum denkt ihr eigentlich alle, ihr würdet es besser wissen? Als könntet ihr meine Gefühle lesen. Lasst mich doch einfach in Ruhe!", fahre ich Jan wütend an, was ich sofort bereue.

„Weil wir die ganze Situation schon einmal hatten, Tim. Ich bin in einer viertel Stunde bei dir und dann gehen wir an die frische Luft, ob du willst oder nicht!
Ich will doch nur, dass es dir gut geht, dass du nicht wieder so leidest. Und manchmal muss man jemanden halt zu seinem Glück zwingen", mit diesen Worten legt er auf.




{ denken eure Lehrer auch, ihr habt jetzt aller Zeit der Welt? :(( }

𝔽𝕣𝕦̈𝕙𝕝𝕚𝕟𝕘𝕤𝕖𝕣𝕨𝕒𝕔𝕙𝕖𝕟 | Gewitter im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt