Vögel und Sonnenstrahlen wecken mich auf. Ich habe eine unruhige Nacht hinter mir. Träume, wie Daniel mich quält haben mich verfolgt. Ich will es nicht zugeben, aber so langsam bekomme ich echt Angst vor diesem Typen.
Mein Magen knurrt laut. Doch wenn ich an Maden, Regenwürmer oder andere ekelhafte Insekten denke, muss ich würgen. Ich klettere aus meiner Hängematte und helfe Jackson und Benjamin dabei, ein Feuer zu entfachen. Die beiden sprechen darüber, wie wir am schnellsten nach Timmins gelangen.
Irgendwann haben wir es geschafft, aus dem leicht feuchten Holz eine einigermaßen anständige Flamme zu machen. Nach und nach stehen die anderen auf und ich suche zwischen den nassen Blättern auf dem Boden nach Regenwürmern, die ich definitiv nicht essen werde. Beeren finde ich in dieser Region weniger. Das wäre nämlich das einzige, was ich noch essen würde. In meinem Kopf steigen Bilder von den Pancakes bei Helene auf. Ich glaube, es war eines der letzten richtigen Essen, die ich verzehrt habe. Mein Magen knurrt wieder. Doch wenn ich die Regenwürmer in meiner Hand sehe, die dort hilflos herumkrabbeln, dreht sich mein Magen um. Ich hätte vielleicht erbrochen, wenn er auch nur etwas Inhalt hätte.
Ich laufe zurück zu den anderen und lege die Tiere auf ein Tuch, das Avery extra für das Essen bereitgelegt hat. Ich sehe, dass es nicht sehr viel ist. Das Tuch hat braune Flecken, was es ein wenig unappetitlich macht. Ich will nicht wissen, wie oft man es schon zum Sammeln von Essen benutzt hat. Und dennoch lege ich sie darauf.
Nach einem kleinen Frühstück packen wir alle unsere Sachen. Jayden klettert für mich auf die Bäume, an denen ich meine Hängematte befestigt habe. Ich kann das nicht selbst tun, weil mein Arm wieder angefangen hat, mehr weh zu tun. Er ist blau, rot und geschwollen. Ich habe mir eine hilfsbedürftige Schiene aus Stöcken gebastelt und einen zerfetzten Pullover darum gewickelt. Viel helfen tut es nicht – aber es beruhigt mich.
Ich wickele den Stoff der Hängematte zusammen und stopfe ihn vorsichtig in meine Tasche. Jaydens packe ich auch noch dazu. Jayden geht bereits vor und lässt mich für einen Moment allein. Ich schaue mich noch einmal um, um mich zu vergewissern, dass ich auch nichts vergessen habe. Und wieder sehe ich es. Die Kiste mit der Videokamera. Wir haben die wichtigsten Szenen nicht aufgenommen! Das glaube ich jedenfalls, denn sie stand die ganze Zeit über hier draußen, neben einem Baum. Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wie ich sie dorthin gestellt habe.
Egal, denke ich nur und hebe sie schnell vom Boden auf, um Jayden zu folgen.
Die anderen haben sich bereits versammelt. Und dann laufen wir los. Wir haben beschlossen, zu dem Feldweg zurück zu gehen, weil es unser bester Weg ist, in die Zivilisation zu gelangen. Glauben wir jedenfalls. Max und Jackson führen die Gruppe an.
Ich bin versunken in meine Gedanken und führe ab und zu Small Talk mit den anderen. Aber mehr passiert nicht. Ich halte meine Augen offen, um nach irgendwelchen Beeren oder anderen essbaren Pflanzen zu suchen. Einmal finde ich sogar welche. Wir machen Halt, um sie zu pflücken. Doch leider sind es viel zu wenige, um davon satt zu werden. Sie hinterlassen ein noch größeres Loch im Bauch, als ich vorher hatte.
Max wirft dreht sich öfters von vorne um und wirft mir seltsame Blicke zu. Immer, wenn ich seinen Blick bemerke und zu ihm hinsehe, schaut er wieder weg. Das Einzige, was ich noch erkennen kann, ist, dass er die Augen zusammengekniffen hat. Ich frage mich wieso.
Plötzlich taucht ein Bild vor meinem inneren Auge auf, an das ich gar nicht mehr gedacht habe. Als ich Max erzählen musste, was mir passiert ist, oder besser gesagt, was mir Daniel eingeflößt hat, habe ich dieses spitze Ding in seiner Brusttasche seiner Softshelljacke gesehen. Die Tasche hatte eine Öffnung, durch die ich das Schwarze gesehen habe. Soweit ich mich noch erinnern kann, war die Öffnung kreisrund und so klein, dass man sie leicht übersehen kann. Auf einmal muss ich an diese winzigen Kameras denken, von denen Dad manchmal welche zu Hause hatte. Als Techniker des Fernsehsenders hatte er oft etwas mit Kameras zu tun. Manche davon waren nicht einmal so groß wie eine Kastanie. Der Fernsehsender hat die Kameras dazu benutzt, um ungesehen filmen zu können. Aber was hat Max damit zu tun? Er hat nichts mit dem Fernsehsender zu tun. Er arbeitet für Jacksons Bootsverleih, soweit ich gehört habe. Ich schlage mir den Gedanken über eine versteckte Kamera in Max' Brusttasche sofort wieder aus dem Kopf.
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Woodkiss
AventuraDu hattest du schon immer mal den Traum, zwei Monate ganz alleine und ohne deine Eltern mit sieben anderen Jugendlichen Nordamerika zu reisen? Und das in einem alten VW-Bus? Genau diese Chance hat die siebzehnjährige Laura Wood, einmal von der Schul...