Nicht einmal zwei Meter von mir entfernt steht Daniel neben einem großen Rad des Flugzeugs und grinst mich grausam an. Bei seinem Anblick stolpere ich ein paar Schritte zurück und pralle gegen das Geländer der Treppe, die zum Flugzeug hinaufführt. Daniels Lachen erfüllt bereits meine Ohren. Heather, Logan und die anderen stehen entweder schon halb auf der Treppe oder sind kurz davor. Wir sind die letzten Passagiere, die in dieses Flugzeug wollen. Alle anderen sind bereits im Flugzeuginneren.
„Erstaunt, mich hier zu sehen, Leute?“ Er sagt das an uns alle gerichtet, die wie versteinert dastehen und ihn anstarren. Aber ich habe eher das Gefühl, dass er es mehr zu mir sagt, als zu allen anderen. „Habt ihr etwa geglaubt, ihr könntet ohne Weiteres einfach so verschwinden?“ Er macht einen Schritt auf mich zu. Avery und Kim weichen automatisch weiter zurück. „Ich bin hergekommen, um euch abzuholen. Euch wieder in den Bus zu stopfen, damit ihr die Tour weiterführt, als wäre nichts passiert!“ Seine Augen blitzen grausam auf, während er das sagt. Wie kann ein Mensch nur so schrecklich sein? Wieder macht er einen Schritt auf uns zu, doch wir bewegen uns keinen Zentimeter.
„Und wie willst du das schaffen, alleine?“, fragt Heather spöttisch.
„Oh, glaubst du das etwa wirklich?“, fragt Daniel und lässt seine gefährlich süß klingen. Wie auf sein Wort treten sechs Männer hinter dem großen Auto hervor, das neben dem Flugzeug steht. Es ist eigentlich mehr ein Bus, als ein Auto. Ich frage mich, wozu man es braucht. Ich kenne niemanden von den Leuten, die Daniel gerufen hat.
Nur, um uns ein wenig mehr Zeit zu geben, sage ich: „Ihr seid eine Person weniger...“
Daniel lacht und ruft: „Komm her, Max!“
Max? Ich denke sofort an den Max, der uns bei der Tour begleitet hat. Aber das kann nicht sein. Es muss ein anderer Max sein, den er meint. Schließlich gibt es tausende Menschen, die wahrscheinlich denselben Namen haben.
Und doch habe ich mich geirrt.
Es ist tatsächlich der Max, den ich kenne. „Max? Was tust du hier?“, fragt Avery ungläubig und entsetzt. Ihre Stimme ist nur noch ein Wimmern.
Er stellt sich genau neben Daniel und lacht. „Das hättet ihr wohl nicht erwartet, was? Ich kann es immer noch nicht fassen, dass ihr die ganze Zeit über nicht bemerkt habt, dass ich nicht zu Jacksons Team gehöre, sondern in Wahrheit für den Fernsehsender arbeite, genau wie Clint.“ Auf sein Wort tritt auch noch der Chef, der gleichzeitig Daniels Vater ist, hinter dem Auto hervor. Irgendwie finde ich die Vorstellung plötzlich witzig, wie sie sich alle hinter diesem einen Auto versteckt haben. „Ich arbeite im Schnitt von Filmen und Videos. Was dachtet ihr, woher ich das so gut kann?“ Ehrlich gesagt habe ich mir nie groß Gedanken darüber gemacht, woher Max so gut die Videos zusammenschneiden kann. Bei ihm sah es so leicht aus, als wir das 'Rachevideo' gemacht haben. Erst jetzt fällt es mir wieder ein: Er hat uns dabei geholfen, es herzustellen! Es war sogar seine Idee es zu drehen! Ich mache den Mund auf, um es zu sagen, aber klappe ihn wieder zu, weil Max zu reden beginnt.
Er erzählt uns alles: „Es war alles schon vorher geplant. Ich habe mich vor ein paar Wochen schon bei Jacksons Firma beworben und er hat mich prompt angestellt. Ich bin also mit auf die Tour gegangen und habe miterlebt, wie die Flöße zerstört wurden. Doch ich wusste alles schon vorher. Ich habe mich darauf eingestellt, in der Wildnis leben zu müssen.“ Mir fällt plötzlich auf, dass er als Einzigster von den Paddlern eine Regenjacke hatte. Meint er das damit? Er konnte sich darauf vorbereiten, in der Natur auszukommen. Er hat die Jacke jetzt noch immer an. Das neonorange sticht einem einfach ins Auge. „Ich war praktisch der Gehilfe von Daniel. Ich habe die Funkgeräte unbrauchbar gemacht und die Batterien in den Fluss geworfen. Ihr habt nicht einmal gemerkt, dass wir die ganze Zeit näher an der Zivilisation waren, als ihr dachtet! Erinnert ihr euch noch daran, wie wir die Seite des Flusses gewechselt haben? Ich kenne die Strecke, die wir gelaufen sind, gut genug, um zu wissen, dass an dieser Stelle ein Feldweg kommt, der an den Highway führt. Ich wollte noch nicht, dass wir so schnell Rettung bekommen, deshalb habe ich Jackson dazu veranlasst, mit euch die Seite zu wechseln.“ Ich weiß noch, wie wir auf die andere Seite halb geschwommen und halb geklettert sind. An der Stelle war der Fluss flacher als an anderen Stellen, weshalb man auf Steinen hinüberklettern konnte. Auf einmal richtet er seinen Blick genau auf mich: „Laura, erinnerst du dich an den Tag, als Daniel dich entführt hat?“ Seine Lippen umspielt jetzt ein bösartiges Lächeln. Ich nicke nicht einmal als Antwort. Ich stehe nur mit geballten Fäusten da und lausche Max. „Auch das wusste ich bereits vorher.“ Ich frage mich, wie viele Wochen vorher die Firma die Tour mit all ihren Bösartigkeiten geplant wurde. Ich bin mit Absicht mit euch, Jayden und Heather, in die Richtung gelaufen, von der ich wusste, dass wir dich dort finden werden. Ich hatte vorher immer Kontakt mit Daniel. Über das einzigste Funkgerät, das heil geblieben ist. Er hat mir erzählt, was er vor hat. Doch es ist nicht alles nach Plan gelaufen. Er meinte, er wolle dich bis nach Timmins entführen. Um zu sagen, du wärst egoistisch alleine weiter gelaufen...“ Für mich klingt diese Ausrede unlogisch und unbeholfen. „Aber dazu hatten wir zu wenig Zeit. Jayden konnte sich selbst aus seinen Fesseln befreien und ist Daniel gefolgt. Ich wusste, dass Daniel zu wenig Vorsprung hatte, um ungesehen verschwinden zu können. Ich habe ihn darüber informiert, dass wir nicht weit von ihm entfernt sind und kurz davor sind, ihn mit dir, Laura, zu finden, ohne dass Jayden oder Heather etwas davon bemerkt haben.“ Er lacht sie aus.
YOU ARE READING
Woodkiss
AdventureDu hattest du schon immer mal den Traum, zwei Monate ganz alleine und ohne deine Eltern mit sieben anderen Jugendlichen Nordamerika zu reisen? Und das in einem alten VW-Bus? Genau diese Chance hat die siebzehnjährige Laura Wood, einmal von der Schul...