Die Kälte der Steinwand in meinem Rücken kroch mir in die Glieder. Dennoch presste ich mich weiterhin gegen sie und versuchte mit dem Schatten des Hauses zu verschmelzen. Ein paar Minuten standen Wesley, Lyra und ich schon hier, ohne von den Männern entdeckt worden zu sein. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, wie wir es geschafft hatten, uns hier unbemerkt zu verstecken. Mir war es nur recht.
„Sind sie weg?", fragte Lyra flüsternd und sah vorsichtig um die Hausecke.
Sofort zuckte sie zurück und presste sich wieder gegen die Wand.
„Scheiße. Ich glaub, einer hat mich gesehen."
„Ich glaube wir sollten dann lieber abhauen", sagte ich und hielt die Luft an.
„Dann wissen sie doch mit Sicherheit, dass wir hier sind", gab Wesley zu bedenken.
Man konnte lauter werdende Stimmen hören und Schritte, die definitiv in unsere Richtung kamen. Verdammt, was sollten wir tun? Würden wir wegrennen, würden sie uns einholen, aber verstecken konnten wir uns auch nicht länger, wenn sie uns entdeckt hatten.
„Ich brauche beim Haus Verstärkung. Zwei reichen völlig aus, um diese Göre zu fassen, die anderen sollen sich sofort zum Haus begeben", befahl eine Stimme.
Schritte entfernten sich wieder, aber noch immer näherten sich uns welche. Konnten wir mit zwei Männern fertig werden? Ich hatte eigentlich noch nie einen Erwachsenen geschlagen und wollte jetzt auch nicht damit anfangen. Einen Kampfsport beherrschte ich nicht, die Typen vermutlich schon.
Wesley bedeutete uns mit den Händen von der Hausecke wegzugehen und schnell in eine andere Straße zu laufen. Dabei hielt er seinen Zeigefinger vor den Mund und schlich los. Noch während wir losliefen, hörte ich Runes Stimme in Gedanken sagen:
„Lauft zu der Bucht am Strand. Und beeilt euch, ich kann sie nicht lange aufhalten."
„Hier lang!", rief ich, sobald wir außer Hörweite waren.
Ich bog rechts ab zu der Straße, die zum Strand führte. Lyra und Wesley blieben zwar nicht stehen, sahen mich aber verwirrt an.
„Vertraut mir, ich kenne ein gutes Versteck", fügte ich hinzu.
„Wir können nur hoffen, dass sie uns dort nicht finden", sagte Lyra und warf einen kurzen Blick über die Schulter.
Ich tat es ihr gleich, konnte jedoch niemanden hinter uns sehen. Rune hielt sie tatsächlich auf! Das war gut, das war mehr als gut. Wenn wir uns beeilten, würden wir an der Bucht sein, ohne dass sie es sahen.
Vor uns sah ich schon die Treppe näher kommen, die hinunter zum Strand führte. Wenige Sekunden später hatten wir sie erreicht und stürzten die Stufen herunter in einem so hohen Tempo, dass ich mehrmals fast den Halt verloren hätte. Doch schließlich trafen meine Schuhe auf Sand und wir rannten wieder mit vollem Tempo los.
Meine Lungen brannten und ich keuchte ununterbrochen, aber das Adrenalin gab mir Energie. Trotzdem kamen wir langsamer voran als auf dem Bürgersteig. Mit jedem Schritt den wir taten, sanken wir ein wenig in den Sand, der unter uns nachgab. So verloren wir viel an Tempo.
„Wir sollten näher ans Wasser gehen, dort ist der Sand fester!"
Ich lief nicht auf direktem Weg zum Wasser, sondern rannte zugleich noch etwas geradeaus. Es dauerte zwar ein paar Sekunden länger, doch in denen war ich auch noch vorangekommen. Als wir endlich zu dem stabileren Sand kamen und ein paar Minuten gerannt waren, hörte ich wie aus weiter Ferne Rufe:
„Da sind sie!"
„Sie wird versuchen über's Meer zu fliehen!"
„Nein, nicht wenn die beiden Menschen dabei sind", erwiderte die erste Stimme hämisch.
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Ruf des Meeres
FantasyBand 1 der Trilogie Nach einem Hai-Angriff auf ihren Bruder kümmert sich Serafina wo sie kann um ihn. Eines Morgens erzählt er seltsame Dinge. Da glaubt sie, er würde verrückt werden. Als auch noch ein neuer Schüler in ihre Klasse kommt und behaupt...