siebzehn

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Wir sitzen eine ganze Weile so da und weil ich kein Shirt anhabe, ist meine Brust mittlerweile nass von seinen Tränen. Immer wieder streichel ich ihm durch seine Haare, atme seinen Duft ein und presse ihn mit der anderen Hand fest an mich. Er ist dazu übergegangen sich an mir festzuklammern und langsam wird er ruhiger. Mit einer Hand taste ich irgendwann über mir auf der Arbeitsfläche nach der Rolle Haushaltspapier und reisse ihm eines ab, als ich sie zwischen die Finger bekomme. Ganz sanft schiebe ich seinen Kopf etwas zurück und wische ihm seine Tränen ab.

"Geht es wieder?" Er nickt leicht und fordert noch ein Tuch, mit dem er sich geräuschvoll die Nase putzt. Noch immer liegt mein einer Arm um ihn und er lehnt sich schließlich wieder an mich. "Verraten Sie mir, was Sie mit dem Mehl wollten?" frage ich und er sieht mich von der Seite an. "Wenn ich das mal wüsste. Vielleicht hatte ich den albernen Gedanken, es bringt Sie mir näher, Alexander. Keine Ahnung." Ich finde das unglaublich süß von ihm und muss lächeln.

"Sie lachen mich aus." schmollt er und ich schüttel den Kopf. "Nein, gar nicht. Eher im Gegenteil, denn ich finde das wirklich verdammt süß." Er reisst den Kopf hoch. "Süß? Sie finden das süß? Ich finde das eher vollkommen irre." Ich lache leise und noch immer starrt er mich an. "Sie lachen wieder. Das hat mir gefehlt."

Ich muss ihn einfach wieder an mich ziehen und da er sich nicht wehrt, schlinge ich auch meinen anderen Arm um ihn. "Bitte sagen Sie mir, warum Sie mir aus dem Weg gegangen sind." murmelt er. "Magnus, Sie hätten nur fragen müssen, ich gebe Ihnen immer eine Antwort auf Ihre Fragen, okay?" Er nickt kurz. "Hiermit frage ich." sagt er leise. Ich kneife kurz die Augen zusammen und hole dann Luft.

"Sie werden mich feuern, Magnus, aber Sie bekommen Ihre Antwort. Ich mag Sie unglaublich gerne, zu gerne, wenn Sie verstehen, was ich meine?" Magnus ist ganz still und scheint mir sehr genau zuzuhören. "Ich finde Sie sehr attraktiv, dass sagte ich Ihnen ja schon, aber es ist mehr als das. Hinter der harten Schale, stecken Sie, Magnus und das was ich sehe, gefällt mir so gut. So gut, dass ich mir manchmal mehr wünsche, als eine Freundschaft." Ich merke, dass er was sagen will und unterbreche ihn, indem ich einen Finger auf seine Lippen lege.

"Nein, sagen Sie nichts. Bitte. Ich weiß, dass Sie nicht auf Männer stehen und ich verspreche, dass ich das Problem in den Griff bekommen werde. Ich werde Sie nicht angrabschen oder sowas. Lassen Sie uns einfach Freunde sein und vorallem reden Sie mit mir, wenn Sie etwas bedrückt, okay?" Noch immer liegt mein Finger auf seinen wunderschönen Lippen und noch immer starrt er mich an. Schließlich nickt er und ich nehme meine Hand zurück.

"Sie mögen mich?" flüstert er leise und ich nicke. "Ja, natürlich mag ich Sie, Magnus. Sehr." Er schluckt sichtlich. "Warum? Ich bin ein Krüppel, was wollen Sie ausgerechnet mit mir?" schiebt er dann hinterher und ich muss lächeln. "Sie sind ein Mensch. Ein gutaussehender, kluger, gebildeter und wenn Sie es mal zeigen, auch ein witziger und warmherziger Mensch. Das ist, was ich in Ihnen sehe." antworte ich heiser. Ich kann seine Gedanken nicht lesen, aber erneut füllen seine Augen sich mit Tränen und er hebt langsam eine Hand. Wir lassen uns keinen Augenblick aus den Augen und dann legt er seine Hand auf meine Wange.

Vorsichtig streicht er darüber und ja verdammt, ich genieße diese Berührung so sehr. Dann beugt er sich langsam vor und ich weiß genau, was er im Begriff ist zu tun. "Magnus." flüster ich. "Machen Sie das nicht." Er schüttelt ganz kurz den Kopf und kommt noch näher. Schon fast erwartungsvoll schließe ich die Augen. Er wird mich küssen. Mein Traummann wird mich jeden Moment küssen. Mein betrunkener Traummann, der bis eben weder was von meinen Gefühlen wusste, noch auf Männer steht und der sowieso völlig am Ende ist. Ich wünsche es mir trotzdem so sehr, drehe aber im letzten Moment den Kopf zur Seite und öffne wieder die Augen.

"Nicht. Sie würden das morgen bereuen." sage ich rau und er beisst sich auf die Unterlippe. Dann nickt er schließlich. "Vielleicht ist es wirklich besser so." murmelt er. Es schmerzt in meinem Herzen aber die Vernunft ist größer. "Ich bringe Sie jetzt ins Bett und Sie sagen mir, wie ich Sie verkabeln soll, okay?" Er nickt leicht. "Okay. Alexander?" Ich sehe ihn fragend an. "Danke, für deine Ehrlichkeit." sagt er und ich bin gerührt, wie selbstverständlich er zum Du übergeht. "Kein Problem." erwidere ich und rappel mich hoch, um den Rollstuhl zu holen.

"So, jetzt musst du mir erklären, wo ich was hinkleben muss." sage ich, als ich ihn endlich ins Bett verfrachtet habe. Er erklärt es mir kurz und stutzt dann. "Du musst doch auch schlafen, Alexander." Ich nicke. "Das werde ich, aber eben heute mal nebenan vor dem Monitor. Helen hat mir erklärt, dass es einen unglaublichen Krach macht, wenn du aufhören solltest zu atmen und bei der Gelegenheit hat sie mir auch gesagt, was dann zu tun ist. Mach dir keine Sorgen. Ich pass schon auf dich auf." sage ich und lege dann die Kabel nach Anweisung an ihn. Dann decke ich ihn zu und mit einem Lächeln, stelle ich fest, dass er bereits nach wenigen Sekunden eingeschlafen ist. Liebevoll streichel ich ihm noch einmal über die Wange, bevor ich den Raum verlasse und nach nebenan ins Schwesternzimmer gehe.

Dort lasse ich mich in den Sessel fallen, schalte den Monitor ein und starre eine Weile darauf. Das Gespräch hat mich aufgewühlt und der fast Kuss macht mich innerlich fertig. Ich werde mich an mein Versprechen halten und ihm ein guter Freund sein. Das sage ich mir selbst noch einmal, bevor ich endlich einnicke.

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