Kapitel 70.

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Ich werde auf den Boden geschleudert und schlage mir den Kopf hart am Boden an. Der Schmerz bahnt sich einen Weg durch meinen gesamten Körper und lässt mir einen Schauer über den Rücken laufen. Ich öffne schlagartig die Augen. Zuerst sehe ich nur schwarze Flecken, weil ich direkt auf den Hinterkopf gefallen bin. Doch dann schärft sich das Bild wieder.

Und ich blicke genau in das Gesicht von Benjamin. Perplex öffne ich den Mund, um ihn zu fragen, was er hier tut, doch von dem Sturz bin ich viel zu benebelt, um auch nur ein Wort herauszubekommen. „Laura!“, ruft er zuerst erstaunt. „Es tut mir Leid, dass ich dir weh getan habe!“ Er klettert von mir hinunter und steht auf. Freundlich reicht er mir eine Hand, um mir aufzuhelfen. Aber ich ergreife sie nicht. Langsam rappele ich mich selbst auf, wobei mein Hinterkopf höllisch brennt. Mit einer Hand fahre ich über meine Haare an meinem Kopf entlang, bis ich eine Stelle finde, die am meisten weh tut. Sie fühlt sich wärmer an, als der Rest und als ich sie wieder zurückziehe, klebt Blut an meinen Fingern. Benjamin sieht es und ruft nochmal: „Es tut mir so Leid!“ Seine Hand ist immer noch ausgestreckt. Und diesmal nehme ich sie, wodurch ein wenig Blut an Benjamins Hand kleben bleibt. Er wischt es sich an der Hose ab.

„Was machst du hier?“, frage ich und werfe einen Blick in die Richtung, in der die andern stehen. Sie haben alles beobachtet. Jayden kommt mit großen Schritten schnell näher. Heather folgt ihm. Ich wende mich wieder Benjamin zu und sehe, dass er seine Jagdkleidung trägt. „Hast du etwa auf uns geschossen?“, frage ich streng.

„Nein!“, ruft er empört. „Ich habe nicht auf euch geschossen!“ Er beißt sich auf die Unterlippe und weicht meinem Blick aus. „Ich habe nicht erwartet, dass hier Menschen in der Nähe sind. Normalerweise kommt hier nie jemand her.“ Ich ziehe meine Augenbrauen hoch, um ihm zu zeigen, dass diese Erklärung noch nicht reicht. „Das hier ist die perfekte Gegend, um Jagen zu gehen. Hier können die Tiere in der Wildnis leben, ohne von den Menschen gestört zu werden. Ich bin hier mit meinem Pferd geritten.“ Als hätte er es gerufen, erscheint hinter den Bäumen ein schwarzes Pferd. Ich bin schon seit gestern unterwegs mit meinem Zelt. Aber ich wusste nicht, dass ihr noch hier seid. Ich dachte, ihr wärt schon längst in Timmins!“ Er setzt einen fragenden Blick auf, doch mit der Miene, die ich aufsetze, bringe ich ihn dazu, dass er weitererzählt. „Ich komme hier oft her, um zu Jagen, weil ich hier ungestört sein kann, wenn ich schieße...“

Er erwartet, dass wir ihn auslachen. Das sieht man an seinem Blick, den er jetzt nach unten gerichtet hält. Aber niemand von uns lacht. Nein. Ich finde es unverantwortlich von Benjamin, einfach Kugeln in die Gegend abzufeuern, ohne zu wissen, ob da überhaupt das Zielobjekt ist. „Ich habe es genossen, einfach nur Schießen zu können. Ohne, dass jemand mich daran hindert. Es tut mir so Leid!“

Ich seufze einfach nur im Gleichklang mit Jayden. Meine Gedanken behalte ich für mich. Ich sehe Benjamin an, dass es ihm wirklich Leid tut. Und zum Glück ist keinem von uns etwas geschehen, weshalb ich ihm auch verzeihen kann. Ich drehe mich zu den anderen um. Heather schaut Benjamin durchdringend und traurig an. Er bemerkt ihren Blick nicht. Die anderen sehen blass und erschöpft aus. Wir alle könnten eine Pause gebrauchen. Aber Jackson wird sicher dafür sorgen, dass wir weiterlaufen.

„Aber ihr schuldet mir jetzt auch noch eine Erklärung!“, sagt Benjamin laut. Ich drehe mich wieder zu ihm um.

Wir suchen uns einen Platz, auf dem wir uns niederlassen. Benjamin bindet sein Pferd an einen Baumstamm. Und dann beginnen wir mit unserer Erzählung. Wir erzählen ihm alles. Wie Daniel abgeholt wurde. Wie sie die Flöße zerstört haben, damit uns kein anderer Weg bleibt, außer zu laufen. Wie wir beschlossen haben, nach Timmins zu gehen. Wie wir unseren Weg nach Timmins fortsetzten. Benjamin hört die ganze Zeit gespannt zu und unterbricht uns nicht.

WoodkissWhere stories live. Discover now