41. „Was ist passiert?"

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POV Alex

Die Nervosität ist hat sich wie eine Krankheit in meinem gesamten Körper ausgebreitet und bringt meine Finger dazu in einem ausgedachten Takt auf dem Tisch aufzuschlagen. Es war eine Sache Milo mit ins Krankenhaus zu nehmen und ihn dort an meiner Seite zu wissen. Aber jetzt bei ihm Zuhause zu sitzen, in meinen gewöhnlichen Straßensachen, während sein Vater uns mit Anzug und Krawatte aufgemacht hat, ist etwas komplett anderes. Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll, dass wir zu dritt an einem Tisch essen werden, welcher auch locker für 15 reicht. Zudem bekomme ich immer mehr Panik davor mich mit Mister Evans zu unterhalten. Ich kenne mich weder mit der heutigen Wirtschaft, noch mit Sport und schon gar nicht mit Luxus aus. Im Grunde haben wir eigentlich keine Gemeinsamkeiten und das ist doch keine wirklich gute Voraussetzung für ein Essen.

„Alex", meint Milo warnend und mein Blick geht zu ihm. Er guckt erst zur Tür, durch welche sein Vater vor wenigen Minuten verschwunden ist und dann auf meine Hände. „Tschuldigung", nuschle ich und lege meine eine Hand auf die andere. „Schon gut", murmelt er und sieht auf seine eigenen Hände. „Das ist kein Bewerbungsgespräch", versucht er zu witzeln und schenkt mir auch ein Lächeln, welches ich ihm aber nicht so ganz abkaufe. In seiner Stimme liegt etwas nachdenkliches und seit er mit seinem Bruder geredet hat, ist er so schweigsam und in sich gekehrt. Außerdem wollte er sich umziehen, doch er trägt noch immer dieselben Sachen wie heute Morgen. Zwar meinte er, dass sein Bruder nur wieder so viel genervt hat, doch das kaufe ich ihm nicht ab.

„So", höre ich die Stimme von Mister Evans und zucke unmerklich zusammen. „Ich hoffe es schmeckt dir Alex. Unser Koch ist wirklich begabt, aber Fisch ist ja nicht für jeden was", mit einem Lächeln stellt er mir und Milo einen Teller vor die Nase und setzt sich dann zsm gegenüber. „Wieso bringst du das Essen?", fragt Milo und beobachtet jede Bewegung seines Vater misstrauisch. „Ich habe den Angestellten freigegeben", meint Mister Evans und schiebt sich seine Gabel in den Mund. Ich koste ebenfalls von dem Essen und muss gestehen, dass es mich wirklich überzeugt. „Das machst du nie", stellt Milo fest und unauffällig trete ich ihm unter dem Tisch gegen das Bein. „Ich wollte mich nochmal für die Einladung bedanken Mister Evans. Es schmeckt wirklich köstlich", meine ich und schenke dem Älteren ein Lächeln. „Bitte, nenn mich einfach Marvin", er erwidert mein Lächeln und direkt fühle ich mich etwas sicherer.

Marvin wird keiner Beschreibung von Milo gerecht. Er wirkt nicht wie ein versteifter, alter Mann mit konservativen Vorstellungen und auch nicht wie Tyrann, dem seine Kinder eigentlich egal sind und der Arbeit über Familie stellt. Allerdings kann ich mir nach einem Abend noch keine richtige Meinung bilden. Was ich aber sehen kann, ist das Milos Vater sich wirklich bemüht seine Fehler aus der Vergangenheit zu bereinigen. „Schmeckt es dir nicht?", fragt Marvin seinen Sohn und als ich auf Milos Teller sehe, ist noch so gut wie die Hälfte darauf. Sonst isst er auch wie ein Mähdrescher und wenn er es nicht tut, kann irgendwas nicht stimmen. „Was?", fragt er aus den Gedanken gerissen und erntet einen ernsten Blick von seinem Vater. „Ich... Entschuldigung. Es schmeckt wirklich lecker, aber ich habe heute keinen besonders großen Hunger", meint er an seinen Vater gerichtet, wessen ernster Blick langsam schwindet. Als ich Milos Hand auf meinem Bein spüre sehe ich zu ihm und erkenne ein entschuldigendes Lächeln: „Hat es dir geschmeckt?" Ich lege meine Hand auf seine und streiche beruhigende Kreise darauf: „Ja natürlich, ist alles okay bei dir?" Er nickt und entzieht mir dann seine Hand, beides auffällige Anzeichen und Gründe warum ich ihm auch dies nicht abkaufe.

„Und was machst du so in deiner Freizeit Alex?", fragt mich Marvin, als der Nachtisch vor uns steht. „Eigentlich nicht viel", meine ich und fühle mich wieder ein wenig erdrückt. „Ich gehe zur Schule, regle den Haushalt und kümmere mich um meine Familie", meine ich schüchtern und schiebe mir schnell den Quark in den Mund. Marvin lacht ein wenig und ich bin unsicher was ich davon halten soll, bis er den Mund öffnet: „Das hört sich anstrengend an Alex. Es ist schwer so eine große Verantwortung tragen zu können." Ich lächle leicht und sehe dann zu Milo, welcher seinen Vater ansieht und in seinem Quark herumrührt. „Wie habt ihr euch kennengelernt?", fragt Marvin und sieht diesmal zu seinem Sohn. „Das hast du mir noch nicht erzählt." „Das willst du wirklich wissen?", fragt Milo immer noch misstrauisch und so langsam geht mir sein Verhalten auf die Nerven. „Natürlich, es interessiert mich." „Seit wann denn das?", grummelt Milo und in Marvins Gesicht zeichnet sich Verzweiflung ab.

Ich klatsche in die Hände und alle Augenpaare liege überrascht auf mir. „Ich müsste dringend auf Toilette, könntest du mir zeigen wo sie ist Schatz?", frage ich höflich und Milo erwidert meinen Blick verwirrt. „Ich-" „Bitte?", hänge ich hinten dran und sehe ich warnend an. Seufzend erhebt er sich und auch ich stehe, nach einem kurzen Lächeln zu Marvin, auf.
„Hier", meint Milo ruhig und drückt eine Tür auf. „Rein da", zische ich wütend und nun ist er nur noch irritierter. Als er sich nicht bewegt, packe ich ihn am Arm und zerre ihn mit in den Raum. „Was soll das?", fragt Milo und setzt sich auf den Wannenrand. „Das könnte ich sich auch fragen", meine ich gepresst, damit uns niemand hört. „Was hat dein Bruder heute gemacht, dass du so neben der Spur bist?" „Mir geht es gut", beteuert er, weicht meinem Blick dabei aber aus. „Na offensichtlich ja nicht", ich knie mich vor ihm hin und lege meine Arme auf seinen Beinen ab. „Rede mit mir", flüstere ich sanft. Langsam bekommenden Milos ganze Aufmerksamkeit und seine Augen mustern mein Gesicht. „Was ist passiert?", frage ich erneut.

Plötzlich passiert etwas mit dem ich nicht gerechnet hätte. Etwas glasiges tritt in Milos Augen, während er mich beobachtet. Meine Sorge um ihn wird nur noch größer und ich nehme seine Hände in meine. „Ich habe Scheiße gebaut Alex", flüstert er dann mit brüchiger Stimme. Ich schweige, denn ich habe Angst ihm den Mit zu nehmen wenn ich etwas sage. „Mo ist zu weit gegangen", meint er ernst. „Ich kann das nicht mehr. Ständig muss ich mir anhören, dass ich nichts Wert bin und keinen Nutzen habe. Er macht mich Krank Alex, er ist nicht mehr mein Bruder." „Was lässt dich sowas sagen?", flüstere ich, doch eine wirklich Antwort bekomme ich nicht, nur ein Schulterzucken und ein schniefen kommt von ihm. „Was hast du gemacht Milo?", frage ich ruhig und eine Träne läuft ihm über die Wange.

Unser Geheimnis... (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt