elf

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Ich bin noch immer dabei meinem Boss die Bilder zu zeigen, als Magnus Handy vibriert. Schnell reiche ich es ihm und er liest die Nachricht darauf. "Bei Ragnor wird es spät heute. Er kommt sobald er kann, um mich ins Bett zu bringen. Oh Gott, wie sehr ich das hasse so abhängig zu sein." sagt er und ich sehe ihn an. Das ist das erste Mal, dass er eine Art von Empfindung gegenüber seines Handicaps zeigt. "Ich kann Sie später auch ins Bett bringen." biete ich an und er seufzt.

"Alexander, können Sie sich vorstellen, dass es sehr unangenehm für mich ist, von anderen Menschen so gepflegt zu werden? Haben Sie sich mal Gedanken darüber gedacht, wie ich pinkel?" Ich werde rot. "Nein, bisher nicht." Wieder seufzt er. "Mich jedes Mal auf die Toilette zu setzen wäre sehr umständlich und ich merke es tatsächlich noch, wenn meine Blase voll ist. Reden wir Klartext. Ich pinkel in einen Behälter und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mir den reichen wollen, um ihn anschließend zu leeren und zu säubern. Verdammte Scheiße, ich hasse es." Vorsichtig lege ich meine Hände auf seine Beine.

"Okay, Sie wollen Klartext? Dann machen wir es. Mir ist klar, dass das alles sehr unangenehm für Sie ist, Magnus. Allerdings haben wir heute schon einen Grenze überschritten. Wir sind zusammen geschwommen, ich hab Sie abgetrocknet und nackt gesehen. Was ändert da ein Behälter zum Pinkeln noch? Schreiben Sie Ragnor, dass er nicht wieder kommen braucht. Wir essen zusammen und dann erledigen wir alles notwendige. Keine Widerrede." sage ich bestimmt und er starrt mich durchdringend an.

Schließlich tippt er etwas in sein Handy und dann sieht er mich an. "Zufrieden?" motzt er und ich muss lachen. "Bin ich. Sie sind eine Gewitterwolke, Magnus. Dabei steht es Ihnen so gut, wenn Sie lachen." Verblüfft reisst er die Augen auf. "Noch nie hat jemand in meinem Leben so mit mir geredet." Er klingt ernst und langsam bekomme ich Angst vor meiner eigenen Courage.

Plötzlich grinst er. "Zur Abwechslung mal ein gutes Gefühl. Endlich behandelt mich jemand wie einen vollwertigen Menschen." Ich runzel die Stirn. "Aber genau das sind Sie doch auch." stelle ich fest und er lächelt.
"Was bestellen wir? Was halten Sie von chinesischem oder vietnamesischen Essen?" fragt er. "Lecker. Da bin ich dabei."

Zwei Stunden später sitzen wir noch immer auf dem Sofa, die leeren Behälter vom Essen stehen auf dem Tisch und wir trinken beide gerade das zweite Glas Martini. Magnus tippt gerade auf seinem Handy herum und ich beobachte ihn dabei. Vor dem Essen kam es zu der vorausgesagten Situation und mein Boss musste seine Blase entleeren. Zu meiner eigenen Verwunderung hat mir die ganze Prozedur wirklich nichts ausgemacht, wenn ich auch den Blickkontakt mit ihm vermieden habe, als er mir den Behälter gereicht hat, allerdings nur, weil ich ihn nicht in Verlegenheit bringen wollte.

Seine Beine liegen wieder auf meinen und ich habe die Decke über ihm ausgebreitet. "Darf ich Sie was fragen, Magnus?" Er legt sein Handy weg und sieht mich in an. "Fragen Sie." Ich räuspere mich kurz. "Ja, also warum kommt eigentlich Nachts eine Schwester, die aufpasst?" Er wiegt den Kopf hin und her. "Nicht so schwer zu erklären, Alexander. Eine der beiden schließt mich an einen Monitor an, wenn ich im Bett liege und überwacht ihn. Nach meinem Unfall war ich so gut wie tot, habe nicht mehr geatmet und sie haben mich an Maschinen angeschlossen. Anschließend haben sie mich in ein künstliches Koma gelegt, damit ich mich erholen konnte. Ab und zu setzt bei mir Nachts allerdings die Atmung aus, wegen der Lähmung und dann kommt eben Dot oder Aline und hilft mir." Er holt tief Luft. "Außerdem passen die beiden auf, dass ich auch brav meine Tabletten nehme." Ich nicke. "Verstehe." murmel ich und er sieht mich prüfend an. "Sie wollen etwas über den Unfall wissen, trauen sich aber nicht so richtig zu fragen oder?"

Verlegen beisse ich mir auf die Unterlippe. "Naja, ich weiß nur von Cat, dass Sie beim Klettern einen Unfall hatten aber sie hat nie Einzelheiten erwähnt." gebe ich zurück. Er nickt. "Ja, es war beim Klettern aber nicht so, wie Sie es sich denken. Es war weder auf einem Berg, noch überhaupt in der freien Natur. Es war tatsächlich in einer Kletterhalle. Ich wollte einige Freunde beeindrucken, unter anderem meine Exfreundin Camille. Die Warnung der Aussicht, nicht ohne Helm zu klettern, habe ich nicht ernst genommen und mit Geld kann man sich vieles erkaufen, auch Schweigen und über Regeln hinweg sehen." Er wirkt plötzlich angespannt und ich lege eine Hand auf seine.

"Ich wollte angeben, so war es. Bin geklettert und habe immer wieder nachgesehen, ob mir alle zugucken. Was war ich eitel und selbstverliebt. Ich hab ganz oben nicht richtig aufgepasst und bin abgerutscht. Zehn Meter ungebremst zu fallen ist nicht nur schlecht für das Ego, es ist auch verdammt gefährlich, wie ich feststellen musste. Nicht nur das ich ohne Helm unterwegs war, die Sicherungen hatte ich ebenfalls abgelehnt. An das was dann passierte, kann ich mich kaum noch erinnern. Ich weiß nur noch, dass ich schlimme Schmerzen hatte. Im Nacken, im Rücken und in meinen Beinen. Das war das letzte Mal, dass ich meine Beine gespürt habe. Das hier," er zeigt auf seinen Körper "ist das, was ich seitdem bin."

Ich lasse die Worte auf mich wirken. "Das tut mir so leid, Magnus. Was genau haben die Ärzte gesagt?" Er zuckt mit den Schultern. "Sie sagten, ich habe Glück gehabt. Als wenn man das als Glück ansehen könnte. Sie meinten, es hätte schlimmer sein können. Ich bin nicht querschnittsgelähmt, Alexander. Bei dem Sturz habe ich mir mehrere Nerven so gequetscht, dass sie die Funktion meiner Beine beeinträchtigen. Zweimal haben sie operiert, aber nichts hat sich geändert. Das ist meine Geschichte." schließt er ab und ich denke nach. "Darum spüren Sie, wenn Ihre Blase voll ist. Ist nichts zu ändern an Ihrem Zustand?" frage ich und er schüttelt den Kopf. Noch immer liegt meine Hand auf seiner und es scheint ihn nicht zu stören. Ich hebe mein Glas. "Prost, Magnus. Trinken wir auf das Leben mit all seinen Facetten." Mit einem kleinen Lächeln stösst er mit mir an.

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