Das Auto holperte über die Landstraße und ließ mich unangenehm im Sitz auf- und abhüpfen. Ryan und meinen Eltern schien es nichts auszumachen. Sie freuten sich auf unseren heutigen Ausflug, den meine Mutter bis ins kleinste Detail geplant hatte.
„Wenn wir erst einmal da sind, wird es dir schon noch gefallen", hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf.
Bevor wir losgefahren waren, hatte sie alles getan, damit ich mitkam. Vermutlich hätte sie mich ins Auto gezerrt und dort festgekettet, wenn ich versucht hätte, im Haus zu bleiben.
Es würde ein unvergesslicher Ausflug werden, meinte sie. Und damit hatte sie bestimmt recht. Bisher war jeder Familienausflug unvergesslich geworden.
Ich erinnerte mich noch gut an den vorletzten, als mein Vater aus Versehen, ein Wespennest auf den Boden fallen gelassen hatte. Wie er das geschafft hatte, wusste ich nicht.
Danach waren wir alle vier übersät von Wespenstichen gewesen, die unheimlich geschmerzt hatten. Wir waren gerannt, aber die Wespen waren uns gefolgt. Zum Auto konnten wir nicht, weil mein Vater den Autoschlüssel beim Picknickplatz liegen gelassen hatte.
Erst als wir alle in den nahe gelegenen See gesprungen waren, hatten uns die Wespen in Ruhe gelassen. Doch dieser Ausflug war nicht der schlimmste von allen.
Ryan war noch sehr klein gewesen, etwa sieben Jahre alt. Wie hatten meinen elften Geburtstag feiern wollen, doch wurde es die schlimmste Feier meines Lebens - wenn ich die von meinem dreizehnten Geburtstag wegließ, als mein Vater die peinlichsten Dinge vor meinen Freundinnen gemacht hatte.
Mein Bruder wusste damals nicht, wie er sich richtig bei anderen Leuten zu benehmen hatte. Als wir während des Ausflugs an einem älteren Herrn vorbeikamen, der uns böse anschaute, spuckte Ryan auf dessen Füße.
Er tat es mit der Begründung, dass dieser Mann ein Dämon wäre, der versuche, die Welt zu vernichten. Der Herr war nicht erfreut gewesen über die Sabber, die langsam an seinem Fuß heruntergeflossen war. Sofort begann er uns zu beschimpfen mit wirklich üblen Worten, die ein Siebenjähriger sicher noch nicht hören sollte.
Als wäre das noch nicht genug, hob der Mann seinen Gehstock und schlug Ryan damit gegen die Seite. Meine Eltern waren empört und regten sich furchtbar auf, während ich mit meinen Fäusten auf den Herren einschlug. Niemand, wirklich niemand, durfte meinen Bruder so behandeln. Erst recht kein Dämon.
Der Mann schubste mich zur Seite und wollte auch mich mit dem Stock schlagen, aber Ryan rammte ihn, sodass der Mann zu Boden fiel. Es entstand eine kleine Prügelei, aber sie wurde schnell beendet, da unsere Eltern uns wegzerrten und hinter sich schoben.
Der Fremde drohte uns mit der Polizei, doch mein Vater hielt dagegen, dass er selbst mit einer Anzeige rechnen müsse, weil er zwei Minderjährige verhauen hatte (mehr oder weniger).
Deshalb hasste ich Familienausflüge. Immer passierte irgendetwas Schlimmes, Peinliches oder einfach Verrücktes.
„Ach komm schon, Fina. Das wird bestimmt lustig", meinte Ryan und strahlte mich an.
„Ja ... Bestimmt ..."
Mit einem Ruck hielt das Auto an einem fast leeren Parkplatz vor dem Wald. Wir stiegen aus. Voller Energie rannte mein Bruder zu einem Busch und rief:
„Schau mal, Fina! Ein Vogel! Und er fliegt nicht weg!"
„Wenn du weiterhin so rumbrüllst, kann er das gar nicht, weil er sich stattdessen die Ohren zuhalten muss", murmelte ich so leise, dass keiner es verstand.
„Fina, kommst du? Schnell, bevor der Vogel wegfliegt!"
Aufgeregt wedelte Ryan mit den Händen und bedeutete mir, mich zu beeilen. Seufzend stellte ich mich neben ihn und sah in den Busch. Dort saß tatsächlich ein Vogel, ein Rabe. Was machte ein Rabe bitteschön in einem Busch, wo es für ihn ziemlich eng war?!
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Ruf des Meeres
FantasyBand 1 der Trilogie Nach einem Hai-Angriff auf ihren Bruder kümmert sich Serafina wo sie kann um ihn. Eines Morgens erzählt er seltsame Dinge. Da glaubt sie, er würde verrückt werden. Als auch noch ein neuer Schüler in ihre Klasse kommt und behaupt...