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Wo Leid ist, da ist geweihte Erde.
Eines Tages wird die Menschheit begreifen, was das heißt. Vorher weiß sie nichts vom Leben.
-Oscar Wilde
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Ella

"Hä?", fragte ich unintelligent. "Was soll los sein? Mir geht's gut." Die Lüge ging mir glatt über die Lippen. Shawn schnaubte und sah so aus als hätte er beinahe lauthals los gelacht.

"Ja, klar. Und ich bin die heilige Mutter Maria und gleichzeitig noch die Queen. Mich anlügen kann ich auch selbst, Love"
Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich bemerkte, was er gesagt hatte. Och ne man, war das jetzt sein Ernst? Das musste doch jetzt nicht ernsthaft sein. Ich verdrehte die Augen und seufzte leise.

Dann sah ich ihn an und antwortete: "Es ist alles okay." Nach jedem Wort machte ich eine kleine Pause, um den ganzen ein bisschen mehr Wirkung zu verleihen.

Nun verdrehte auch Shawn die Augen und zog die Augenbrauen hoch. Es war dieser "Du erwartest doch jetzt nicht ernsthaft, dass ich dir das glaube" Blick. Ich hatte ihn so oft bei Ade angewandt und ich wusste, dass Shawn ziemlich sicher genauso schwer zu überzeugen war, wie ich.

"Wir werden diesen Raum nicht eher verlassen, bevor du mir nicht sagst, was los ist." Diese Bestimmtheit in seiner Stimme gefiel mir gar nicht. Und dann drehte er sich auch noch um und verschloss die Tür. Dieser bittere Geschmack der Hilflosigkeit breitete sich in mir aus. Das war gar nicht gut. Ganz und gar nicht.

"Shawn–", ich brach ab. "Ich– es ist wirklich alles okay." Der Kanadier schüttelte seinen Kopf. "Du kannst noch nichtmal einen Satz sagen, ohne zu stottern. Ich sehe es dir an, wenn du lügst, Ella. Das funktioniert nicht." 

Er setzte sich neben mich auf die Couch und sein Bein berührte meines. Wenn auch nur für eine Millisekunde. Das behagte mir überhaupt nicht. Ich war versucht, aufzuspringen, aber das würde mich nur auffliegen lassen. Ich riss mich zusammen und sah ihm unsicher in die Augen.

"Es geht mir wirklich gut, Shawn."
"Lüg mich nicht an. Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Du bist blass, deine Augen sind trüb, du kannst in keiner Weise mehr lächeln. Es geht dir ganz und gar nicht gut."

Langsam verärgerte er mich. Es war überhaupt nicht mehr sein Problem und er konnte mich ja wohl kaum dazu zwingen, darüber zu reden. Hatte er sich außerdem mal selbst angeschaut? Natürlich sah er immer noch gut aus, das konnte ich nicht leugnen, aber er selbst war doch auch nur noch ein wandelndes Wrack.

"Hast du dir denn mal deine Augenringe und deine Gesichtsfarbe angeguckt? Dir soll es doch angeblich auch gut gehen. Tut es ja aber offensichtlich nicht. Und jetzt mach mir nicht so einen Druck. Wenn ich mit dir darüber reden wollen würde, täte ich das. Will ich aber nicht."

Ich wurde so wütend auf Shawn und ich konnte das nicht einmal richtig begründen. Einfach nur diese Fragerei und diesen Druck, den er gewollt oder ungewollt auf mich ausübte, war schmerzhaft. Mir war durchaus bewusst, dass das eher aus Sorge entstand, aber zu diesem Zeitpunkt ging es mir nur unwahrscheinlich auf die Nerven.

Ich stand auf und griff nach meinem Rucksack, der neben mir auf dem Boden stand. Stur ging ich zur Tür und drehte den Schlüssel herum, doch bevor ich die Tür öffnen konnte, lies Shawn sie wieder zu schlagen.

Ruckartig drehte ich mich um und knallte mit meinem Rücken gegen die Tür. Er stand direkt vor mir und ich spürte seine Atmung auf meiner Haut. Schleichend machte sich das Gefühl von Angst in meiner Brust breit. Überall spürte ich diese und den Druck. Ich hörte meinen Herzschlag und meine Atmung, die immer flacher wurde.

"Rede mit mir", meinte er und seine Stimme war erstaunlich sanft. "Bitte" Jetzt klang sie sogar schon flehentlich. Ich war nicht in der Lage, etwas zu sagen. Mein Gehirn funktionierte nicht. Nur dieser immense Schmerz war zu spüren und brachte mich um den Verstand.

Leicht öffnete ich meinen Mund und versuchte so, etwas Luft zu bekommen. Immer schneller atmete ich ein und aus, während Shawns Gesicht immer noch vor meinem war. Nach gefühlten Ewigkeiten merkte dann auch der Sänger, dass anscheinend nicht alles in Ordnung war und trat einen Schritt zurück.

"Ella? Ist alles okay?" Wie oft wollte er mir diese Frage heute noch stellen? Nein verdammt, es war nicht alles okay, aber ich würde auch nicht mit ihm darüber reden.

Er legte seine Hände auf meine Schultern, was es nicht besser machte. Jetzt bloß nicht hysterisch werden. Meine Unterlippe fing an, zu zittern und kurzerhand rammte ich meine Zähne in diese. Dumme Idee, ganz, ganz dumme Idee.

Ich hörte Shawns Stimme nicht mehr, die irgendwelche Wörter auf mich einsprach. Ich hörte nur noch meinen nervtötenden Herzschlag und meine Atmung und das brachte mich gefühlt um. Ich kam da nicht raus. Es sollte aufhören. Jetzt.

Mach das es aufhört. Bitte, mach das es aufhört. Ich kann das nicht mehr. Ich kann das nicht ertragen. Lass es aufhören. Ich bemerkte noch, wie meine Wangen nass wurden und wie der metallische Geschmack von Blut sich in meinem Mund ausbreitete, als Shawns Stimme wieder zu mir durchdrang.

"Ella, hey, ich bin–" Und weg war sie wieder. Die Geräusche und Stimmen in meinem Kopf wurden zu laut. Es steigerte sich immer mehr. Selbsthass, Verzweiflung, Panik. Ich wusste nicht einmal, welches Gefühl gerade am schlimmsten war.

"Ich bin hier. Es ist okay. Ich bin hier. Atme ein und aus. Hör auf meine Stimme. Es ist alles okay. Du bist nicht alleine." Diese Sätze wiederholten sich die ganze Zeit wie ein Mantra. Und irgendwann befolgte ich dieses Mantra.

Ich wurde wieder ruhiger. Meine Atmung kam wieder auf ein normales Level und auch meinem Herzschlag konnte ich nicht mehr so laut hören. Es wurde besser. Und langsam machte sich auch der Schmerz auf meiner blutenden Lippe bemerkbar und ich spürte die Hitze in meinen Wangen wieder. So viel zum Thema, es sei alles okay.

Ich öffnete meine Augen, die ich vorher zusammen gekniffen hatte, und schaute in dieses Karamellbraun, das niemanden etwas zu Leide tun könnte. Er zeigte mir, wie man atmet und ich hörte auch immer noch seine beruhigende Stimme. Langsam kam ich wieder zu mir selbst.

Und obwohl ich wusste, dass Shawn nie jemandem etwas tun könnte, war das einzige, was ich fühlte, Angst. Ich hatte verdammt nochmal Angst vor der Person, die ich am meisten auf der Welt liebte.

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Irgendwelche Ideen, wie es weitergehen könnte? 🧐

Und wusstet ihr, dass es sehr effektiv ist, wenn man lächelt? Es geht einem danach viel besser. Also los, zack zack☺️

Außerdem hab ich ein Bitte: sagt den Menschen, die ihr liebt, dass ihr das tut. Am besten jetzt sofort, denn auch wenn das meistens nicht so scheint, hilft es doch und gibt den Menschen das Gefühl, etwas Wert zu sein💗

true love | shawn mendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt