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Please don't harm or kill yourself, I haven't found my princess yet, it might be you.
-Niall Horan
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Beinhaltet die Thematisierung von Selbstverletzung!
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Ella

Langsam öffnete ich meine Augen. Mein Blick fiel auf die weiße Decke des Hotelzimmer und wanderte dann auf den Nachttisch neben mir. Mein Handy, das ich gestern Abend noch aufgehoben hatte, hatte mehrere Risse im Bildschirm, da ich anscheinend ziemlich fest geworfen hatte. Ich griff danach, doch als ich die Uhrzeit sah, ließ ich es direkt wieder fallen. Wer wachte denn bitte um vier Uhr morgens auf? Entnervt seufzte ich und starrte noch ein wenig an die Decke.

Letztendlich hatte ich mein Handy dann doch wieder in der Hand. Ich schrieb mit einer Freundin von mir, die ich schon seit ein paar Jahren übers Internet kannte, aber in den Vereinigten Staaten lebte, weshalb wir uns noch nie getroffen hatten. Sie lebte in New York und studierte dort. Auch wenn sie zu diesen Menschen gehörte, die Boybands vergötterten, war sie echt liebenswert. Es war von Anfang an so, dass sie nie fragte, was los sei, sondern einfach wollte, dass es mir irgendwie besser ging. Ich konnte immer mit ihr reden, aber sie hackte nie neugierig nach, was ich an ihr so unglaublich schätzte.

Sie war noch wach, als ich sie anschrieb. In letzter Zeit hatten wir wieder mehr Kontakt, der davor irgendwie etwas verloren gegangen war. Ich bat sie darum, mir einfach irgendwas zu erzählen, damit ich nicht über irgendwas unnötiges, mit Shawn zusammenhängendes nachdachte. Ria erzählte mir etwas von ihrem Studium - sie studierte Schauspiel. Es war entspannend, nicht über mein eigenes Leben nachzudenken. Jegliche Entspannung verflog aber sofort wieder, als meine Internetfreundin mir schrieb, dass sie zu Bett gehen wollte. Ich konnte nicht von ihr verlangen, noch länger wach zu bleiben, weshalb ich ihr einfach eine Gute Nacht wünschte und mein Handy dann wieder zur Seite legte.

Kaum war ich wieder auf mich allein gestellt, spürte ich den Druck auf meiner Brust. Meinen Herzschlag hörte ich lautstark und auch der Schmerz in meinem Rücken machte es nicht besser. Sowohl von oben als auch von unten wurde ich erdrückt. Verdammt, das tat so weh. Ich setzte mich in dem Hotelbett auf, um zu versuchen, den Schmerz in meinem Rücken loszuwerden, aber er blieb da.

Mein Herz klopfte bis zum Hals und ich hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Fuck, fuck, fuck! Meine Atmung ging immer schneller und der Schmerz in meiner Brust war beinahe unerträglich. Bloß keine Panik bekommen. Ich hatte höllische Angst davor, in Panik zu verfallen. Die Angst vor der Angst selbst.

Der Schmerz, der sich in meinem Kopf befand, machte auch nichts besser. Meine Kopfschmerzen waren schrecklich und es fühlte sich an, als würden sich Nägel in meinem Kopf bohren. Auch der Druck in meinem Rücken wurde nicht besser, selbst als ich anfing, mich alle paar Sekunden anders hinzusetzen. Von dem Druck auf meiner Brust wollte ich gar nicht anfangen, er wurde fast unerträglich.

Ich schnappte mehrfach nach Luft und versuchte, runterzukommen. Es wird alles gut. Am Ende wird immer alles gut. Keine Panik. Meine eigenen Worte brachten mir bloß leider nichts - rein gar nichts. Ohne es wirklich zu bemerken, griff ich erneut nach meinem Handy und öffnete die App für Musik. Ich hasste mich selbst dafür und wusste, dass ich mich danach miserabel fühlen würde, aber ich machte trotzdem In my blood an.

