𝙹𝚊𝚗𝚜 𝚂𝚒𝚌𝚑𝚝
„Jan! Ich muss dir unbedingt was erzählen!“
Ich bin erst halbwach, da kommt Tim schon voller Freude in sein Zimmer gehüpft. Seit wann ist er vor mir wach? Und schon so überdreht?
Großzügig lässt er sich neben mich aufs Bett fallen.„Halt dich fest“, meint er und fasst mit einer Hand an meinen Unterarm, welcher oberhalb der Decke liegt. Er grinst über's ganze Gesicht. Ich ahne nichts Gutes.
„Emilia hat mir wieder geschrieben.“Ich hoffe, ich bin noch am Träumen. Das hat Tim nicht wirklich gesagt, oder?
„Sie meinte, sie habe gestern den Livestream gesehen und gemerkt, wie sehr ich ihr fehle, weswegen sie gefragt hat, ob wir uns heute treffen wollen.“
Ticbedingt schlage ich seine Hand weg.
Ich bin wohl wirklich wach. Leider.„H-hast du zugesagt?“ Meine Stimme zittert.
Obwohl ich die Antwort schon weiß, frage ich trotzdem.„Ja, natürlich.“
Sofort sind alle meine jemals dagewesenen Glücksgefühle aus meinem Körper verschwunden.
Ich bin gar nicht fähig, etwas dazu zu sagen. Ich bin einfach nur sprachlos und nicke mit meinem Kopf, lasse die Worte in meinem Kopf wiederholen, ohne sie wirklich zu verstehen.
Nicht einmal Gisela gibt einen Kommentar dazu ab, sie hat sich bisher auf motorische Tics beschränkt, die dafür aber die ganze Zeit den Mittelfinger zeigen.Die letzten Tage habe ich mich nahezu ununterbrochen um ihn gekümmert, geholfen, dass er Emilia vergisst, dass er mit dem Schmerz klarkommen kann, ihn verarbeitet, glücklich wird.
Und das ist jetzt der Dank.„Ist das nicht toll?“
Tim ist mit seinen Gedanken so auf Emilia fixiert, er bemerkt gar nicht, dass ich von Sekunde zu Sekunde mehr den Glauben und die Fassung verliere.
„Ja, mega toll", antworte ich monoton, ehe ich mich aus der Decke schäle und anschließend aufstehe, um mich anzuziehen.
Ich spüre Tims skeptischen Blick als ich ums Bett gehe, sein Kopf folgt meinem Körper.
„Was ist los mit dir, Jan?“
„Nichts“, lüge ich, während ich ein Shirt aus meinem Kleiderschrank hole. „Viel Spaß später.“
Ich höre mich echt an wie die beleidigte Freundin, dessen Freund dermaßen verkackt hat.
„Du weißt aber schon, dass wir heute zum Videodreh mit Quentin verabredet sind, oder?“ , fällt mir wieder ein.
Das fängt ja schon super an. Hätte er ihr nicht wenigstens schreiben können, dass er erst morgen Zeit hätte?„Dann machen wir das halt vorher", sagt er problemlos, als wäre es eine Fangfrage gewesen.
„Ich freue mich einfach so!“
Mit Schwung lässt er sich nach hinten aufs Bett fallen, ich starre ihn nur ungläubig an.„Man Jan, warum gönnst du mir das denn nicht?“, fragt er schmollend.
Nicht vergessen, dass du ihm immer noch helfen willst. Nicht alles aufgeben, nur weil er sich mit Emilia treffen will. Also setze ich mich neben ihn aufs Bett, woraufhin auch Tim sich aufsetzt.
Auf einmal sind wir uns extrem nah und fast vergesse ich, was ich sagen wollte.„Versteh‘ doch, Tim, Emilia hat dich unendlich verletzt, dir quasi das Herz herausgerissen. Weißt du, wie schlecht es dir die letzten Tage ging? Schon von außen sahst du schrecklich aus, ich will gar nicht wissen, was in dir vorgegangen ist.
Und dieser Person willst du eine zweite Chance geben? In der Hoffnung, dass ihr wieder zusammenkommt? Mit der Gefahr, dass sie schließlich auch noch auf deinem Herz herumtrampelt?“
Meine Stimme ist ganz sacht, versuche, es im schonend beizubringen.
Herumbrüllen ist keine Argumentation.„Das ändert aber nichts daran, dass ich sie immer noch liebe.“
Es ist nur noch ein Flüstern.Mein Herz zieht sich zusammen. Der Schmerz ist unerträglich.
Er liebt sie. Immer noch. Und noch sehr lange. Für immer?Ich fühle mich wie in einem schlechten Film.
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Bereits um 12 Uhr steht Quentin vor der Tür. Wir beginnen auch sofort mit dem Drehen, Tim scheint nicht schnell genug fertig werden zu wollen.Den ganzen restlichen Tag herrscht eine angespannte Stimmung zwischen uns, selbst der Videodreh funktioniert nicht so, wie geplant.
Tim ist die ganze Zeit in seiner eigenen Welt, was Gisela ganz und gar nicht gefällt. Immerzu will sie ihn mit Hundefutter füttern, nennt anstößige Phrasen über Rothaarige und versucht ihn, unsittlich zu berühren, was ich seit Neustem super unangenehm finde, manchmal nimmt mein Gesicht sogar einen rosanen Farbton an.
Ich frage mich immer noch, warum er unbedingt ein Video drehen wollte, obwohl das bereits aufgenommene noch nicht einmal fertig ist. Er sollte sich entspannen und alles ruhig angehen lassen. Natürlich tut Ablenkung gut, aber das ist definitiv der falsche Weg.Nach dem Dreh will er uns dann auch sofort loswerden, da er noch duschen müsse. Er schmeißt uns fast schon raus.
„Sehen wir uns morgen?“, frage ich ihn während der Umarmung. Ich genieße sie ungemein, wer weiß, wann ich wieder dazu komme.
„Kann ich dir noch nicht sagen, ich schreib dir später", erwidert er.
Nicht die Antwort, die ich mir erhofft habe.
Aber seine Antwort klang nicht kalt, sondern ernst, weswegen ich doch eine kleine Art der Hoffnung schöpfe.Aber sollte er mir schreiben, um mir zu sagen, dass sie es noch einmal miteinander versuchen wollen… ich glaub, ich würde sterben. Ein weiteres Mal kann ich diese Strapazen nicht durchsehen, dafür waren sie viel zu schlimm.
Benommen gehe ich neben Quentin den Weg zu seinem Auto lang, aber ich will einfach nur alleine sein, weswegen ich sein Angebot, mich nach Hause zu fahren, ablehne.
„Was ist eigentlich los bei euch beiden? Irgendwas lag heute gewaltig in der Luft.“
„Ich bin der Meinung, Tim sollte sich nicht erneut mit Emilia treffen, er ist aber vom Gegenteil überzeugt. Wir hatten heute nach dem Aufstehen direkt eine kleine Meinungsverschiedenheit deswegen und niemand hatte den Anstand, sich zu entschuldigen oder so.“
„Warte, ihr habt die Nacht zusammen verbracht?“ Quentin sah mich mit einem verschmitzten Blick an. Typisch.
Ich zuckte mit den Schultern. Wieso nicht? Sowas machen beste Freunde halt.“
Ob beste Freunde dann auch besser und durch schlafen können?
Ob beste Freunde dabei auch kuscheln?
Ob beste Freunde währenddessen auch nervös sind?
Ob beste Freunde auch ein merkwürdig angenehmes Kribbeln verspüren?
Ob beste Freunde sich auch wünschen, dass es nie wieder endet, dass das Gefühl niemals endet?Und in diesem Moment merke ich: ich bin eifersüchtig. Und das nicht im freundschaftlichen Sinne. Wenn ich mir vorstelle, dass Tim Emilia später berühren wird, wünsche ich mir nichts sehnlicher, als an ihrer Stelle zu sein.
Tim und ich haben in den vergangenen Tagen so viele innige Momente geteilt. Und jeder einzelne hat mir unfassbar viel bedeutet.
Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass diese nie wieder zurückkommen, hätte ich gestern doch seine Hand nehmen sollen.
Warum muss ich auch über alle Handlungen doppelt und dreifach nachdenken?Auf dem Weg zu meiner Wohnung entdecke ich in einem der Nachbarsgärten viele tränende Herzen und denke mir, wie gut diese zu meiner Stimmung passen.
Nie hätte ich gedacht, dass ich mich mal mit einer Pflanze identifiziere.
Ich muss echt verloren sein.{ einfach schon das 20. Kapitel... hätte nicht gedacht, dass ich es soweit bringe tbh
aber ich hoffe, es hat euch gemundet :)}
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𝔽𝕣𝕦̈𝕙𝕝𝕚𝕟𝕘𝕤𝕖𝕣𝕨𝕒𝕔𝕙𝕖𝕟 | Gewitter im Kopf
FanfictionTim und Jan sind schon seit Jahren beste Freunde, die durch ihren YouTube-Kanal nur noch stärker zusammengewachsen sind. Nie hätte Jan gedacht, dass sich alles durch einen einzigen Faktor um 180° drehen könnte... ... und dass es vielleicht doch mehr...