9. Eine unruhige Nacht - Rayk berichtet

13.8K 138 4
                                    

Ich reiche Leila wortlos einen Einwegslip mit Einlage und ein frisches T-Shirt von mir und ziehe mich an den PC zurück, um kurz die Daten zu aktualisieren. Sie wartet auf der Patientenliege auf mich und ist sichtlich erschöpft. Kurzerhand nehme ich sie auf meine Arme und trage sie rüber und direkt ins Gästezimmer. „Brauchst du noch irgendetwas?", ich schaue sie eindringlich an und sie schüttelt den Kopf. Vorsichtig decke ich sie zu und setze mich an die Bettkante. „Leila, ich werde morgen früh auch einen Blick in deine Gebärmutter werfen müssen, um sicher zu gehen, dass die Entzündung nicht zu weit fortgeschritten ist. Das ist bei deiner Empfindlichkeit definitiv schmerzhaft, daher werde ich dich leicht sedieren. Du darfst morgen früh nichts zu dir nehmen, hörst du?" Ihre Atemfrequenz steigt und ihre Augen werden größer und füllen sich leicht mit Tränen. Sie hat sichtlich Angst. Ich streiche ihr sanft über die Wange, nehme die Träne mit, die dort gerade herunterkullert. „Ich werde ganz vorsichtig sein und dir ein Schmerzmittel geben, damit es nicht so schlimm wird. Mach dir keine Sorgen!", versuche ich sie zu beruhigen. Sie nickt fast unmerklich. „Möchtest du noch etwas trinken?", als sie den Kopf schüttelt, beschließe ich, ihr zusätzlich zur Antibiotika-Infusion noch eine Ringer anzuhängen und verlasse den Raum, um diese zu holen. Als ich zurückkomme, liegt sie zusammengekauert und schluchzend im Bett. Vorsichtig streiche ich ihr über den Rücken und flüstere: „Hey, mach dir keine Sorgen, ich bin wirklich ganz vorsichtig! Gib mir mal deine Hand, damit ich das Antibiotikum anschließen kann!" Ich ziehe ihren Arm zu mir und stöpsele die Infusion an, dann setze ich mir zu ihr und streiche ihr weiter über den Rücken. Das Schluchzen wird weniger und die Atemfrequenz sinkt. Auch ihr Puls beruhigt sich langsam, sie scheint eingeschlafen zu sein. Während ich meine Streicheleinheiten fortsetze, läuft das Antibiotikum durch, so dass ich die Ringerlösung anstöpseln kann. Einen Moment verharre ich noch, bevor ich mich in die Praxis zurückziehe, um den morgigen Eingriff vorzubereiten.

Mein Plan ist, die Hysteroskopie gleich um 7 Uhr durchzuführen, bevor gegen neun Uhr die ersten Patientinnen auf der Matte stehen. Meine Sprechstundenhilfe ist leider erst gegen 8 Uhr da und alleine kann ich die Untersuchung nur schlecht durchführen. Um diese Uhrzeit mag ich auch keine meiner Assistentinnen mehr anrufen. Mein Kumpel Björn muss herhalten. Ich wähle seine Nummer, zum Glück geht er beim zweiten Klingeln ran. Kurz erläutere ich ihm meine Lage und meinen Plan. Glücklicherweise hat er morgen Spätdienst in der Uniklinik, in der er als Anästhesist arbeitet. Er verspricht, um 06.45 Uhr hier zu sein. Perfekt. Mein Blick wandert über die vorbereiteten Instrumente zur Uhr. Es ist schon sehr spät und es wird Zeit, dass ich nach Leila schaue. Ich breite ein OP-Tuch über dem Instrumententisch aus und verlasse die Praxis. Leila schläft recht unruhig, immer wieder wechselt sie die Lage und wimmert auf. Die Ringerlösung ist mittlerweile durchgelaufen, so dass ich sie abstöpseln kann. Auch ich mache mich nun bettfertig und hadere mit mir, ob ich Leila allein lassen kann. Bei einem weiteren Blick ins Gästezimmer entscheide ich mich dagegen. Vorsichtig lege ich mich neben ihr auf das Bett und beobachte ihren unruhigen Schlaf. Gerade als ich etwas wegdöse, dreht sie sich wieder mit dem Rücken zu mir. Sie liegt dicht neben mir, so dass ich ihre beschleunigte Atmung deutlich wahrnehme. Sanft lege ich einen Arm um sie und streiche mir der anderen Hand über ihren Kopf. Langsam beruhigt sie sich. Gegen 6 Uhr wache ich vom Weckerklingeln auf, Leila hat sich richtig in meine Arme gekuschelt. Vorsichtig löse ich mich von ihr und stehe auf. Sie kann noch einen Moment schlafen, bevor ich sie in die Praxis bringe und für den Eingriff vorbereite.

Zwischen Realität und DoktorspielenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt