Wir sehen den See. Eine riesige blaue, glitzernde Fläche, von Bäumen umgeben. Avery freut sich wie ein Kind. Verschwitzt, wie wir vom Herumlaufen sind, springen wir mit voller Kleidung ins kühle Wasser. Durch die warme und schwüle Außentemperatur kommt mir das Wasser umso kälter vor. Doch allmählich gewöhnt sich mein Körper daran und ich schwimme ein paar Züge. Ich lasse mich auf dem Rücken treiben und starre hoch in den grauen, von Wolken bedeckten Himmel. Die nassen Klamotten ziehen mich immer wieder nach unten. Bis ich vollkommen im Wasser versinke, schwimme ich wieder nach oben.
Irgendwann wird mir kalt und ich setze mich von Wasser triefend ans Ufer und schaue den anderen zu, wie sie sich gegenseitig nassspritzen. Immer wieder durchfährt mich ein Zittern, weil mir immer kälter wird, wenn ich so herumsitze. Also beschließe ich, mich zu bewegen und nehme die anderen mit der Kamera auf.
Immer wieder muss ich zum Himmel hinauf sehen, weil ich befürchte, dass es bald regnen wird. Nicht mehr lange, dann werden wir auch noch von oben herab nass. Vielleicht ist es besser, wenn wir jetzt gleich wieder zum Bus gehen, ehe uns der Regen einholt. Also hole ich die anderen aus dem Wasser. Niemand hat etwas Trockenes zum Anziehen, weshalb wir schlotternd und zitternd durch den Wald laufen.
„Wie weit ist es noch?“, fragt Jayden, als wir schon ungefähr eine Viertelstunde laufen.
Niemand außer Avery fühlt sich angesprochen: „Ich weiß es nicht. Dadurch, dass wir die Beeren gesammelt haben, hat es mein ganzes Zeitgefühl durcheinander gebracht!“ Sie hat Recht. Auch ich weiß nicht mehr, wie lange wir für den Hinweg gebraucht haben. Und schon gar nicht weiß ich, wohin wir laufen müssen. Auch die Orientierung habe ich verloren. Aber wir lassen uns von Avery führen, die scheinbar den besten Orientierungssinn von uns allen hat.
„Bald wird es zu regnen anfangen“, sage ich. „Wir sollten uns beeilen.“
„Tun wir doch!“, murrt Carter. Er ist sichtlich schlecht gelaunt. Kaum hat er ausgesprochen, können wir hören, wie auf die obersten Blätter der Bäume Wasser fällt. Zum Glück ist der Wald ziemlich dicht, sodass wir nicht viel davon abbekommen.
Wir laufen weitere zehn Minuten in eine Richtung, dann wird der Regen stärker und das Wasser dringt sogar bis zu uns durch. Immer dicker werden die Tropfen, die sich zuerst auf den Blättern sammeln, bevor sie auf uns hinunter prasseln. Immer öfter werde ich von der Kälte durchgeschüttelt. Ich habe Angst, mich zu erkälten.
„Wir sind doch eh schon total durchnässt. Da ist es doch egal, ob noch ein paar Tropfen mehr dazukommen“, versucht Jayden die Situation aufzulockern. Niemand antwortet etwas, denn wir wissen alle, dass das nicht so ganz stimmt.
Eine halbe Stunde vergeht, ohne dass jemand etwas sagt. Der Regen wird immer stärker und lauter und wir sind immer noch nicht an unserem Ziel. So wie es aussieht noch lange nicht. Jede Minute zerreißt ein Nieser die Stille. Wir laufen jetzt schon ungefähr eine Dreiviertel Stunde. Haben wir wirklich so lange für den Hinweg gebraucht? So langsam beschleicht mich der Verdacht, dass wir uns verlaufen haben... Den gleichen Gedanken müssen wohl auch die anderen gehabt haben:
„Wo sind wir? Wir holen uns noch eine fette Unterkühlung, wenn wir so weitermachen!“, versucht Carter den Regen zu überschreien und bleibt stehen. Er scheint es an Avery gerichtet zu haben.
„Wenn ich es wüsste wären wir wahrscheinlich schon längst da!“, zischt sie zurück, läuft einfach weiter, und tut, als hätte sie nicht bemerkt, dass Carter stehen geblieben ist. Genauso wie wir anderen.
„Willst du jetzt immer noch weiterlaufen?“, schreit er wütend. „Das bringt doch alles nichts!“ Er rauft sich mit der Hand in die durchnässten Haare. „Vielleicht entfernen wir uns dadurch noch mehr vom Bus!“
„Oder wir kommen ihm näher!“, ruft Avery zurück und kommt uns langsam näher.
„Hat jemand ein Handy dabei?“, fragt Heather.
Jayden zieht eins aus seiner Tasche. „Was soll das den bringen?“, fragt Avery genervt. Wie es aussieht, hat auch sie die Hoffnung auf eine schnelle Rettung aufgegeben. „Wir wissen ja noch nicht einmal selbst wo wir sind! Wie sollen wir dann den anderen erklären, wo sie uns retten sollen?“ Ich muss mir eingestehen, dass sie Recht hat. Solange wir selbst nicht wissen wo überhaupt wir sind, kann uns auch niemand helfen.
„Aber wir sollten ihnen wenigstens Bescheid sagen, dass wir uns verlaufen haben“, meine ich.
Avery zuckt mit den Schultern. „Wie du meinst...“. Hoffnungslos hockt sie sich auf den durchweichten Boden.
Ich schaue zu Jayden und er drückt ein paar Tasten auf seinem Handy, bevor er es sich ans Ohr hält. Er gibt Heather die Kamera, damit sie ihn aufnimmt fürs Videotagebuch. Wenigstens sind beide Geräte wasserdicht!
Soweit ich verstehen kann, geht Logan ans Telefon. „Logan?“, schreit Jayden. Kurze Pause. „Wir haben uns verlaufen … irgendwo mitten im Wald … wir waren im See ...“ Ich verstehe nur Bruchstücke. Doch dann verstehe ich einen Satz sehr gut: „Hol Hilf, verdammt nochmal! Wir erfrieren hier fast!“ Eine längere Pause. „Beeil dich!“
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Woodkiss
AdventureDu hattest du schon immer mal den Traum, zwei Monate ganz alleine und ohne deine Eltern mit sieben anderen Jugendlichen Nordamerika zu reisen? Und das in einem alten VW-Bus? Genau diese Chance hat die siebzehnjährige Laura Wood, einmal von der Schul...