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I ain't even gotta try to find the
G-O-O-D in goodbye.
-Madison Beer
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Ella

Ein letztes Mal strich ich über meine Hose und warf noch einen Blick in den Spiegel. Meine schwarze Bluse saß locker am Oberkörper und meine blauen Haare hatte ich in einem einfachen Zopf zusammengebunden. Heute war Hannahs Beerdigung. Shawn hatte mir die Daten gemailt - ich hatte ihn ansonsten überall blockiert - und mich gebeten, zu der Beerdigung zu gehen.

Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es tun müsste. Es war, als wäre ich es Hannah schuldig, aber ich verstand nicht, wieso. Trotzdem hatte ich mich letztendlich dazu entschlossen, hinzugehen. Ich wollte mich auch von ihr verabschieden, obwohl ich sie kaum gekannt hatte. Außerdem wollte und konnte ich Shawn nicht alleine lassen. Mein schlechtes Gewissen ihm gegenüber fraß mich praktisch auf und quälte mich die ganze Zeit. Ich hätte ihn niemals mit dem Verlust alleine zurücklassen sollen.

Ich verließ das Hotel, in dem ich jetzt schon seit über einer Woche wohnte. Das Taxi stand bereits vor dem Eingang des Hotels und ich konnte schnell einsteigen. Nachdem ich dem Fahrer die Adresse genannt hatte, ließ ich mich in den Sitz fallen und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

"Could we talk through the night if I told you I never sleep?
Could you be the air in my lungs when I can’t breathe?"

Seine Stimme hallte in meinem Kopf wieder. Shawn hatte gestern Love me or leave me veröffentlicht und ich wusste immer noch nicht, was ich davon halten sollte. Es war so privat, so ich. Da steckten Gedanken und Gefühle von mir drin und er hatte sie jetzt der Welt gezeigt. Sie einfach veröffentlicht. Ich wusste nicht, wie das Lied bei den Fans ankam, da ich mir nichts davon angeschaut hatte. Außerdem wurde auch mein ganzer Feed von Glückwünschen an den Sänger überhäuft, der gestern Geburtstag gehabt hatte.

Der Taxifahrer hielt an und ich bezahlte ihn schnell, bevor ich aus dem Auto sprang. Ich fuhr noch einmal über meinen Mantel und ging dann langsam auf die Kirche zu, in der der Gottesdienst stattfinden sollte. Der Pastor gab mir die Hand, bevor ich hinein ging und mich in die letzte Bankreihe setzte. Es war jetzt schon voll, obwohl der Gottesdienst erst in einer viertel Stunde beginnen sollte.

Kurz bevor es beginnen sollte, wurde die Tür geöffnet und Shawn und Liyah kamen herein. Sie setzten sich in die selbe Reihe und mich überzog ein Schauer. Nur eine mir fremde Person und Liyah trennten mich von Shawn. Zwei Personen saß ich von dem Sänger entfernt.

Von der Seite musterte ich die Geschwister. Shawns Gesicht war blass und seine Augen waren rot. Seine Augenringe waren groß und er wirkte unglaublich erschöpft und fertig. Die Augen seiner Schwester waren auch rot, aber sie sah gefasster aus, als ihr Bruder. Sie hielt seine Hand und man konnte Shawn ansehen, dass er sich gerade komplett an seiner Schwester festklammerte. Er sah gequält aus und als würde er jeden Moment zusammen brechen.

Liyah flüsterte irgendwas, was ich nicht verstehen konnte. Der Sänger hob seinen Blick und schaute mir direkt in die Augen. Überrascht weiteten sich seine und ich wandte mein Gesicht schnell ab. Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Ich schluckte schwer und konzentrierte mich dann auf den Pastor, der gerade die Kirche betrat. Die Augen von Shawn und seiner Schwester spürte ich immer noch auf mir, doch ich schaute nicht erneut zu ihnen.

Der Gottesdienst war für eine Beerdigung wirklich schön. Es wurde von Hannahs Leben erzählt und davon, was sie für ein Mensch gewesen war. Auch von lustigen Momenten aus ihrem Leben wurde erzählt, aber auch von großen Veränderungen. Letztendlich wurde noch ein Lied gespielt.

"Quando sono solo sogno all'orizzonte e mancan le parole
Sì lo so che non c'è luce in una stanza quando manca il sole"

Time to say goodbye. Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus und die Gefühle überwältigten mich.
Ich versuchte mit all meiner Kraft, die Tränen zu unterdrücken, doch es gelang mir nicht. Ich kannte Hannah kaum, doch niemand, aber auch wirklich niemand, hatte so etwas verdient. So einen Tod zu erfahren.

Die fremde Frau neben mir wischte sich über die Augen, aber das war nicht das, was meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Shawns Schluchzen und Aliyahs stummes Weinen fesselten meine Aufmerksamkeit und ich hatte das dringende Bedürfnis, die beiden zu umarmen und ihnen zu sagen, dass es besser werden würde.

Doch ich wusste, dass es nicht wirklich besser werden würde. Jeder Mensch, der sagte, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, war ein Lügner und machte sich selbst etwas vor. Wir lernen irgendwann, damit umzugehen und damit zu leben, aber das machte es nicht besser. Das Leben war ein Arschloch, ein Höllentrip, und manchmal gab es Momente, in denen das Leben wundervoll war. Wir erlebten Höhepunkte, lachten, hatten Spaß, doch es gab auch die Momente, in denen wir weinend auf dem Boden saßen. Momente, in denen wir am Ende waren und aufgeben wollten. Jeder kannte diese beschissenen Momente im Leben und jeder würde sie am liebsten verbannen. Doch es ging nicht, denn wir lebten nun einmal. Und das Leben war nicht fair. Es war ein mieses Arschloch, dass uns durch den Himmel und die Hölle schickte. Einige hielten es bloß nicht mehr in der Hölle aus, da sie zu lange dort drinnen verbracht hatten.

Ich fuhr mir übers Gesicht und holte einmal tief Luft, während das Lied endete. Der Gottesdienst wurde beendet und einige gingen noch zu dem Sarg, der auf dem Altar war. Sie sagten letzte Worte an Hannah und verabschiedeten sich. Auch die Frau neben mir erhob sich, weshalb Shawn und Liyah sie vorbei ließen. Die junge Kanadierin suchte meinen Blick, bevor auch sie zu dem Sarg lief und mich und Shawn alleine dort sitzen ließ.

"Du bist tatsächlich gekommen.", nuschelte Shawn und ich hatte Probleme, ihn zu verstehen, da er seinen Kopf in seine Hände gelegt hatte. Er hob den Blick und sah mir in die Augen. "Wird es besser werden?", fragte er, ohne eine Antwort von mir abzuwarten. "Es wird immer etwas von ihr in dir sein. Du wirst lernen, damit zu leben, aber es wird nicht wirklich besser werden, auch wenn ich dir das wirklich gerne sagen würde.", hauchte ich ihm entgegen.

Shawn ließ seine Hände sinken und legte sie auf seine Beine. "Ich wünschte, ich hätte sie davor bewahren können."

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Denkt ihr, dass es besser wird? Was auch immer es sein mag🤷🏼‍♀️

true love | shawn mendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt