² / ᴍᴏʀɢᴇɴsᴏɴɴᴇ

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𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝


Die Sonnenstrahlen der hellen Morgensonne scheinen mir direkt durch mein Schlafzimmerfenster ins Gesicht. Eigentlich will ich noch gar nicht aufwachen, ich fühle mich elend. Vielleicht hätte ich doch weniger trinken sollen, ich wusste, dass sich der Alkohol nicht gut mit meinen Medikamenten verträgt.

Verschlafen reibe ich meine Augen, wälze mich noch etwas hin und her. Da ich leider nicht mehr einschlafen kann, setze ich mich auf und kneife meine Augen vor Helligkeit zusammen. Hätte ich bloß heute Nacht noch die Jalousien heruntergemacht.

Als ich meine Augen wieder ganz öffnen kann, nehme ich mein Handy vom Nachttisch, um zu schauen, was ich in den vergangenen Stunden verpasst habe. Nun wacht auch Gisela auf, in dem sie andeutet, mein Handy auf den Boden fallen zu lassen.
8:32 Uhr. Mein Blick gleitet auf meine Benachrichtigungen. Sofort reiße ich meine Augen auf. 23 verpasste Anrufe und 16 ungelesene Nachrichten. Die letzte um 5:56 Uhr. Alles von Tim. Nichts von Lasse.

Auf der Stelle rufe ich Tim zurück. Hoffentlich ist ihm nichts passiert. Normalerweise ruft er mich nie so oft an, oder schreibt mir so viele Nachrichten. Warum hab ich den Ton nicht auf laut gelassen?
Ich weiß nicht, wie lange es klingelt, bis Tim endlich abnimmt, aber die Minuten waren der blanke Horror. Als er abnimmt, fällt mir ein Stein vom Herzen.

„Jan, ist alles okay?!", fragt er verschlafen, aber alarmiert.

„Das gleiche könnte ich dich fragen. Warum hast du mich so bombardiert?"

„Du warst gestern einfach verschwunden und Patrick und Quentin wussten auch nicht, wo du hingegangen bist. Ich - ich hab mir doch nur Sorgen gemacht, dir hätte sonst was passiert sein können. Vor allem, als du nicht erreichbar warst, ich wäre beinahe mit dem Taxi zu dir gefahren anstatt nach Hause."

Habe ich Patrick nicht gesagt, dass ich schonmal nach Hause fahre? Er hat eindeutig zu viel getrunken. Wie es ihm heute Morgen wohl geht?
Ich frage mich, wie viel Tim getrunken hat, denn er klingt weder so, als hätte er einen Kater oder Filmriss noch als ginge es ihm nicht gut und offenbar habe ich ihn geweckt.

„Mir ging's nicht gut und bin deshalb früher nach Hause gefahren."

Ich höre, wie Tim sich aufsetzt. „Geht's dir gut? Soll ich vorbei kommen? Hattest du eine Panikattacke?"

Ich muss Lächeln. „Nein, brauchst du nicht, mir geht's gut, wirklich. Und nein, ich hatte auch keine Panikattacke. Vermutlich lag's am Alkohol. Genau, ich hab nämlich in hohen Bogen in den Club gereihert."

„Ich glaube, wir sollten später nochmal darüber reden."

Am liebsten würde ich antworten, dass es nicht nötig sei, aber wahrscheinlich wäre es besser, um keine Lügen oder unausgesprochene Tatsachen in unserer Freundschaft zu haben.
Aber eigentlich war es doch gar keine Lüge, oder?

„Außerdem muss ich dir auch noch was erzählen", sagt er nun geheimnisvoll.

Oh Gott, bitte nichts über die Rote. Ich will nicht wissen, wie laut die Schlampe gestöhnt hat." Ich erstarre kurz. Das hat Gisela nicht wirklich gesagt...

Tim scheint es nicht annähernd so unangenehm zu finden wie ich, denn sein tiefes Morgenlachen schallt durch den Hörer. „Nein Gisela, das werde ich dir auch nicht sagen."

„Ich, ähm, willst du gegen 15 Uhr kommen? Dann können wir auch noch ein Video drehen."

„Ja, klingt gut, bis später", erwidert er erfreut.

„Bis später." Das kann ja nur unangenehm werden.
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Natürlich steht Tim nicht pünktlich um 15 Uhr vor meiner Tür, sondern mindestens 20 Minuten zu spät. Ich bin ziemlich nervös, was auch an Gisela zu merken ist, denn die gab in den letzten Minuten keine drei Sekunden Ruhe. Hoffentlich spricht er mich nicht auf den ticbedingten Ausruf bezüglich der Frau an.

Gisela spiegelt nie das wieder, was ich eigentlich denke, aber diesmal könnte das hinkommen. Nur hätte ich es freundlicher ausgedrückt. Warum denke ich sowas überhaupt? Ist doch toll, dass Tim mal wieder intimeren Kontakt mit einer Frau hatte.

Zur Begrüßung umarmen wir uns, bevor Tim mich bestimmend an der Hand Richtung Wohnzimmer zieht und mich an den Armen aufs Sofa drückt. Gisela wehrt sich ein paar Mal, aber der Braunhaarige ist stärker.

„So, und jetzt erzählst du mir, weshalb du gestern wirklich früher gegangen bist beziehungsweise, warum du mir nichts gesagt hast. Normalerweise verhältst du dich anders, wenn's dir nur ‚nicht gut' geht.
Hat dieser Typ dir was getan? Hat er dich gedrängt, mehr Alkohol zu trinken? Hat dir irgendwer anders was getan?"

Er schaut mir mit seinen klaren blauen Augen tief in meine. Ich muss schlucken.
Ich hätte nicht gedacht, dass er sich solche Sorgen macht. Und wann hat er das mit Lasse mitbekommen?
Okay, wir sind beste Freunde, da sollte man über alles reden können. Ich will aber auch ungerne ihm die Schuld dafür geben. Im schlimmsten Fall macht er sich dann irgendwelche Vorwürfe. Er kann es immer kaum verkraften, wenn es mir nicht gut geht, er aber nicht bei mir sein kann. Und diesmal lag mein Unwohlbefinden an ihm.

„Also getan hat mir niemand was. Ich... ähm... mir ging's wirklich nicht gut, keine Ahnung, ich wollte einfach nach Hause und du warst halt gerade anderweitig beschäftigt und da wollte ich dich ungerne bei stören. Und sehen wollt' ich's auch nicht. Nein, nein, nein."

Tims Blick wird weich. Seine großen Hände finden meine und umschließen sie. „Jan, du kannst immer zu mir kommen, wenn es dir nicht gut geht. Und das sage ich jetzt nicht nur so, ich meine es echt ernst. Keine Frau der Welt wird jemals wichtiger sein, als du, deine Gesundheit und unsere Freundschaft. Merk dir das. Bitte."

Oh ja, dann hätten wir einen Dreier auf der Toilette gehabt."

Während ich meine Hände aus seinen reiße, um sie mir vor Scham vors Gesicht zu halten, muss Tim lachen.

„Da wir wieder bei diesem Thema sind, kann ich's dir ja auch gleich erzählen.
Also, sie heißt Emilia und ich... sie... wir treffen uns morgen. Also wir haben ein Date. Jan, ich glaube, da könnte sich wirklich was Ernstes draus entwickeln."

Ich höre Tim aufmerksam zu und muss erstmal verdauen, was er mir soeben anvertraut hat. Als bester Freund sollte ich mich eigentlich für ihn freuen, aber aus unerklärlichen Gründen kann ich das nicht.

„Und da bist du dir jetzt schon so sicher? Du kennst sie erst seit gestern. Und das nur vom Feiern." Ich bin wenig sensibel vorgegangen, was mir im Nachhinein irgendwie leidtut.

„Ja, ich bin mir sogar sehr sicher. Wir haben uns super verstanden, sie ist unfassbar lustig, natürlich, echt, findet es cool, dass wir YouTube machen - es passt einfach zu 100%."

Safe eine, die auf deinen Fame geiert."

„Nein, das tut sie nicht. Sie wusste das am Anfang nicht einmal. Eigentlich wollte ich ihr das auch gar nicht sagen, aber ich wollte auch nicht, dass sich alles auf einer Lüge aufbaut."

Er hat sich also schon von Anfang an mehr erhofft.
„Ich freue mich für dich, Tim. Wirklich", versuche ich so überzeugend wie möglich rauszubringen.

Ein Blick in sein Gesicht sagt mir, dass er mir glaubt, denn er grinst übers ganze Gesicht.
Leider muss aber auch Gisela noch etwas dazu sagen: „Du bist meins!" Währenddessen schlingt sie die Arme um Tims Oberkörper. Ich verspüre ein wohliges Kribbeln und lasse ihn auch nicht los, nachdem der Tic vorbei ist. Ich brauche das jetzt.

„Kein Sorge Gisela, du wirst mich nicht los", lacht Tim und erwidert meine Umarmung.

𝔽𝕣𝕦̈𝕙𝕝𝕚𝕟𝕘𝕤𝕖𝕣𝕨𝕒𝕔𝕙𝕖𝕟 | Gewitter im KopfWo Geschichten leben. Entdecke jetzt