Kapitel 82.

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Endlich kann ich ausatmen. Und dann lache ich vor Glück auf. Mein Lachen geht in der Freude der anderen unter und plötzlich erscheint es mir, als wären wir zu einem einzigen Team verwachsen. Wir liegen uns gegenseitig in den Armen, während der Mann ein Handy aus seiner Hosentasche zückt und eine Nummer wählt. Ich beobachte, wie er sich von uns wegdreht und telefoniert. Vielleicht holt er ja Hilfe. Erst jetzt erkenne ich, wie wir in den letzten Tagen zusammengewachsen sind. Es ist, als hätten wir, seit Daniel nicht mehr bei uns ist, eine viel bessere Gemeinschaft.

Es dauert nicht lange, das legt er wieder auf und sagt an uns gewandt: „Ich wollte eigentlich mit meinen Freunden eine Runde feiern, aber es ist wichtiger, dass ihr eine warme Unterkunft für die Nacht bekommt. Sie müssten bald ankommen. Es dauert höchstens noch zehn Minuten, bis sie ankommen. Ich könnte euch meine Hütte am Waldrand für die Nacht anbieten, aber ich schätze, sie ist zu klein für so viele Leute. Ich bringe euch in meinem Haus in etwa 20 Kilometern Entfernung unter.“

Eine Weile lang ist es still, dann sagt Benjamin plötzlich: „Leute?“ Wir wenden alle unsere Köpfe zu ihm. Er sitzt noch immer auf seinem Pferd. „Ich glaube, für mich ist es Zeit, euch zu verlassen.“ Wir sehen ihn alle geschockt an. Ich muss mich nicht umschauen, um zu sehen, wer das entsetzteste Gesicht aufsetzt. Heather.

„Wieso?“, haucht sie.

„Ich glaube, ihr braucht mich jetzt nicht mehr...“ Er senkt seinen Blick zu Boden. Vermutlich, um Heather nicht in die Augen sehen zu müssen. „Hier in der Nähe wohnen Verwandte von mir. Ich werde bei ihnen übernachten und morgen weiter reiten.“ In dem schwachen Licht kann ich tatsächlich sehen, dass ihre Augen schmerzlich glitzern. Erst jetzt hebt Benjamin seinen Kopf wieder und sieht Heather direkt in die Augen. Langsam steigt er von seinem Pferd und schließt Heather in seine Arme. Wir entfernen uns alle ein wenig von ihnen, um sie nicht zu stören.

Nachdem auch wir uns von ihm verabschiedet haben, rollen nicht einmal fünf Minuten später weitere drei Fahrzeuge an. Der Mann, der übrigens Thomas heißt, bittet seine Freunde, uns mit zu seinem Haus zu nehmen. Ich steige mit Heather, Logan und Jayden in den Jeep von Thomas und er fährt los. Thomas schaltet die Heizung an und ich genieße das Gefühl der Wärme, die uns umgibt. Das habe ich viel zu sehr vermisst in letzter Zeit.

Ungefähr 20 Minuten später steigen wir im Dunkeln an einem Hof aus. In dem spärlichen Licht kann ich nur ungenau die dicken Buchstaben sehen, die über einem breiten Eingang hängen. Es ist irgendetwas mit 'Holzwerk'. Das Gebäude ist riesig. Auf der Einfahrt stehen mehrere LKWs, die entweder leer oder mit Holzstämmen beladen sind. In der Dunkelheit kann ich noch weitere große Gebäude erkennen. Aber sie sind zu weit entfernt, um genau bestimmen zu können, was sie sind. Wahrscheinlich gehören sie zum Holzwerk. Thomas führt uns zu der breiten Tür und lässt uns eintreten. Ein Geruch von frisch gebackenem Brot und leckerem Essen schlägt mir entgegen.

„Geht die Treppe hoch. Ich glaube, meine Frau hat für euch gekocht! Sie wartet in der Küche auf euch“, sagt Thomas und hält die Türe immer noch offen, für die anderen, deren Autos gerade in die Einfahrt fahren. Kurz zögernd steigen Heather, Jayden und ich die Treppe hinauf. Das Haus erinnert mich ein wenig an mein zu Hause. Um in den Wohnbereich zu kommen, muss man auch erst eine Treppe hinauf gehen. Der Gedanke an mein zu Hause versetzt mir einen Stich in die Brust. Ich nehme mir fest vor, meine Eltern morgen anzurufen. Ich würde es auch heute tun, aber jetzt ist es schon zu spät. Sie schlafen bestimmt schon. Aber der Geruch von frischem Brot und Fleisch lässt sie mich schneller vergessen als ich geglaubt hätte. Vor uns ist ein langer Flur, in den mehrere Türen zweigen. Die erste steht offen und Jayden lugt vorsichtig hinter der Wand hervor. Es muss die Küche sein, von der Thomas gesprochen hat, denn Jayden geht einfach hinein. Heather und ich folgen ihm. Eine Frau in einer altmodischen Schürze dreht sich zu uns um und ruft erfreut: „Hallo! Ihr müsst die Teilnehmer der Tour sein, von denen Thomas mir erzählt hat!“

WoodkissWhere stories live. Discover now