Shawns Stimme erklang aus dem Lautsprecher und erst durchzuckte mich die Angst. Vielleicht war es doch eine dämlichere Idee, als ich gedacht hatte. Doch als das Lied von vorn begann, ging es mir so langsam besser. Der Druck auf meiner Brust und in meinem Rücken waren noch da und auch die Kopfschmerzen hatten mich noch nicht verlassen, aber meine Atmung verlangsamte sich wieder. Es war so eine Ironie, dass mein Exfreund und seine Musik mich aus der Atemnot holten.

„Help me
It's like the walls are caving in
Sometimes I feel like giving up
No medicine is strong enough
Someone help me"

Nach vielleicht zehn Minuten, die sich anfühlten wie fünf Jahre, bekam ich wieder ohne Schmerzen Luft. Es war befreiend, wieder richtig atmen zu können, auch wenn die Luft in dem Zimmer schrecklich war. Ich richtete mich auf und erinnerte mich auch jetzt daran, richtig zu atmen. Mit meinen Händen fuhr ich mir über die Tränen überströmten Wangen. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich geweint hatte. Schnell entfernte ich die Tränen mit meinem Handrücken.

Nach weiteren zehn Minuten machte ich dann auch mal die Musik aus. Shawn, vor dem ich eigentlich doch Angst hatte, hatte mich beruhigt. Das machte so gar keinen Sinn, aber es war ja nicht das einzige in meinem Leben, das ich nicht verstand.

Schwerfällig erhob ich mich aus dem Bett und trat zum Balkon, durch den ich einen Blick auf das morgendliche Manchester hatte. Die Sonne ging auf und tauchte die Stadt in ein rosarotes Licht. Es sah verdammt schön aus und der Himmel fesselte meine gesamte Aufmerksamkeit. Kein Gedanke hatte Platz in meinem Kopf, ich ließ meine Augen einfach über das Licht wandern. Obwohl es mit Sicherheit so aussah, als würde ich über etwas nachdenken, war es nicht so. Da war kein Platz zum Denken, da waren nur meine Augen, die den Himmel absuchten, als müsste dort irgendwo ein Zeichen sein.

Ewas verwirrt schüttelte ich meinen Kopf und riss meinen Blick von dem Himmel. Ich senkte diesen auf meine Arme, auf meine Handgelenke. Es waren dort immer noch zwei kleine Narben erkennbar, aber nur wenn man ganz genau hinschaute. Ich war nicht stolz darauf, mir körperliche Schmerzen hinzugefügt zu haben, aber es gab eine Zeit, in der es meine einzige Möglichkeit war, etwas zu fühlen.

Vorsichtig fuhr ich mit meinem Daumen über die Narben an meinem linken Handgelenk. Als ich sie berührte, hatte ich das Gefühl, den Schmerz von früher nochmal zu fühlen. Ich wusste, dass es nicht gut war, sich selbst zu verletzen. Damals wollte ich bloß einfach etwas fühlen, selbst wenn es körperlicher Schmerz war, den ich mir selbst hinzufügen musste. Es war nicht gut und das wusste ich - ich würde es nicht noch einmal tun. Trotzdem waren die Narben nunmal da und erinnerten mich immer wieder daran.

Tief atmete ich ein und aus. Meine Augen richteten sich wieder auf den Himmel und irgendwie verlor ich mich erneut in den rosaroten Farben des Morgens.

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Uff Leute, ich hatte irgendwie das Bedürfnis, dieses Thema auch noch mit einzubauen. Ich hoffe, dass sich hier noch nie selbst jemand verletzt hat oder daran gedacht hat, sich selbst umzubringen. Sucht euch bitte Hilfe, wenn es doch so sein sollte! Auch wenn ihr nur einem Freund/ einer Freundin schreibt. Wendet euch an jemanden - und vergesst nie, dass ihr nicht alleine seid. Ihr könnt mir natürlich auch immer schreiben, selbst wenn ich nur eine Wildfremde bin. Tut euch selbst bitte nichts an!

Hoffentlich geht's euch allen gut💙

true love | shawn mendesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt