22. Näher kommende Stimmen!

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Milo POV

Er spricht nicht mit mir.
Er würdigt mich keines Blickes.
Es ist als würde ich für ihn überhaupt gar nicht mehr existieren. Der dritte Tag in Folge, wo ich mich Frage ob ich etwas falsch gemacht habe oder er überreagiert hat. Offensichtlich ist es aber wohl meine Schuld, denn für Carter gibt es mich nicht mehr.

Aber kann er mir das so übel nehmen? Ich habe doch aber nichts schlimmes gesagt! Hinter allem was ich gesagt habe stehe ich zu hundert Prozent! Alex und ich haben einen Deal... naja wir hatten einen Deal. Doch dann haben wir angefangen uns zu verändern und alles wurde kompliziert. Ich hasse das Komplizierte, denn es überfordert mich. Wenn etwas kompliziert wird, habe ich keine Kontrolle mehr über das was ich mache und ich habe einfach schon zu viele schlechte Erinnerungen daran wie es ist die Kontrolle zu verlieren. Wenn mein Vater mal wieder total ausrastet, weil ich es wirklich zu weit getrieben habe oder auch bei dem Tod meiner Mutter. Durch ihre Krankheit war der Tod vorhersehbar, doch die Kontrolle darüber zu verlieren meine Mutter immer bei mir haben zu können tat weh.

Vielleicht ist es Selbstschutz, dass ich niemanden an mich heran lasse und deswegen den Deal mit Alex eingegangen bin. Ich werde bei Carter sicher keine Ausnahme machen, mal abgesehen davon das sich das jetzt wohl eh erledigt hat.
Meine Bleistiftspitze bricht ab und lenkt mein blick wieder zu meinem Blatt. Die Einladungen sind mittlerweile bei jedem angekommen und nun trennen mich nur noch zwei Tage bis zur völligen Eskalation. „Alles gut?", fragt René neben mir leise und ich nicke einfach nur. Viele haben mir auf dem Flur Blicke zugeworfen und als wenn das nicht schon genug Folter und Peinlichkeit in einem ist, hat meine Lehrerin sich auch nochmal vor der ganzen Klasse bei mir bedankt.

Ich wäre gerne heute zu Carter gegangen und hätte all das gerne für ein paar Stunden vergessen. Es liegt nicht nur am Sex, ich meine der ist super, doch Alex hat keine Fragen gestellt. Er hat gesehen wenn es mir scheiße geht, aber er hat nie Fragen gestellt. Er ist nicht wie René der fragt ob es mir gut geht, denn meine eh schon stumpfe Bleistiftspitze geht ja nicht ohne Grund kaputt.

Ich spiele mit dem Stift in meiner Hand und lasse ihn hin und her gleiten, als Alex dazu aufgefordert wird an die Tafel zu kommen um seine Lösungen vorzutragen. Er beginnt sie an die Tafel zu schreiben, als mein Augenmerk wieder auf seine rechte Hand fällt. Seine Knöchel treten deutlich rot hervor und es ist unübersehbar, dass er sich selbst mit dem Schlag mehr verletzt hat als mich. Bei mir ist nur ein leichter blauer Fleck zusehen, während Alex Hand noch immer zu schmerzen scheint. Direkt stellt sich in meinem Kopf die Frage, ob er deswegen vielleicht mal beim Arzt war. Doch die verdränge ich schnell wieder. Ich sollte ihn  lieber genauso schnell vergessen, wie er mich!

Als ich die Tür unserer Villa aufschließe und meine Schuhe an den richtigen Platz stelle, nehme ich Stimmen aus dem Nebenraum wahr. Näher kommende Stimmen!
Das erste was ich sehe ist mein aufgebrachter Vater, welcher mit verschränkten Armen vor mir stehen bleibt. „Wieso sorgst du immer für Ärger?", donnert er auch direkt los, als ich mich währenddessen unbeeindruckt aus meiner Jacke schäle. Ich bin gerade dabei sie an den Ständer zu hängen, als ich aus dem Augenwinkel zwei Personen in Uniformen entdecke.

Als ich wieder zu meiner Jacke sehe, fällt diese gerade auf den Boden und etwas verdutzt beobachte ich das bewegungslose Objekt auf der Erde. „Du bringst nichts als Enttäuschungen! Wirklich unglaublich was ist nur los mit dir?", macht mein Vater weiter. „Vielleicht wollen sie ja gar nicht zu mir", zische ich und bereue es sofort. Ich sollte langsam lernen, meinem Vater nicht mehr zu widersprechen. „Emilio Evans! Langsam habe ich genug von dir!", donnert er los und ich starte einen neuen und diesmal erfolgreichen Versuch meine Jacke aufzuhängen.

Ich umklammere mit einer Hand meinen Rucksack und sehe zu den Polizisten, welche einen eher unfreundlichen Eindruck machen. Polizist ist bestimmt auch ein undankbarer Job oder? Ich meine, man muss sich ständig um die Probleme anderer kümmern, obwohl sie selbst auch nur Menschen mit Fehlern und Schwierigkeiten sind. „Wir hätten da ein paar Fragen an sie Mister Evans", meint einer der Polizisten und ich nicke einfach nur seufzend.

„Worum gehts denn?", frage ich und lehne mich auf dem Stuhl im Esszimmer zurück. „Um ihren Bruder", meint der andere und ich sehe zwischen den beiden hin und her. Es ist keine wirkliche Überraschung, dass die Polizei deswegen hier erscheint. Trotzdem runzle ich die Stirn. „Was ist mit ihm?", mischt sich nun mein Vater ein und ich verdrehe die Augen. Klar, um ihn sorgt er sich. Doch wenn wegen mir die Polizei hier wäre, hätte er mich am liebsten noch weiter angeschrien. „Wir würden Sie bitten einen Moment draußen zu warten Sir. Wir müssen ihren Sohn, zuerst ein paar Fragen stellen", meint einer der Polizisten und begleitet meinen Vater zur Esszimmertür, der andere lässt sich vor mir auf einen weiteren Stuhl fallen.

„Ich bin Officier Jones und das ist mein Kollege Officier Brown", beginnt Jones und ich sehe ihm in die Augen. „Wie sie wissen wurde ihr Bruder vor ein paar Wochen ins Krankenhaus eingeliefert", fährt er fort und ich nicke einmal. Wäre ja dumm, wenn ich jetzt schon irgendwas erfinde. Schließlich wissen die wahrscheinlich schon, dass ich den Krankenwagen gerufen habe. „Vielleicht ist es ihnen auch nicht neu, dass sich Moritz unerlaubt selbst entlassen hat und nun nicht mehr Auffindung ist", sagt Jones erneut und sieht mich dann auffordernd an. „Mo ist nicht oft zuhause und wenn, reden wir nicht viel", meine ich nur und gucke mit den Schultern. Bis jetzt habe ich noch nicht gelogen.

„Erzähl uns etwas über dich Emilio", fordert mich nun Brown dazu auf. Mit gerunzelter Stirn sehe ich zu ihm und überlege was ich jetzt sagen kann. „Meinen Namen kenne sie offensichtlich schon, deshalb schließe ich auch mal darauf das sie die restlichen oberflächlichen Infos auch schon haben", sage ich verschränke die Arme. „Welche Verhältnis hast du zu deinem Bruder?" „Wir sind jetzt nicht die besten Freunde, aber man kennt sich halt schon länger", sage ich mit tickenden Schultern. „Ich weiß nicht was ihnen das bringen soll", meine ich wieder. „Ich denke du weißt mehr als du uns sagst Emilio", meint Jones und er scheint mich nicht wirklich zu mögen. „Was lässt sie darauf schließen?" „Wir wissen, dass dein Bruder vor einer Woche noch mit dir in der Schule war", Jones schreibt sich etwas in sein Heft und ich verdrehe die Augen. „Und? Ich wollte ihn nicht mal da haben, aber er ist gekommen. Mein Bruder zieht immer gerne seine eigene kleine Show ab, also wundert mich sein verschwinden auch nicht", erwidere ich. „Gibt es jemanden der sie in der Annahme bestärken kann?", fragt Jones und ich ziehe die Augenbrauen zusammen. „Also, dass sie von der Anwesenheit ihres Bruders nicht begeistert waren?" Scheiße! Es gibt nur einen, der mir das angesehen hat und ist Alex. Doch seinen Namen werde ich ganz sicher nicht vor den Bullen in den Mund nehmen. „Keine Ahnung", antworte ich also bedeckt und zuckte wieder mit den Schultern.

„Dein Bruder wurde schon öfter mal auffällig bei der Polizei, wir denken da könnte mehr hinter stecken", meint Brown wieder. „Mehr?", frage ich unwissend. „Drogen." „Warum sollte er das nötig haben? Er verdient ja offensichtlich genug in der Firma meines Vaters", sage ich und hoffe das dauert hier nicht mehr allzu lange.

Ich sehe zu Natalie, welche gerade in den Raum spaziert und erstarrt als sie mich mit den Polizisten sieht. Mit mehreren Entschuldigungen verlässt sie den Raum wieder und ich kann mir nur schwer ein Grinsen verkneifen. „Wo haben sie das her?", fragt Brown direkt und verwirrt sehe ich zu ihm. „Was?" Er deutet auf seinen eigenen Kiefer und ich schlucke. Verdammt Alex, du machst es mir echt nicht einfach deinen Namen zu verheimlichen. „Ach das", sage ich wie so ein bescheuerter Schauspieler in einem dieser lächerlichen Filme. „Hatte eine Auseinandersetzung mit", kurz überlege ich, wie ich Alex und meine Beziehung so unauffällig wie möglich definieren kann. „Ein Bekannter" „Ein Bekannter? Hast du einen Namen für uns?", fragt Jones und ich sehe zu ihm. „Was hat das mit meinem Bruder zu tun?" „Es hat etwas mit dir zu tun und wir denken, dass du uns nicht alles sagst." „Ich habe den Namen vergessen", sage ich genervt und ernte von beiden einen verwirrten Blick. „Sagtest du nicht es sei ein Bekannter?", fragt Jones nach. „Ich habe viele Bekannte und ich war angetrunken. Außerdem hat das nichts mit der Sache zu tun!", meine ich gereizt und die Polizisten wechseln nochmal einen Blick, bevor die Fragerei fortgesetzt wird.

Unser Geheimnis... (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt